Die Geheimnisse einer langen Liebe

Di, 14. Okt. 2014

Am Mittagstisch der Pro Senectute in Mellingen, der jeden Monat einmal stattfindet, sind ältere Menschen mit spannenden Biografien anzutreffen. So auch das Ehepaar Heidi und Schaggi Brändli. Sie sind seit 57 Jahren verheiratet – und immer noch ein Herz und eine Seele.

 

Der Mittagstisch in Mellingen findet abwechselnd im Restaurant Al Ponte und im Alterszentrum im Grüt statt. Letzten Donnerstag war das Alterszentrum an der Reihe. Rund 40 Frauen und Männer nahmen daran teil. Sie liessen sich von einem feinen Vier-Gang-Menü für Fr. 17.50 kulinarisch verwöhnen – und genossen das gemütliche Zusammensein mit alten und neuen Bekannten. Unter ihnen das Ehepaar Heidi und Schaggi (Jakob) Brändli, die regelmäs­sig am Mittagstisch teilnehmen. Sie wohnen seit zwei Jahren in einer Dreieinhalb-Zimmerwohnung im Alterszentrum. Weil Schaggi Brändli nicht mehr so gut Treppen steigen kann, haben sie ihr Haus an der Bahnhofstras­se verkauft und sind in die altersgerechte Wohnung umgezogen. «Es war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten», sagt Heidi Brändli. «Wir können das Leben hier Tag für Tag gemeinsam in vollen Zügen geniessen.» Mit am Tisch sitzen Schaggi Brändlis regelmässige Jasspartner, Gerda und Georg Müller, sowie Ruth Gimmi, die während 30 Jahren auf der «Linde» gewirtet hat. Dazu Theres und Wilhelm Zaugg, den sie «Rosenkönig» rufen, weil er die Rosen im Garten des Alterszentrum so schön betreut. 

Es ist eine illustre Gesellschaft an diesem Mittagstisch. Ehepaare, aber auch einzelne Frauen und Männer, die ihre Partner verloren haben und hier etwas Geselligkeit finden. Alle können etwas erzählen. Es sind Geschichten, wie sie das Leben schreibt. Schöne, lustige, aber mitunter auch traurige Geschichten. 

Die Geschichte von Heidi (80) und Schaggi Brändli (87) ist voller lustiger Anekdoten, die am Tisch alle zum Schmunzeln bringen. Heidi Brändli mit ihrem noch immer ausgeprägten Schaffhauser Dialekt ist eine mitreissende Erzählerin. Die Frage ist deshalb unvermeidbar: Wie kommt eine Schaffhauserin ausgerechnet nach Mellingen? Sie schaut ihren Schaggi an, als hätte sie ihn soeben erst kennen gelernt, und nimmt ihn zärtlich am Arm. «Gell, dasch e langi Gschicht!» Schaggi Brändli schaut seine Frau an und sagt mit einem verträumten Schmunzeln ihm Gesicht: «Ja …, eine lange Geschichte.» Und es ist, als würde diese Geschichte gerade wie ein Film vor seinem geistigen Auge ablaufen. Schaggi Brändlis Eltern betrieben einst eine Konditorei, zuerst in Aarau, dann in Zürich. 1936, als er neun Jahre alt war, zog die Familie Brändli nach Mellingen und übernahm das Mineralwassergeschäft an der Bahnhofstrasse. Nach der Schulzeit wurde er wie sein Vater Konditor. Er arbeitete in guten Häusern in Bern und Basel. Er erzählt, wie er jeweils im alten St. Jakob-Stadion die Spiele des FC Basel besuchte, als noch der legendäre Seppe Hügi (1930–1995) seine Tore schoss. Noch heute interessiert er sich für die Spiele der Rot-Blauen. Brändli hinterliess im Fussball ebenfalls Fussabdrücke. Er war nämlich Initiant und Mitbegründer des FC Mellingen. Das war 1954/1955. Aber wie kam nun Heidi Brändli, die damals noch Heidi Rohr hiess, nach Mellingen? Wie gesagt, das ist eine lange Geschichte. Sie machte in Schaffhausen eine kaufmännische Ausbildung. Schaggi Brändli kehrte heim ins elterliche Geschäft nach Mellingen. 

Heidi ging mit 18 für einen Sprachaufenthalt nach England. In Lincoln, auf halbem Weg nach Schottland, war sie überzeugt, für sie würde nur ein Engländer als Mann infrage kommen. «Sie waren so ‹gentlemanlike›, ganz anders als die Männer bei uns», erzählt sie und lacht laut heraus. Und wieder nimmt sie ihren Schaggi am Arm, schmiegt sich an ihn und sagt: «Er wurde dann mein Engländer.» Und das kam so: Am Anfang der Geschichte stehen drei Grossmütter, nämlich die von Schaggi und die von Heidi. Dazu kommt die Grossmutter von Oskar Dürsteler, damals Garagist in Mellingen. Diese drei Grossmütter waren Schwestern. Doch davon wussten weder Heidi noch Schaggi. Eine der Schwestern feirte ihren 100. Geburtstag. Zur Feier lud sie ihre jüngeren Schwestern nach Schaffhausen ein. Schaggis Grossmutter nahm ihren Enkel mit an den Rheinfall. «Und do isch es passiert», sprudelts aus Heidi Brändli heraus. So frisch, als wärs eben passiert. Er sei am «Gartentörli» gestanden. Ein «grosser schöner» Mann. «Und do hets gfunket!» 1957, Verlobung und Hochzeit im gleichen Jahr. «Ich wollte für die Verlobung freinehmen», erinnert sich die einstige Fremdsprachen­sekretärin. «Aber ich musste arbeiten.» Deshalb setzte sich Schaggi ins Auto der Eltern und fuhr nach Neuhausen am Rheinfall, um seine Angebetete zu sehen. Der Chef liess sich erweichen und gab seiner Sekretärin frei.

Heidi brachte zwei Buben zur Welt. Wie im Märchen könnte man sagen: Und so lebten sie gemeinsam glücklich und zufrieden, bis … Wäre es nicht wahr, es wäre wohl kitschig. Heidi und Schaggi Brändli gehen noch immer durch dick und dünn. «Wir haben immer noch die gleichen Gefühle wie damals füreinander», verrät Heidi Brändli eines der Geheimnisse für eine lange Liebe. «Wir haben die ganzen Jahre im Geschäft zusammen gearbeitet, haben uns stets vertraut.»

Nicht dass die beiden nie gestritten hätten. «Natürlich gab es auch bei uns Spannungen», räumt Heidi ein. «Aber das Gemeinsame war stets stärker.» Weil sie wissen, dass einer immer zuerst gehen muss, wollen sie das Leben gemeinsam geniessen, so lange es ihnen geschenkt ist.

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