Trotz Einschränkungen: Die Kreativität bleibt

Di, 26. Mai. 2020

Während Restaurants und Einkaufsläden am Montag wieder öffneten, müssen Kunst- und Kulturschaffende weiterhin abwarten. Sie wissen nicht wann und unter welchen Umständen sie wieder arbeiten dürfen. Die Situation meistern Regisseur, Comedian und Theaterschaffende aus dem Reusstal mit viel Optimismus und Kreativität.

In der Stille hat das Denken einen anderen Klang», dieser Satz schwirrt Werner Bodinek dieser Tage immer wieder durch den Kopf. Er stammt aus einem Stück des englischen Schriftstellers John Berger. Theatermacher Bodinek lebt in Oberrohrdorf und wurde – wie viele andere auch – von Corona ausgebremst und zum Nichtstun verdammt. «Seit Mitte März sind alle Veranstaltungen abgesagt», erzählt der 72-Jährige. Er befand sich damals mitten in der Tournee mit dem Stück «Der Bummler». Ausserdem hätte am 5. Mai die Premiere des Stück «Ich bin sehr jung auf eine sehr alte Welt gekommen» in der Badener Stanzerei stattfinden sollen. Alles abgesagt. «Der Kopf denkt weiter, die Gedanken stehen nicht still», beschreibt er seine Lage. Fasziniert beobachte er, wie sich die Menschen in seinem Umfeld mit der aussergewöhnlichen Situation arrangieren. «Wie man das als Metapher auf die Bühne bringen kann, dieser Gedanke beschäftigt mich derzeit», gibt er Einblick in seinen Alltag.

Positiv durch das Leben gehen
Wie Werner Bodinek ergeht es vielen Kulturschaffenden. So beispielsweise Nadia Zanchi aus Mellingen. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung des «Kiff» in Aarau. «Wir arbeiten an Projekten, für die uns bisher die Zeit fehlte», erzählt sie. Der Kulturbetrieb in der Aarauer Telli verfügt über zwei Lokale, die 600 und 250 Gästen Platz bieten. «Wann und zu welchen Bedingungen wir wieder loslegen können, das wissen wir nicht», beschreibt sie die Situation. Sie hofft, dass für sie und die 15 Mitarbeitenden bald Klarheit herrscht. Gutes kann aber auch sie der Situation abgewinnen: «Für unseren Digitalisierungsprozess hat es sich gelohnt», stellt sie lachend fest. Ebenfalls zum Nichtstun ist der Comedian Peter Löhmann aus Oberrohrdorf gezwungen. «Mir sind in den vergangenen zwei Monaten 40 Auftritte durch die Lappen gegangen», erzählt er. Unter anderem musste er das Comedy Festival Schweiz absagen. Er zeichnete gemeinsam mit seinem Team verantwortlich für die Veranstaltung, die in sieben Schweizer Städten Station gemacht hätte. «Ich habe in den vergangenen Wochen 50 000 Franken verloren und null Einkommen erzielt», zieht er Bilanz. Die Stimmung lässt er sich darob nicht verderben. «Ich gehe positiv durchs Leben», sagt er.
Seine Finanzen besorgt ein Treuhandbüro. Dieses kümmere sich auch um die Entschädigung, die er allenfalls vom Bund oder dem Kanton erhalten werde. Er nutze seine freie Zeit, um am neuen Programm weiter zu arbeiten. Ausserdem kauft er für Menschen, die der Risikogruppe angehören, ein. Alle zwei, drei Wochen übernimmt er zudem den Transport der Mahlzeiten, die das Alterszentrum am Buechberg an Betagte in Fislisbach ausliefert. Dieser Dienst wurde bisher von älteren Menschen übernommen, die der Risikogruppe angehören. «Ich finde es wichtig, dass man auch in schwierigen Zeiten optimistisch durchs Leben geht», so seine Philosophie.

«Das Leben bringt Risiken mit sich»
«Ich habe mein Büro von Zürich nach Mellingen gezügelt und arbeite nun von zu Hause aus», erzählt Filmmusikkomponist und Regisseur Martin Skalsky. Er befindet sich derzeit mitten im Abschluss zweier Projektarbeiten. «Was nachher kommt, das weiss ich noch nicht», fügt er an. Sein zweites berufliches Standbein, die Arbeit als Regisseur, liegt brach. Vergangenes Jahr reüssierte er mit einem Dokumentarfilm über seinen Hund «Cody». «Ich hatte Glück, ich konnte meinen Film noch zeigen», sagt er. Die nächsten Wochen werde er an einem Filmprojekt weiterarbeiten, das im Herbst dieses Jahres starte. «Das Leben bringt Risiken mit sich», kommentiert er die Situation mit Galgenhumor.
Enttäuscht ist er hingegen vom Bund. Im Vergleich zu Nachbarländern sei es für Kunstschaffende in der Schweiz kompliziert an Geld zu kommen und dieses werde sehr restriktiv verteilt, weiss er. Ähnliche Erfahrungen machte auch Werner Bodinek. Sein Einkommen als Rentner ist zu gering, als dass er Anspruch auf Beiträge erheben könnte. «Ich habe von Schauspielern gehört, die zwar eine Ausfallentschädigung erhielten. Diese war aber so gering, dass es einem Witz gleichkommt», kommentiert er.
In einer ähnlich schwierigen Situation befinden sich auch die Kulturveranstalter. Stellvertretend dafür Maja Pfister von der «Alten Kirche Wohlenschwil»: «Kultur wäre gerade jetzt so nötig.» In Wohlenschwil findet bis nach den Sommerferien keine Veranstaltung statt. Hart getroffen hat es die Veranstaltungstechniker der Megatron in Mellingen. «Vielleicht können wir ab September wieder mit Arbeit beginnen», blickt Geschäftsführer Matthias Hösli in die Zukunft. Seine Firma stattet Grossveranstaltungen mit entsprechender Technik aus. Das Versammlungsverbot bedeutet für ihn und seine Firma eine Zwangspause von mindestens einem halben Jahr. Als eher atypisches Beispiel bezeichnet sich hingegen Urs Weber vom Kulturlokal «Tradinoi» in Mellingen. Er freut sich, dass er nun dank den ausgefallenen Veranstaltungen mehr Zeit für seine Hobbys hat.

Nathalie Wolgensinger

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