«Die Krise war ein guter ‹Lehrblätz›»

Fr, 12. Jun. 2020

Marco Widmer, Leiter der Region Baden der Hypothekarbank Lenzburg, gibt Einblick in seinen Arbeitsalltag während den vergangenen Wochen. Dieser war geprägt von Homeoffice, Online-Konferenzen und Covid-19-Krediten.

Wie haben Sie die ersten Tage des Lockdowns in Erinnerung?
Ich war am Tag des Lockdowns mit Kunden zum Mittagessen verabredet. Ich wusste zwar um die Krankheit, nahm es aber nicht als ein Problem wahr, das uns hier betreffen könnte. Einige Wochen vorher war ich noch mit meiner Familie in den Skiferien. Ab diesem Moment aber war das Thema präsent bei uns. Beschäftigt hat uns auch, ob und wie das Hypi’s Schlager Fäscht, am letzten Märzwochenende, stattfinden kann. Als die Teilnehmerzahlen für Grossanlässe immer weiter gesenkt wurden, da wurde mir das Ausmass erst richtig bewusst. Eine Woche später war ich bereits im Homeoffice.

Was bedeutete dies für die Filiale in Mellingen?
Homeoffice wurde bei uns bisher stiefmütterlich behandelt. Man ist bezüglich der Datensicherheit sehr vorsichtig. Deshalb verfügten nicht alle Mitarbeitenden über eigene Laptops und die Zugriffe mussten erst aufgeschaltet werden. Für unsere Filiale haben wir beschlossen, dass die Schalterchefin, der Chef der Privatkundenbetreuung und ich von zu Hause aus arbeiten. So war die Stellvertretung gewährleistet, sollte jemand krank werden. Rückblickend gesehen, war es spannend und für viele wohl auch ein guter «Lehrblätz».

Wie gelang Ihnen die Umstellung vom Büro aufs Homeoffice?
Anfänglich war ich leicht überfodert. In den vergangenen dreissig Jahren habe ich keinen Tag im Homeoffice gearbeitet. Doch erstaunlicherweise lief es sehr gut und wir merkten, dass Sitzungen durchaus auch online möglich sind. Ich kann mir vorstellen, dass wir künftig auch digitale Beratung anbieten werden. Ausserdem haben wir festgestellt, dass die Nachfrage nach E-Banking und Debitkarten massiv anstieg.

Wie erlebten die Mitarbeitenden in Mellingen den Lockdown?
Wir verfügen glücklicherweise über eine grosse Schalterhalle und können somit die Abstände gewährleisten und das Schutzkonzept relativ einfach umsetzen. Anfänglich aber spürten wir eine gewisse Zurückhaltung bei unseren Kunden.

Ihre Bank ist in Mellingen gut verankert. Sie haben bestimmt auch viele ältere Kunden?
Ja, wir sind noch traditionell unterwegs mit drei Kundenschaltern. Unsere Mitarbeitenden sind empathisch und stehen den Kunden mit Rat und Tat zur Seite. Das wurde gerade auch während des Lockdowns sehr geschätzt. Wir haben in den letzten beiden Wochen bemerkt, dass die Kunden jetzt wieder eher kommen und einen «Schwatz» sehr schätzen. Das Bedürfnis nach Kommunikation war durchwegs sehr gross, das haben wir alle im Team festgestellt.

Gab es Geschäfte, beispielsweise Hypotheken, die nicht zustande kamen wegen Corona?
Nein, bei uns musste niemand abspringen. Ich weiss aber, dass es Kaufinteressenten gab, denen die Lage zu unsicher wurde und die absprangen.

Aber bemerkt haben Sie schon, dass die Menschen allgemein verunsichert waren und das Geld nicht mehr so locker sass?
Ja, der physische Kontakt ist gerade auch im Bereich Wohnbau sehr wichtig. Was auffiel, war der gute Umsatz im Bereich der Börsengeschäfte. Da ging es anfänglich noch hoch zu und her, liess dann aber bald nach. Nun sind wir aber gespannt, wie es weiter geht im Bereich des Wohnbaus.

Wie schätzen Sie die Lage ein?
Einfamilienhäuser werden weiterhin beliebt und gefragt sein. Während des Lockdowns haben viele ihr Eigenheim mit Garten sehr zu schätzen gelernt. Freistehende Einfamilienhäuser werden weiterhin begehrt sein. Ich kann mir vorstellen, dass die Leerwohnungsbestände im Bereich der Wohnungen ansteigen. Die Hypozinsen aber bleiben auf dem jetzigen Niveau.

Wurden Sie überrannt von Gewerbetreibenden, die einen Covid-19-Kredit in Anspruch nahmen?
Wir hatten gesamthaft 275 Kreditnehmende, die eine Summe von 35 Mio. Fr. ausbezahlt erhielten. Wir im Reusstal merken, dass einige Unternehmer noch abwarten, ob sie wirklich einen Kredit benötigen. Wir rechnen damit, dass einige den Kredit noch in Anspruch nehmen werden.

Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Lage im Reusstal ein?
Die Branchen im Reusstal sind homogen verteilt, es trifft also auch alle in der Region. Das Reusstal befindet sich damit im Durchschnitt. Es gibt Branchen, wie beispielsweise Gastronomiebetriebe, die es heftiger treffen wird.

Rechnen Sie mit einer Rezession?
Ja, da muss man kein Prophet sein, um das vorauszusehen. Es wird ganz sicher zu einer Rezession kommen.

Was bedeutet das für die «Hypi»?
Wir sind bisher glücklich davon gekommen. Das habe ich im Gespräch mit Bekannten begriffen. Ich habe Kollegen, die von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen sind, das stimmte mich nachdenklich. Umso mehr schätze ich mich glücklich, dass ich voll arbeiten durfte und auch 100 Prozent Lohn erhalten habe. Das ist ein Privileg. Ich versuche deshalb auch, doppelt so viel Gas zu geben. Aber auch wir werden die Auswirkungen zu spüren bekommen. Denn wenn es den Kunden schlecht geht, dann spüren wir das in den Beratungsgesprächen.

Wie schätzen Sie den Hypo-Zins ein? Wird er steigen?
Die bleiben kurz- bis mittelfristig tief. Die Verschuldung ist weltweit so hoch, dass es keine höheren Zinsen geben wird.

Was empfehlen Sie den Anlegern auf dem Aktienmarkt?
Unsere Kunden, die in Vermögensmandate investierten, haben wir während dieser Zeit alle kontaktiert. Praktisch zu 100 Prozent blieben alle bei der Investiton, auch wenn es nicht mehr so rosig aussah. Wer dabei blieb, der hat den Rückgang schon fast wieder aufgeholt. Kleinen und mittleren Anlegern, die jetzt investieren möchten, denen rate ich zu monatlichen Einzahlungen in einen Aktiensparplan oder einen gestaffelten Einstieg in breit diversifizierte Aktienzertifikate.

Was gibt es aus Ihrer Sicht positives aus diesen Wochen zu berichten?
Ich fand es positiv, wie die ganze Schweiz von einer Welle der Solidarität überrollt wurde. Ich habe vermehrt im Dorf eingekauft und versuche so weit als möglich, die regionalen Gewerbetreibenden zu berücksichtigen. Das möchte ich künftig beibehalten. Eindrücklich war, zu spüren, dass wir weltweit alle im selben Boot sitzen. Es ging allen gleich. Das hat mich ein Stück weit auch demütig gemacht.

Nathalie Wolgensinger


Persönlich

Der 45-jährige Marco Widmer zeichnet seit vier Jahren als Leiter Region Baden/Rohrdorferberg für die Geschäftsstelle der Hypi Lenzburg in Mellingen verantwortlich. «Ich bin seit dreissig Jahren im Bankengeschäft tätig», beschreibt er seine berufliche Laufbahn, die bei der AKB begann. Der Vater von Drillingen war ein ambitionierter Fussballer, der als Halbprofi spielte. Heute nimmt er es gerne gemütlich, isst gerne gut oder verreist mit der Familie. (nw) 

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