Vorfreude auf Lockerungen nach dem Lockdown

Fr, 08. Mai. 2020

Der Bund lockert seine Massnahmen. Es scheint uns an der Zeit: Mehr Spielraum, mehr Geselligkeit. Endlich! Nur verspielen sollten wir es uns mit der neuen Freiheit nicht.

Es waren lange Wochen seit dem 16. März und sie wurden gegen Schluss immer länger. Ab dem 11. Mai aber geht es Schritt für Schritt zurück in einen Alltag, der wieder näher ist beim gewohnten – bei dem vor Corona. Auch wenn wir achtsam bleiben müssen, Hygienemassnahmen weiterhin einhalten, Abstandsregeln beibehalten. Allzu gross wird der Radius noch nicht. Dennoch weitet sich die Perspektive. Es ist ein Lichtblick. Und wir freuen uns. Aber worauf am meisten? Freuen sich Kinder, weil sie wieder in die Schule und ihre «Gspänli» treffen dürfen? Eltern, weil es vorbei ist mit Homeschooling? Freuen wir uns auf den Besuch im Restaurant? Das Glas Wein oder ein frisch gezapftes Bier in einer Bar? Darauf, dass wir wieder trainieren können, Tennis, Leichtathletik, vielleicht sogar Fussball? Oder hoffen wir, dass es doch noch reicht, die «Edward Hopper»-Ausstellung im Beyeler-Museum zu sehen? Beim «Reussbote» werfen die Redaktorinnen und Redaktoren einen Blick zurück. Vor allem aber schauen sie vorwärts, durchaus optimistisch.

Heidi Hess


Fussball, ein Bier und eine Bratwurst

Besondere Zeiten, besondere Massnahmen. Der Lockdown veränderte von einem auf den anderen Tag unser Leben. Unsere Journalisten arbeiten im Homeoffice, der Verkauf ebenso. Die Stellung im obersten Stock des Druckereigebäudes halte ich. Anfänglich fand ich mich noch recht gut zurecht. Mit der Zeit aber fehlen die sozialen Kontakte – trotz Facetime, Skype oder anderen nützlichen Einrichtungen.
Auch der Sport kam mit dem Lockdown gänzlich zum Erliegen. Zu Beginn mit einem Lächeln angenommen, fehlt mir der Fussball aber je länger je mehr. Zwar hat das Schweizer Fernsehen grosse Spiele im Rückblick gezeigt. Etwa das 3:3 «meines» FC Basel in der Champions League gegen Liverpool (2002). «Reingezogen» habe ich mir nur die erste Halbzeit mit der 3:0-Führung des FCB. Auf die zweite Halbzeit mit den drei Liverpool-Toren habe ich verzichtet. Diese glorreichen Zeiten bei den Rotblauen sind seit der Ära Burgener vorbei. Der Profisport ist das eine, der Fussball bei uns in der Region das andere. Die Rückrunde ist abgesagt, keine Spiele seit anfangs Jahr. Kein Meister. Kein Aufsteiger. Kein Absteiger. Natürlich freue ich mich, wenn der Ball in den unteren Ligen wieder rollt, genauso wie auf ein Bier und eine Bratwurst.

Benedikt Nüssli


Bewegung!

«Sssss» und «Peng» und dann «Puaah!», das waren die Geräusche, die mich an meinen freien Tagen glücklich machten. Bloss wusste ich das vor Corona nicht. «Sssss», so hörte es sich an, wenn ich auf dem Ergometer meine Kilometer abspulte. Das «Peng» gefolgt vom «Puaah» nahm ich oft gar nicht wahr. Es kam aus der hinteren Ecke des Fitnesscenters und ertönte immer dann, wenn sich die muskelbepackten Männer zuviel Gewicht aufgelegt hatten. Mit zum Alltag gehörte auch mein Lauftrainer Peter und seine Intervall-Läufe. Dass ich sie vermissen würde, das hätte ich vor Corona wohl nie für möglich gehalten. Was freue ich mich jetzt darauf! Und auch auf das «Peng» und sogar auf «Puaah!»

Nathalie Wolgensinger


Corona

Am Anfang warst du für mich nicht mehr als ein Begriff. Wie die Grippe – du warst einfach da. Corona. Rückblickend bist du für mich vergleichbar mit einem Schnellzug: Er nimmt langsam Fahrt auf und donnert dann in Höchstgeschwindigkeit vorbei. Beziehungen, Beruf und Alltag hast du überrollt. Wer hätte gedacht, dass so etwas möglich ist? Aus unternehmerischer Sicht hast du mich zu neuen Wegen und verantwortungsvollen Entscheidungen bewegt. Auf persönlicher Ebene hast du mein Vertrauen in die Menschlichkeit gestärkt. Ich wünsche mir, dass unsere Gesellschaft nach der Krise ihren Optimismus nicht verliert – und wir uns um jene sorgen, die besonders gelitten haben. Während der Schnellzug langsam am Horizont verschwindet, Staub aufwirbelt und Spuren hinterlässt, freue ich mich auf reale, echte Begegnungen. Sie werden für mich, trotz Virtual Lunches und ausgelassenen Telefongesprächen, stets unersetzlich sein.

Saskia Iten


Warten auf die Schwimmbäder

Ich jogge nie. Eigentlich. In den vergangenen Wochen aber lief ich öfters mal kurz den Fluss entlang oder durch den Wald. Die Einzige war ich nicht. Mit mir joggten viele, nutzten diese letzte, kleine Freiheit. Alles blühte, das Laufen machte Spass, mehr jedenfalls als ich gedacht hätte. Ich wähnte mich bald fit genug für einen grösseren Lauf. Bis ich mir vor Ostern dann den Fuss vertrat, der Knöchel anschwoll. Aus. Vorbei. Seit einigen Tagen wäre nun alles wieder gut. Ob ich die Laufschuhe nochmals anziehe? Vielleicht warte ich gleich bis mit der nächsten Etappe (8. Juni) auch die Schwimmbäder aufgehen? Dann kann ich im Wasser meine Bahnen ziehen. Darauf freue ich mich schon jetzt. Und ja, die «Hopper»-Ausstellung in Riehen, die habe ich auch auf dem Radar. Sie wurde bis 26. Juli verlängert, mit Einlass bei begrenzter Besucherzahl. Wenn ich es denn schaffe, werde ich dort wohl kaum alleine sein.

Heidi Hess


Den 30. Hochzeitstag bald nachfeiern?

Alles war bereits geplant. Den 30. Hochzeitstag wollten mein Mann und ich zusammen in Venedig feiern. Der Lockdown machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Statt einer romantischen Gondelfahrt zwischen den Palazzi und anschliessendem Galadinner im Wellnesshotel, war Tischgrill zu Hause angesagt. Das Kleid, das ich für den speziellen Anlass gekauft hatte, blieb im Schrank hängen.
Nun folgt am 11. Mai die zweite Lockerung des Bundes. Restaurants öffnen wieder. Nebst dem Hochzeitstag könnte zusätzlich mit den beiden Söhnen und Schwiegertöchtern das Wiedersehen nach fast eineinhalb Monaten Social Distancing gefeiert werden. Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie wird in den Restaurants aber noch lange keine Normalität einkehren. Da kommen Zweifel auf, ob das der richtige Rahmen ist oder ob doch lieber noch ein wenig abgewartet werden soll.

Debora Gattlen


Alleine, aber nicht einsam

Nach der Gemeinderatssitzung war für mich Schluss. Ab 17. März sass ich zu Hause. Alleine. Ich gehöre zur Risikogruppe. Homeoffice bin ich gewohnt. Also galt es Struktur zu bewahren. Um 7 Uhr aufstehen. Kaffee machen. Frühstück. Um 8 Uhr ins Büro. Mails checken. Regelmässig kochen und gesund essen. Alles, wie immer. Jeannette, die oben an mir wohnende Nachbarin, legte einen Zettel vor die Tür. Ich könne jederzeit anrufen, wenn ich etwas brauche. Ich schrieb einen Einkaufszettel. Sie ging für mich einkaufen. Wunderbar. Mein kleiner Balkon mitten in der Altstadt wurde zum Refugium und zum Tor meiner klein gewordenen Welt. Erstaunlich wieviele Jugendliche nachts um die Häuser zogen. Social Distancing? Ist ja auch ein Fremdwort. Zum Glück schien die Sonne oft. Die Gesichtsbräune macht den Anschein, als ob ich in den Ferien gewesen wäre. War ich ja auch, irgendwie. Auf Balkonia. Alleine. Aber nicht einsam.

Beat Gomes

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