Ein böser Eiterzahn: Notfall in Corona-Zeiten

Di, 26. Mai. 2020

Auch Zahnärzte mussten ihre Tätigkeit während des Lockdowns weitgehend einstellen. Für Notfälle aber mussten sie bereit sein. So wie Dr. Christa Cattin, Zahnärztin in Oberrohrdorf, die wegen eines Eiterzahns noch spätabends eine Spätschicht einlegte. «Reussbote»-Reporter Beat Gomes erzählt, wie es ihm dabei ergangen ist.

Indianer und Appenzeller kennen bekanntlich keinen Schmerz. Aber nur bis die Geschwulst im Oberkiefer aufplatzt und der Eiter für eine dicke Backe und ein geschwollenes Auge sorgt. Das war der Moment, die Nummer der Zahnarztpraxis von Dr. med. dent. Christa Cattin und Dr. med. dent. Zuzana Kadlcik in Oberrohrdorf zu wählen. Christa Cattin, die das Staatsexamen an der Universität Zürich vor 25 Jahren mit einem Notenschnitt von 5.5 als zweitbeste ihres Jahrgangs abgeschlossen hatte, stand zu dieser Zeit bereits seit acht Stunden am Stuhl. Sie liess sich unterbrechen und hörte sich die Schilderungen von der dicken Backe und dem lahmenden Auge an. Unglaublich, sie erinnerte sich nach Monaten an den Zahn, rechts neben den Schneidezähnen, dem sie schon damals keine gute Prognose stellte. Aber wer gibt schon freiwilig einen scheinbar gesunden Zahn auf? Es sei denn, er benimmt sich, wie dieser äusserlich noch gut anzusehende Eckzahn, der über die Zeit zunehmend wackeliger wurde und erst sanft, dann immer heftigere Schmerzen aussandte. Aber wie gesagt: Indianer und Appenzeller (der ich von Geburt an bin) kennen keinen Schmerz, bis …
«Hmm, schnaufte Cattin durch die Gesichtsmaske am Telefon. «Ich bin komplett ausgebucht.» Nach einer kurzen Pause fragte sie nach, wollte genau wissen, wie es um die dicke Backe bestellt ist. Schliesslich sagte sie: «Ich muss abklären, ob meine Assistentin nach Feierabend noch länger bleiben kann.» Denn alleine sei so etwas nicht zu machen. Was in mir die Frage aufwarf, wie schlimm es wohl werden würde? Um die Frage vorweg zu beantworten: Es wurde schlimmer. Aber nicht wegen der Zahnärztin und ihrer Assistentin. Nein, weil auch Indianer und Appenzeller nicht so lange warten sollten, bis der Eiter in Richtung «Dachstübli» fliesst. Da halfen auch die bestgemeinten Spritzen nichts mehr gegen den Schmerz. Entzündungen lassen sich nämlich auch mit Schmerzmitteln nicht wegmachen. So mussten die beiden Überstunden schiebenden Frauen ihre ganze berufliche Abgeklärtheit in die Waagschale werfen, um den Appenzeller, der längst kein Indianer mehr sein wollte, auf dem Stuhl zu halten. Begriffe wie «höllisch» oder «furchtbar» greifen in diesem Zusammenhang nicht mehr, um zu beschreiben, was sich in meinem Kopf abspielte. Das Entfernen des Eckzahns und dem danebenliegenden Implantat, war schnell erledigt. Für die nachfolgende Wurzel- und Wundbehandlung brauchte es aber die ganze Unerschrockenheit und Übersicht, die sich Christa Cattin im Laufe ihrer beeindruckenden Berufslaufbahn erworben hat. So muss es auf dem elektrischen Stuhl sein, ging es mir durch den Kopf, als der entzündete Nerv direkt durchs Hirn in die Decke der Zahnarztpraxis zu schiessen schien und ich mit meinen 95 Kilo waagrecht über der Liege im Raum schwebte. Derweil Christa Cattin ruhig Blut bewahrte und Assistentin Zehra Mavrik mir beruhigend zusprach.

Tagelang Termine absagen
Mittlerweile ist diese Episode bereits Geschichte. Längst hat Christa Cattin mir neue Zähne verpasst und die Erinnerungen sind verblasst. So hatte ich Gelegenheit bei der Nachkontrolle in Erfahrung zu bringen, wie die Oberrohrdorfer Zahnärztin die Zeit des Lockdowns erlebt hatte. Christa Cattin mag das Wort «Corona» schon gar nicht mehr hören. Das Virus hat auch ihr Leben durcheinander gebracht. «Das schlimmste war, dass wir tagelang Termine absagen mussten. Das war furchtbar. Und genau so anstrengend sei es gewesen, nach der Wiederöffnung den Betrieb wieder hochzufahren. «Es hat gedauert, bis wir die abgesagten Termine wieder auf der Reihe hatten. Man kann sich kaum vorstellen, wieviel Zeit das in Anspruch nimmt. Denn man kann nicht einfach den Kalender nehmen und die früheren Termin kopieren.» Dazu kam die ganze Administration mit der Kurzarbeit. Denn die Praxis Cattin/Kadlcik beschäftigt insgesamt neun Frauen, allesamt ausgewiesene Spezialistinnen in ihrem Fach. Als Zahnärzte, Dentalassistentinnen und Dentalhygienikerinnen sind sie das Einhalten von Hygienestandards gewohnt. Deshalb funktioniert der Betrieb auch in schwierigen Zeiten ausgezeichnet.
Etwas Gutes konnte Christa Cattin dem Lockdown doch noch abgewinnen. Sie habe plötzlich Zeit gefunden, um Dinge zu archivieren, die sie schon lange ablegen wollte.

Beat Gomes

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