Die Königin der Blumen ist seine Lieblingsblume

Fr, 26. Jun. 2020

Er war Gärtner aus Leidenschaft. Und das seit der Lehre bis weit über seine Pension hinaus. In seiner Freizeit fertigte Hermann Rohs Bouquets für Hochzeiten an und gestaltete Gärten. Er war zudem auch ein begeisterter Fasnächtler. Als Mitglied der Karnemellipserzunft in Mellingen sorgte er während der Fasnacht für Stimmung.

Ich war ein richtiger Fasnachtsnarr», sagt Hermann Rohs (90). Die Zeit in der legendären Karnemellipserzunft genoss er in vollen Zügen. Bereits im Herbst liefen die Vorbereitungen. Bei Sepp Disler an der Bruggerstrasse wurden die fantasievollen Fasnachtswagen gebaut. Als gelernter Gärtner erinnert er sich gerne an den mit Tulpen geschmückten Wagen. Ein Blumenmeer, das beim Publikum sehr gut ankam. Es gab aber auch Fasnachtsthemen mit Brisanz. So war der ehemalige Wirt vom «Scharf Eck», Willi Bucher, nur mit Nachthemd bekleidet auf dem Wagen zu sehen. Er fand jeweils als Letzter den Weg nach Hause. Den Auftritt seines Doppelgängers im Nachthemd trug er mit Humor. Schlecht kam eine weitere fasnächtliche Parodie beim damaligen Gemeindeangestellten Jakob Bücheler an. Sein Vogelabwehrsystem wurde auf die Schippe genommen. Kam ein Vogel, zog Bücheler an der Schur, die mit dem im Baum aufgehängten Glöcklein verbunden war. «Nach der Fasnacht grüsste mich Bücheler einige Jahre nicht mehr», sagt Rohs.

Masken immer anders angefertigt
Nebst dem Fasnachtswagenbau war Rohs auch bei der Fertigung der Masken dabei. Unzählige Stunden werkelten die Zünftler bei Niklaus Bättig in der Werkstatt. An Umzügen in der Region, in Zürich und Luzern, waren die Karnemellipser als «Gugge» unterwegs. Rohs sorgte mit Konservenbüchsen für die nötige Lautstärke und für den Takt. Legendär waren auch die von der Zunft organisierten Bälle. Mellingen war zu jener Zeit die Hochburg der schönsten Jahreszeit. So sehr Rohs die Zeit als Zünftler genoss, hörte er mit dem aufwendigen Hobby auf, als er seine Herzdame Helena aus Tägerig heiratete.

Gärtner als Beruf und Hobby
38 Jahre arbeitete Rohs bei der ehemaligen Gärtnerei Zumstein in Mellingen. Dort pflegte, schnitt und lieferte er Blumen aus. Was heute kaum mehr vorstellbar ist, Blumenläden bestellten ihre Blumen nicht in Holland, in Ecuador oder in Afrika, sondern bei Zumstein in Mellingen. Ging eine Bestellungen ein, wurden die Blumen von Rohs frisch geschnitten und in 10er Bünden verpackt. Rosen in allen Längen und Farben waren im Angebot. So auch die langstielige Baccara-Rose. Rohs lieferte sie an Blumenläden in der Region und bis nach Zürich aus. Die Arbeit mit den Blumen gefiel ihm so gut, dass er nach Feierabend im Keller seines Eigenheims in Tägerig bis nach Mitternacht für Hochzeiten Bouquets steckte. Die Kirche in Tägerig dekorierte er damit üppig. Ebenfalls in seiner Freizeit gestaltete und pflegte er Gärten. In seinem eigenen Garten zog er Blumen und auch Gemüse. «Wir mussten nie Gemüse kaufen», sagt Helena Rohs. Nach der Zeit bei Zumstein in Mellingen arbeitete er bis zu seiner offiziellen Pensionierung und noch darüber hinaus bei der Gärtnerei Strebel in Tägerig.

Berufswahl keine Sekunde bereut
Aufgewachsen ist Rohs in Österreich, in Zell an der Ybbs. Mit 14 Jahren kam er aus der Schule und machte eine Lehre als Gärtner. Nach Hause fahren konnte er nur am Wochenende. Da während des Zweiten Weltkrieges keine Züge fuhren, dauerte der Heimweg etwas länger. Nach Kriegsende waren die Russen vor Ort. Schlechte Erinnerungen hat er keine an jene Zeit. Die Soldaten liessen ihn und andere Kinder und Jugendliche auf ihren Pferden reiten. Noch eindrücklicher war, als er als Stift auf dem Heimweg von einem russischen Panzer mitgenommen und zu Hause abgesetzt wurde.
Mit 19 Jahren wuchs in Rohs der Wunsch, als Gärtner in der Schweiz zu arbeiten. Er bewarb sich auf verschiedene Stellenanzeigen in der «Allgemeinen Zeitung». Eine Zusage bekam er vom Gemüseanbauer Rey aus Mellingen. Den Schritt, in die Schweiz zu ziehen, hat er nie bereut. Die zwei Jahre im Gemüseanbau waren sehr hart. Er arbeitete 16 Stunden am Tag auf dem Feld. Untergebracht war er mit einem Italiener, einem Jugoslawen und einem Polen in einem Einfamilienhaus. Da Rohs Englisch und etwas Russisch konnte, war die Verständigung untereinander kein Problem. Nach Feierabend ging es zwischendurch auf ein Bier in den «Güggel».

Er sah sie am Fenster stehen
Die Felder, auf welchen Rohs arbeitete, lagen unterhalb der ehemaligen Bekleidungsfabrik Argovia. Trotz der strengen Arbeit fiel ihm die junge Tägligerin, die in der Mantelabteilung am Fenster arbeitete, auf. Auch ihr fiel der fesche junge Mann auf. Sie erwiderte sein Winken. So führten Rohs Spaziergänge bald nach Tägerig. Zwei Jahre später heirateten die beiden. Bis heute sind sie glücklich verheiratet. Letztes Jahr konnten sie den 65. Hochzeitstag mit ihren drei Kindern, sieben Enkeln und fünf Urenkeln feiern. Zusammen teilten sie nicht nur Haus und Herd, sondern auch ihre Hobbys. So sangen sie 50 Jahre im Kirchenchor und spielten im Theaterverein Tägerig mit.

Um vier Uhr Schnee geräumt
Hermann Rohs engagierte sich auch für seine Wohngemeinde. So war er Ersatzwegknecht. Da früher nicht alle Strassen geteert waren, musste er zwischendurch die Schlaglöcher mit einer Schubkarre voll Kies auffüllen. Im Winter räumte Rohs um vier Uhr in der Früh mit einem Einachser den Schnee auf den Trottoirs beiseite. Zusätzlich war er 50 Jahre lang Ersatz-Stimmzähler. Dieses Amt gab er nun gesundheitshalber mit 90 Jahren auf. Da er nicht mehr so gut zu Fuss ist, geniesst er den Lebensabend zusammen mit seiner Frau mehrheitlich zu Hause. Als langjähriger «Reussbote»- Abonnent verfolgt er von dort, was in der Region passiert. Zu seinem 80. Geburtstag erhielt er von einer Bekannten eine Ausgabe seines Geburtsjahres.

Debora Gattlen

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