Die Wiese ist der natürliche Lebensraum des Rehs, dort zieht es auch seinen Nachwuchs auf. Und da kommt den Tieren der Mensch mit seiner Maschine in den Weg. Gut, gibt es die Jagdgesellschaft Hubertus, welche viele Rehkitze vor dem Mähtod rettet.
Den Blick fest auf den Bildschirm geheftet, schreitet Albert Karer durch das kniehohe Gras. Etwas weiter hinten steht Roland Koch und bedient die Drohne, die mit einer Wärmebildkamera ausgestattet ist. Die Drohne schwirrt surrend über den Köpfen der beiden Jäger. Auf dem Bildschirm sieht man eine schwarz-graue Fläche, mittendrin flackert ein weisser Fleck. «Das ist das Kitz», sagt Karer. Er muss sich in unmittelbarer Nähe des Jungtiers befinden, man sieht seinen Umriss auf dem Bildschirm als grossen weissen Fleck. Um sich besser orientieren zu können, streckt Karer den rechten Arm aus. Zwischen den Gräsern blinkt ein braunes Fell hervor. Da liegt es, eng zusammengeschlungen und schaut die Jäger mit seinen grossen braunen Augen ängstlich an.
Alleine im hohen Gras
Diese Szene spielte sich am frühen Dienstagmorgen im Gebiet «Sorchen» in Oberrohrdorf ab. Die Jagdgesellschaft Hubertus wurde von zwei Landwirten angefordert, die an diesem Tag ihre Wiesen mähen möchten. Bisher wandte man verschiedene Methoden an, um die Jungtiere vor dem Mähtod zu bewahren. Alle mit mässigem Erfolg. Die Rehgeissen legen ihre Kitze im hohen Gras ab während sie auf Nahrungssuche gehen. Sie entfernen sich nicht weit und kehren regelmässig zurück, um das Junge zu säugen. Der Liegeplatz im hohen Gras schützt die Jungtiere vor ihrem Feind, dem Fuchs. Der Bauer mit der Mähmaschine hingegen hat keine Chance, die Tiere zu sehen. Weil sie während den ersten Wochen über keinen eigenen Geruch verfügen, kann der Jäger sie nicht mit seinem Jagdhund aufspüren. «Man kann die Tiere am Vorabend aus dem Feld treiben indem man Plastikbänder aufstellt. Das verunsichert die Geiss und sie verlässt gemeinsam mit dem Jungtier das Feld», erzählt Koch, der auch als Jagdaufseher amtet. Doch ganz so sicher ist diese Methode nicht.
Eine Ohrmarke zur Identifikation
Der Einsatz der Drohne hat sich als effektiv herausgestellt und wird vom gemeinnützigen Verein Rehkitzrettung Schweiz gefördert. Unter anderem bildet der Verein Rettungsteams aus. Der Umgang mit der Drohne und das Lesen der Wärmebilder will geübt sein. Das Duo der Jagdgesellschaft gehört zu schweizweit 39 Teams, die im Einsatz stehen. Gemeinsam haben sie 751 Rehkitze vor dem Mähtod bewahrt.
So auch am Dienstagmorgen. Der junge Bock wird mit einer Ohrmarke versehen. So kann das Tier später identifiziert werden. Es kommt in eine Holzkiste, die am Wiesenrand deponiert wird. «Die Mutter säugt ihr Junges alle drei Stunden. Sie kehrt zur Wiese zurück. Und dort entlässt der Landwirt nach dem Mähen das Tier wieder in die Freiheit», so Koch. Für heute ist die Arbeit der Jäger erledigt, Geiss und Rehkitz sind wohlauf. Das Retter-Duo hat sich den «Kafi» mehr als verdient.
Nathalie Wolgensinger