Teure Schlappe für Kantonales Steueramt

Fr, 26. Jun. 2020

Die Steuerverwaltung Mellingen muss einen erheblichen Betrag abschreiben. Hausbesitzer Urs Schneider entschied einen jahrelangen Rechtsstreit zu seinen Gunsten. Mellingen wollte den Schadenersatz für sein 2011 abgebranntes Wohnhaus als Einkommen versteuert haben. Nun wurde das Begehren vom Aargauer Verwaltungsgericht gestoppt.

Man muss sich das einmal vorstellen. Ihr Wohnhaus mit drei Mietwohnungen wird von einem der Mieter durch unvorsichtiges Hantieren mit brennbaren Materialien abgefackelt. Die Haftpflichtversicherung des Brandverursachers bezahlt nach langem Hin und Her etwas an den Schaden. Sie bauen das Haus wieder auf, müssen dabei aber tief in ihre eigene Tasche greifen, um das Haus wieder bewohnbar zu machen. Da kommt die Steuerverwaltung und verfügt, sie müssen die Schadenersatzzahlung als Einkommen versteuern. «Nicht mit mir», sagte sich Urs Schneider, dem die Liegenschaft an der Stetterstrasse 1 in Mellingen gehört. Der mittlerweile 81-jährige Rentner versuchte es erst im Gespräch, stiess aber im Mellinger Rathaus auf taube Ohren. «Ich hatte auch ein Gespräch mit dem Gemeindeammann Bruno Gretener», erinnert sich der streitbare Pensionierte, der heute mit seiner Frau am Bodensee wohnt. «Er war sehr freundlich, beharrte aber auf der Forderung der Steuerverwaltung.» Diese sah sich offenbar durch die Experten der Kantonalen Steuerverwaltung gestützt. So blieb Urs Schneider nichts anderes übrig, als seinen alten Freund Peter Voser, dem Begründer der bekannten Kanzlei «Voser Rechtsanwälte» in Baden, um Hilfe zu bitten. Der stellte Schneider Rechtsanwalt Joachim Huber zur Seite, der auch eidg. dipl. Steuerexperte ist. Was der gesunde Menschenverstand sagt, wonach ein teilweise ersetzter Schaden kein Einkommen sein kann, das entzieht sich offenbar den Denkmustern von kantonalen Steuerverwaltern. Angeführt vom Rechtsdienst des Kantons stieg die Gemeinde Mellingen mit einer Theorie in den Rechtsstreit, wonach Schadenersatz in diesem Falle als Einkommen zu versteuern sei.

Schadenersatz als Einkommen
Um was geht es konkret? Am 4. August 2011 kam es in der Dachwohnung von Schneiders Wohnhaus zu einem Brand. Die Feuerwehr konnte den Brand zwar mit einem Grosseinsatz mitten in der Nacht löschen. Doch das Haus war danach unbewohnbar. Die Brandursache war schnell geklärt. Der Mieter der Dachwohnung hatte nachts mit einem Kollegen versucht, Kunststoff zu schweissen. Ein untauglicher Versuch, wie sich hinterher fatalerweise herausstellte. Die Aargauer Gebäudeversicherung bezifferte den Schaden damals auf knapp 800 000 Franken. Die Allianz Suisse als Haftpflichtversicherer des verantwortlichen Mieters entschädigte Schneider zusätzlich mit 400 000 Franken. Das sah die Steuerbehörde als Einkommen, weil der Betrag die versicherungstechnisch geschätzte Schadenssumme um eben diese 400 000 Franken überstieg. Eine Milchbüchleinrechnung. In seitenlangen juristischen Erläuterungen wurde versucht, einen Gewinn zu konstruieren, der in Wirklichkeit für Schneider ein Verlustgeschäft war.

In erster Instanz verloren
Der Wiederaufbau hat ihn nämlich rund 1,7 Mio. Franken gekostet. Was die Steuerexperten beim Kanton dazu verleitete, darin den Beweis zu sehen, dass Schneider von einem Vermögenszuwachs profitiert haben soll. Im Dezember letzten Jahres wurden die Begehrlichkeiten der Steuerverwaltung vom Spezialverwaltungsgericht, Abteilung Steuern, in ihrer Haltung bestärkt. Schneider war mit seiner Klage abgeblitzt. Sein Kommentar: «Die haben sich mit dem Fall gar nicht richtig befasst.»

Verwaltungsgericht stellt klar
Schneider zog den Fall ans Verwaltungsgericht. Das hat den unverständlichen Entscheid des Spezialverwaltungsgerichtes nun korrigiert. Die Verwaltungsrichter in Aarau sagen es unmissverständlich: Die Zahlung der Allianz Suisse in der Höhe von 400 000 Franken ist als Schadenersatz zu qualifizieren. Zusammen mit der Zahllung der Gebäudeversicherung konnten die Verwaltungsrichter keine «Überentschädigung» feststellen. Deshalb ist die Zahlung der Allianz Suisse nicht einkommenssteuerpflichtig. Urs Schneider hat nach jahrelangem Rechtsstreit endlich Recht bekommen. Die Kosten des Verfahrens gehen zulasten des Staates (sprich der Steuerzahler). Das Kantonale Steueramt muss Schneiders Anwalt Parteikosten in Höhe von 4000 Franken entrichten.

Benedikt Nüssli

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