Es geht um die Ausstandspflicht

Fr, 24. Jul. 2020

Im Reuss-Städtchen gibt es seit Juni eine Sommerterrasse an der Reuss. Die Bewilligung dazu und die Rolle von Gemeinderat Roger Fessler gibt Anlass zu Diskussionen.

In Mellingen ist die von Claudia Lindauer, Wirtin in der Gadestube zum Scharf Eck, geführte Sommerterrasse an der Reuss Stadtgespräch. Worum geht es? Der Gemeinderat hat für den Betrieb dieser Sommerterrasse eine zweimonatige Testphase bewilligt. Er will Erfahrungen sammeln. Das ist eine gute Idee, denn die Sommerterrasse ist in der Grabengartenzone. In dieser Zone gelten verschärfte Vorschriften zur Nutzung. Die von Lindauer betriebene «Beiz» – wir nennen sie mal so, ohne hier werten zu wollen – erfreut sich bei der Bevölkerung grosser Beliebtheit. Einheimische und Gäste schätzen das Angebot, nahe der Reuss an einem lauschigen Plätzchen einzukehren. Für viele eine Bereicherung. Und seit dem Betrieb der Sommerterrasse haben Littering sowie exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum auf der Wiese markant abgenommen.

Nach dem Lockdown steht der «flaue Sommer bevor»
Zu reden gibt im Städtli vor allem die Rolle von Gemeinderat und Grossrat Roger Fessler (SVP). Als der Gemeinderat die Testphase bewilligte, war Fessler nicht in den Ausstand getreten. Das ist heikel. Fesslers Ehefrau Andrea arbeitete bis zum Lockdown in der Gadestube zum Scharf Eck. Während des Lockdowns musste Claudia Lindauer die «Gadestube» schliessen, wie andere Wirte auch. Sie schrieb ihren Mitarbeiterinnen, dass die Gadestube voraussichtlich nicht mehr eröffnet werde, weil unter anderem auch die flaue Sommerzeit bevorstehe.
Im April wandte sich Lindauer im Rahmen einer Voranfrage an die Gemeindeverwaltung. Am 4. Mai beriet der Gemeinderat ein erstes Mal, tags darauf folgte eine erste Besprechung vor Ort. Die Bewilligung mit mehreren Auflagen für die Benutzung des öffentlichen Raums erfolgte am Montag, 25. Mai. Der Gemeinderat informierte daraufhin in einer Medienmitteilung am 2. Juni. Noch bevor der Gemeinderat informierte, postete Roger Fessler auf seinem Facebook-Profil die Bewilligung. Das ist nicht verwerflich, es zeigt aber das Interesse Fesslers. Zudem hilft Fessler seiner Frau Andrea und Claudia Lindauer in einem Rechtsstreit gegen die «Stadttörli»-Wirte.

Ausstandspflicht ist umstritten
Der «Reussbote» stellte Gemeindeschreiber Beat Deubelbeiss zur erteilten Bewilligung mehrere Fragen, unter anderen auch diejenige, ob Gemeinderat Fessler bei der Beratung und beim Entscheid in den Ausstand getreten sei. Deubelbeiss schreibt dem «Reussbote»: «Es gilt das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (§16). Es besteht in dieser Sache für kein Mitglied des Gemeinderates ein Ausstandsgrund. Jeweils zu Beginn der Amtsperiode legen alle Mitglieder des Gemeinderates ihre Interessenbindungen offen und diese Auflistung dient als Grundlage für die Ausstandsregelung. Dem Gemeinderat war bewusst, dass Roger Fesslers Ehefrau in einem lokalen Gastgewerbebetrieb tätig ist. Sie war nicht geschäftsführende Person.» Deshalb ist der Gemeindeschreiber nach wie vor der Meinung, dass der Entscheid, nicht in den Ausstand zu treten, korrekt gewesen sei, so Beat Deubelbeiss zum «Reussbote». Diese Meinung ist umstritten. Paragraf 16 sagt: «Am Erlass von Entscheiden darf nicht mitwirken, wer in der Sache ein persönliches Interesse hat».

Meine Frau hilft Lindauer unentgeltlich aus
Und was sagt Roger Fessler dazu? Er erwähnt, dass die Ausstandspflicht nicht verletzt worden sei. Er sagt: «Meine Frau bezieht seit Februar dieses Jahres bis auf Weiteres keinen Lohn mehr und es wird auch rückwirkend kein Anspruch dazu bestehen. Sie hilft Claudia Lindauer, die eine sehr gute Kollegin ist, in dieser ausserordentlichen Zeit, unentgeltlich aus.» Die Anfrage von Lindauer sei beim Gemeinderat erst Mitte April eingetroffen, so Fessler weiter. Er erwähnt zudem: «Meine Frau und ich haben weder bei der Anfrage noch beim Konzept mitgearbeitet oder waren anderweitig in irgendeiner Form privat oder sogar finanziell involviert».

Benedikt Nüssli

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