«Unser Klumpenrisiko ist klein»

Fr, 19. Jun. 2020

Die Birchmeier AG in den 1990er-Jahren, später die Reap AG und in absehbarer Zeit die Taracell AG: Aus Künten ziehen die grösseren Firmen weg. «Amme» Werner Fischer hat Verständnis dafür und sieht Chancen.

Ein Sprung über die Reuss: In Niederwil lehnten die Stimmbürger im letzten November eine Umzonung einer Fläche ab, auf der die Taracell AG aus Künten ihre Büro- und Produktionsgebäude bauen wollte. Es ist nicht die erste grössere Firma, die aus Künten wegziehen will. Bereits vor ihr taten es die Birchmeier AG und die Reap AG. «Von den Plänen der Taracell AG wissen wir bereits sehr lange», erklärt der Künter Gemeindeammann Werner Fischer. «Vor etwa zehn Jahren haben wir intensiv versucht zu helfen.»

Schwieriger Standort
Die Geschichte der Firma reicht bis 1898 zurück. Seither wurde der jetzige Standort in Künten immer wieder umgebaut und erweitert. Entsprechend verschachtelt sind die Gebäude. Heute befinden sich das Lager und die Produktion durch eine Strasse getrennt mitten in einem Wohnquartier. «Selbst bei einem kompletten Abriss und Neubau der Gebäude könnten die Abläufe in Künten nicht optimal gestaltet werden», weiss der Gemeindeammann und betont, dass die Eigentümer der Taracell AG sehr gerne in Künten bleiben würden. «Dafür würde sie aber eine waagrechte Fläche ausserhalb der Wohnzone benötigen, auf der sie ein einziges Gebäude bauen könnte. Und diese können wir aufgrund der Topografie des Dorfes nicht bieten.»

Nicht nur Nachteile
Nördlich des Kreisels gebe es so eine Fläche. Diese befindet sich aber in der Landwirtschaftszone. Auch Sulz käme theoretisch infrage. «Aber auch dort ist es nicht möglich. Einerseits wäre die Erschliessung einer solchen Firma nicht optimal, sie würde überhaupt nicht ins Landschaftsbild und in die Naherholungszone passen», so Fischer. Dazu komme das Reussuferschutzdekret. «Rein topografisch fehlen uns also die Flächen für ein Unternehmen mit zwischen 50 und 100 Mitarbeitern. Dagegen macht der Gewerbepark in den ehemaligen Gebäuden der Birchmeier AG Sinn. Dort wirken zahlreiche kleine Unternehmungen.» Werner Fischer sieht in dieser Situation nicht nur Nachteile: «Durch die vielen unterschiedlichen Betriebe verfügen wir über ein nur kleines Klumpenrisiko, was die Einnahmen durch Unternehmenssteuern betrifft. Wir sind damit unabhängiger vom Geschäftsgang einer grossen Firma.»
Die Taracell AG befindet sich in einer Wohn- und Gewerbezone. Sollte die Firma einmal ausziehen, werde der Fokus auf dieser Fläche wohl eher auf das Wohnen mit wenig Kleingewerbe gelegt, vermutet er.

Jede Wohnung ein Arbeitsort
Die gesamten Steuereinnahmen aller Firmen machen zwischen fünf und zehn Prozent aus. «Ein Wegzug der Taracell AG wäre bedauerlich, aber steuerlich verkraftbar. Bei einer Umnutzung könnte der Steuerausfall durch natürliche Personen gut kompensiert werden», erklärt Fischer.
Er betont die Wichtigkeit des Gewerbes in Künten. Gleichzeitig weiss er, dass die Stärke des Dorfes woanders liegt. «Wir verfügen über eine sehr gute Wohnqualität, die sich der Mittelstand noch leisten kann. Wir sind schnell an der Reuss und auf dem Heitersberg. Es fühlt sich teilweise wie in den Ferien an.» Jetzt im Lockdown habe sich diese Eigenschaft manifestiert. Er hätte gerne mehr Arbeitsplätze im Dorf. «Aber wer weiss, mit vermehrtem Homeoffice wird jetzt jede Wohnung zum potenziellen Arbeitsort», schaut er voraus. «Diese Entwicklung wird spannend. Zumal das auch zu einer Entlastung des Verkehrs führen könnte.»

Örtliches Gewerbe berücksichtigen
Der Ammann sieht es nicht als Aufgabe der Gemeinde, Gewerbegebäude zu erstellen und zu vermieten. «Unsere Rolle liegt im planerischen Bereich. Bei der Nutzungsplanungsrevision haben wir das Gewerbe nach seinen Bedürfnissen gefragt. Aus den Wünschen wurde nichts Konkretes. Es standen aber damals für mittelgrosse Firmen keine grösseren, ebenen und erschlossenen Flächen zur Disposition.»
Er sei um jedes Unternehmen froh, das sich ansiedelt. «Wir machen uns keine Illusionen. Eine Situation wie in Rotkreuz, wo in den letzten Jahren Firmen wie Roche AG und Porsche gebaut haben, wird es bei uns nicht geben.» Lokale, örtliche Kleingewerbe hätten die besten Chancen, wenn ihre Angebote von den Anwohnern genutzt und berücksichtigt werden. (wa)

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