Der Bund sagt eine Rezession voraus, zahlreiche Arbeitgeber haben Kurzarbeit eingeführt und die Konsumenten geben sich verhalten. Das alles sind keine guten Voraussetzungen für Jugendliche, um eine Lehrstelle zu finden. Trotzdem: Die Aussichten sind nicht so schwarz, wie man annehmen könnte.
Man müsse mit einer tiefen Rezession rechnen, gaben am vergangenen Freitag die Forscher der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich bekannt. Auch Optimisten, die noch davon ausgingen, dass man mit einem blauen Auge davonkommt, mussten ihre Meinung ändern. Die Forscher rechnen mit einem Absturz des Bruttoinlandproduktes um beinahe zehn Prozent. Die Arbeitslosenquote dürfte bis Ende Jahr auf gegen 4,7 Prozent steigen, im letzten Jahr lag sie durchschnittlich bei 2,3 Prozent. Das sind wahrlich trübe Aussichten.
Doch wie geht es Jugendlichen, die den Schritt ins Arbeitsleben machen? Finden sie jetzt noch eine Lehrstelle oder müssen sie sich um Alternativen kümmern?
«Eine gute Quote»
Roman Rohner muss es wissen. Er unterrichtet eine zweite Realschulklasse an der Kreisschule Rohrdorferberg. «Die 3.-Oberstüfler hatten schon vor Corona ihre Lehrstellen und meine Schüler beginnen erst nach den Sommerferien mit der Suche», erzählt er. Er habe einzelne Schüler in seiner Klasse, die wegen Corona ihre Schnupperlehre nicht antreten konnten, fügt er an.
Wie schätzt die Berufsberatung die Situation ein? Daniel Ernst, Berufs- und Laufbahnberater beim Badener «ask!» kann Entwarnung geben: «Wir zählten im April 700 offene Stellen, das ist eine gute Quote.» Die meisten Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen hätten bereits vor Ausbruch der Corona-Krise eine Lehrstelle auf sicher gehabt. «In der Regel werden die Lehrstellen zwischen Sommer- und Herbstferien vergeben», erzählt er. Die Ausbildungsplätze, die jetzt noch zu besetzen sind, seien Lehrberufe, die nicht sonderlich begehrt seien. Das sind handwerkliche Berufe wie etwa Maurer, Metzger oder Dachdecker. Und wer «schnuppern» möchte, der wird meist vertröstet: «Viele Betriebe haben die Schnupperlehren eingestellt», sagt er. Dies bestätigt Manuela Wirth von der gleichnamigen Bäckerei in Niederwil. «Wir möchten lieber keine fremden Leute im Betrieb, das ist uns jetzt zu unsicher», erzählt sie.
Schülern, die ohne Lehrstelle bleiben, steht das zehnte Schuljahr offen. «Rund zehn Prozent der Schulabgänger entscheiden sich für diesen Weg», so Ernst.
«Müssen lernen mit dem Virus umzugehen»
Eine Umfrage bei den Lehrbetrieben in der Region gab ein einheitliches Bild: Sämtliche Lehrstellen sind besetzt und viele Gewerbetreibenden sind trotz Krise zuversichtlich, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. So hat beispielsweise Coiffeur Albin Notter aus Oberrohrdorf beide Lehrstellen besetzt. Auch die Erne Bauunternehmung AG in Birrhard kann nicht klagen, «alle Lehrstellen sind vergeben», sagt die Ausbildungsverantwortliche Maren Eichert. Die Chämi-Metzg in Fislisbach und die Bäckerei Wirth haben ihre Lehrlinge ebenfalls unter Vertrag genommen. Und auch die Wetter Gruppe in Stetten, die seit Jahren auf die Ausbildung des Berufsnachwuchses setzt, kann vermelden: Alle Lehrstellen sind besetzt.
Nathalie Wolgensinger