GASTKOLUMNE

Fr, 19. Jun. 2020

Die Musikkauffrau und Musikjournalistin Maja Banovic lebt in Niederrohrdorf. Sie beschäftigt sich in der Freizeit mit Musik, Literatur, Geschichtswissenschaft und bildender Kunst. Mit Fitnesstraining hält sie sich fit.

Opfer schlecht möblierter Kinderstube

Modewörter kommen und gehen. Ein häufig verwendetes Wort im Dunstkreis zeitgenössischer Seelenklempner lautet «Resilienz», also psychische Widerstandskraft.
Jetzt im Juni liegen viele Lehrverträge unterschrieben herum und warten darauf, während der Probezeit wieder aufgelöst zu werden. Was hat das mit Resilienz zu tun?
Eine Umfrage bei Berufsbildnern kam zu dem Ergebnis, dass junge Menschen nicht mehr lernen, mit Konflikten, Niederlagen und schwierigen Situationen umzugehen. Auf ihrem Lebensweg fuhren stets die Eltern laut hupend im Bagger voraus, um ihnen sämtliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Solche Eltern verpassen es leider, dem Kind das Baggerfahren beizubringen, damit es später im Leben das Steuer selber in der Hand hat.
Das Kind möchte nach nur zwei Ballettstunden doch lieber Tennis spielen? Kein Problem, dann meldet man es halt wieder ab und entsorgt das Tutu. Kindern wird nicht mehr beigebracht, dranzubleiben. Ausser Papas Kreditkarte wird hier gar nichts mehr durchgezogen. Damit das Kind einigermassen durch die Schulzeit kommt, wird jede halbwegs genügende Note gleich mit Laptops und Handys belohnt. Dabei wird es derart übertrieben gelobt, als hätte es soeben olympisches Gold gewonnen.
Gezieltes Lob für eine wirkliche Anstrengung führt dazu, dass Kinder Selbstvertrauen entwickeln und zukünftige Herausforderungen voller Zuversicht angehen – und dann auch Erfolg haben. Durch materielle Belohnungen dagegen geht ihre intrinsische Motivation vollkommen flöten und macht Platz für ein verzerrtes Bild von sich selbst und den Anforderungen, welche die Welt da draussen eines Tages an sie stellen wird.
Spätestens mit Beginn der Lehre kommt das böse Erwachen, denn der Lehrmeister wird nicht mit Pompons ausgerüstet vor Begeisterung auf und ab hüpfen, wenn das Kind mal pünktlich zur Arbeit erscheint. Es ist an der Zeit, dass Eltern wieder ihre Verantwortung wahrnehmen und die Kinderstube vernünftig einrichten. Jedes Kind verdient seine Chance im Leben, doch es wird sie nur dann wahrnehmen können, wenn es entsprechend darauf vorbereitet wird. Ein dickes Fell ist dafür die beste Ausrüstung, denn wenn unsere Erben bei jeder Schwierigkeit gleich davonlaufen, werden wir schon bald Zeugen der nächsten grossen Völkerwanderung - Zu Fuss, versteht sich, denn das Baggerfahren wurde ihnen ja nicht beigebracht.

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