Ganz geht die Frohnatur nicht verloren

Di, 16. Jun. 2020

28 Jahre hinter der Käsetheke sind genug. Ende Juni ist Schluss. Erika Vogler geht in Rente. Die Frau, die man sich ohne Lächeln kaum vorstellen kann, geht dem «Chäslade» in Niederrohrdorf allerdings nicht ganz verloren. Wenn’s brennt, wird sie noch stundenweise aushelfen.

Nach Aussage von Rolf Gasser, der vor acht Jahren mit seiner Frau Claudia den Chäslade übernommen hat, ist Erika Vogler «die Grösste» im Team. Nicht an Statur. Denn sie misst gerade mal um die 1.55 Meter und muss ganz spitz auf die Zehen stehen, wenn sie etwas über den Verkaufskorpus reichen will. Als stets fröhliche, aufgestellte Verkaufspersönlichkeit ist sie aber unübertroffen, sagt Gasser, der nach 30 Jahren auf der Bank zum Käseverkäufer wurde, weil er aus dem Hamsterrad der Finanzwelt aussteigen und mit den Händen produktiv arbeiten wollte. Bevor er mit seiner Frau den Laden übernahm, hat er mit dem damaligen Personal das Gespräch gesucht. Danach war klar: «Die wollen wir unbedingt behalten», erzählt Rolf Gasser aus der Erinnerung. Das war mitunter einer der Schlüsselentscheide für den Erfolg. Denn mit Erika Vogler blieb enorm viel Wissen und Geschicklichkeit im Haus. «Sie musste uns zuerst einmal zeigen, wie man ein Fondue präpariert», sagt Gasser mit einem breiten Lachen im Gesicht. «Als ich damals anfing, hatte ich von Käse wenig Ahnung.»
Heute ist er ein ausgewiesener Fachmann, der sich in zahlreichen Kursen hat ausbilden lassen. Er profitierte aber auch von der langjährigen Erfahrung seiner klein gewachsenen Mitarbeiterin, die er als «fleissig wie ein Bienchen» beschreibt, «als Frohnatur, die stets gut gelaunt und jederzeit – auch bei Notfällen – für uns disponibel war.» Bei so viel Lob, scheint Erika Vogler hinter der Käsetheke gänzlich zu verschwinden. Sie macht sich noch extra klein und hat keine Lust, dem Reporter vom «Reussbote» Geschichten aus ihrem Leben zu erzählen. Verheiratet ist sie mit Kastor Vogler, mit dem sie in Vogelrüti zusammenlebt. Die Voglers sind bekannt für ihren naturreinen Bienenhonig. So gesehen passt das Wort von der fleissigen Biene ganz gut.

Vom Schuh- in den Käseladen
Aufgewachsen ist die 64-Jährige im Seetal. Ihre Eltern betrieben in Seengen das Schuhhaus Bolliger. So lag die Ausbildung zur Schuhverkäuferin nahe. Der Liebe wegen zog es sie dann aus dem Seetal weg an den Rohrdorferberg. Und vom Schuh- in den Käseladen. In Vogelrüti wurde sie heimisch. Hier zog sie zwei Kinder auf und arbeitete nebenher im Chäslade. Acht Chefs hat sie erlebt. Sieben davon hat sie «überlebt». Ihre Namen hat sie, fein säuberlich, auf einem Zettel notiert. Nur mit Jahreszahlen versehen, aber ohne Kommentar. Auf die Frage, wer der beste Chef gewesen sei, lächelt sie nur. Derweil steht ihr aktueller Chef daneben und lächelt mit um die Wette. «Ist doch klar, wer der Beste war», sagt Rolf Gasser, der mit seinem Team den «Chäslade» zum Comestible-Geschäft transformierte, das in Rohrdorf seinen festen Platz gefunden hat und auf eine treue Kundschaft zählen kann. Hier werden rund 150 Käsesorten offen angeboten. Erika Vogler kennt sie alle, weiss zu jeder Sorte etwas zu erzählen. Wer ihr beim Abschneiden eines guten Stücks zuschaut, kann nur ahnen, wie viel Geschick dahinter steht. Wer 150 Gramm möchte, kriegt in aller Regel, auf wenige Gramm genau, die gewünschte Menge. Die Waage ist sozusagen nur die Bestätigung. Man könnte sich auch auf das Gefühl Erika Voglers verlassen.

Zur Not springt sie ein
Rolf Gasser ist sich bewusst: Erika Vogler ersetzen zu wollen, ist ein frommer Wunsch. Sie ist und bleibt ein Unikat. Aber ganz muss er auf die langjährige, treue Mitarbeiterin nicht verzichten. Auch wenn sie sich vermehrt ihrem Enkelkind widmen möchte, wird Erika Vogler auch als AHV-Rentnerin hin und wieder hinter der Käsetheke im Chäslade anzutreffen sein. Gerade vor Festtagen, wenn es gilt all die Vorbestellungen mit 25 Raclettesorten und den verschiedenen Fondues herzurichten, wird Erika Voglers Erfahrung und Leistungsbereitschaft gefragt sein.

Beat Gomes

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