Gemeinderat Giani steuert das Postauto

Fr, 24. Jul. 2020

Er fährt mit dem E-Bike in seiner Postautouniform zur Arbeit. Seit eineinhalb Jahren ist Maurizio Giani Postauto-Chauffeur aus Passion. Zuvor hatte er in der Privatwirtschaft einen 120 Prozent Job. Heute kann er Beruf, das Amt als Gemeinderat und sein Privatleben besser unter einen Hut bringen. Für ihn bedeutet das pure Lebensqualität.

Dass er zuweilen bereits um vier Uhr aufstehen muss oder erst nach Mitternacht von der Arbeit nach Hause kommt, nimmt Maurizio Giani (55) gerne in Kauf. Seine Arbeit als Postautochauffeur ist sein Traumberuf. Der Kontakt zu den Menschen ist ihm dabei wichtig. Er weiss genau, welche Leute auf den letzten Drücker zur Haltestelle laufen, welche ein gültiges Ticket haben und welche bei einer Verspätung nervös werden. Meist schafft er es, trotz aktueller Baustelle am Rohrdorferberg, die Fahrgäste rechtzeitig zu ihren Anschlüssen zu bringen. Die erste Stelle als Postautochauffeur trat er vor eineinhalb Jahren in Merenschwand an. Da fuhr zuweilen auch alt Bundesrätin Doris Leuthard bei ihm mit. Die liebsten Fahrgäste sind ihm Schulkinder. Ihr Lachen und die persönliche Begrüssung findet er erfrischend.

Lokführer war Kindheitstraum
Bereits als Knabe faszinierten Maurizio Giani grosse Fahrzeuge, sein Traumberuf war Lokführer. Weil damals noch eine abgeschlossene technische Berufslehre Voraussetzung war, absolvierte er bei der BBC in Baden eine Lehre als Elektromechaniker. Bald stellte er fest, dass er als Lokführer keinen Kontakt zu Menschen pflegen konnte. Als kommunikativer Mensch war das für ihn ein Manko. Er entschied sich deshalb für eine Weiterbildung am Technikum. Beruflich war er später in der IT-, Technik- und Verkaufsbranche tätig. Als er 2018 arbeitslos wurde, kam ihm die zündende Idee. Er wollte Postautochauffeur werden. Bis er hinter dem Steuer des gelben Postautos sitzen konnte, musste er einige Hürden überwinden. Als Zwischenlösung fuhr Giani in Wohlen Taxi. Eine Erfahrung, die er nicht missen möchte. Die Gespräche mit Fahrgästen und Kollegen bleiben ihm in guter Erinnerung.

Gemeinderatamt kam nicht gut an
Giani war beruflich jahrelang immer auf Draht. Die Karriereleiter nach oben stieg er kontinuierlich hinauf. Er reiste als Techniker im Verkauf für die LKW-Firma MAN durch die ganze Schweiz. Bei Renault Trucks in Dietikon war er Projektleiter bei der Beschaffung einer neuen Lieferwagenflotte für den Paketauslieferdienst der Post. Nebst der Tätigkeit im Verkauf war er auch in der IT-Branche tätig. Immer weniger Zeit blieb ihm für seine Familie und sein geliebtes Hobby, das Rennvelofahren. Seit 2010 ist er zusätzlich im Gemeinderat. Als er 2018 auf Stellensuche war, musste er schnell feststellen, dass das Amt bei vielen Firmen nicht gut ankam. Darauf verzichten wollte er aber trotzdem nicht. Er nutzte die Gelegenheit, sich nochmals neu zu orientieren.

TV-Sendung als Anstoss
Auf die Idee Postautochauffeur zu werden, brachte ihn ein Beitrag bei Tele M1 über den Gemeindeammann von Oberhof. «Roger Fricker erzählte, wie gut sein Beruf als Postautochauffeur mit Familie und seinem Amt als Gemeindeammann unter einen Hut zu bringen ist», sagt Giani. «Ich habe sofort gewusst, das will ich auch machen.» Ganz so einfach war es jedoch nicht. Stellenangebote als Postautochauffeur gehen oft unter der Hand weg. Giani erkundigte sich bei Daniel Steffen, ehemaliger Inhaber der Steffen Bus AG in Remetschwil. Steffen riet ihm, zuerst die Prüfung als Carchauffeur zu machen und sich nachher bei verschiedenen Postautobetrieben in der Region zu bewerben. Giani fackelte nicht lange. Im Sommer 2018 absolvierte er den theoretischen Teil der Prüfung. Mit der europäischen Zulassung für Carchauffeure in der Tasche begann er mit dem praktischen Teil. Er nahm Fahrstunden in Busslingen. Bei der praktische Prüfung musste er rückwärts und seitlich Einparken.

Mehr Zeit im privaten Leben
Aktuell ist der Kontakt zu den Fahrgästen wegen Corona immer noch eingeschränkt. So sind die ersten Sitzreihen abgesperrt. Seit einer Woche können im Aargau wieder Tickets im Bus verkauft werden. An die geltende Maskenpflicht halten sich, bis auf wenige Ausnahmen, alle Fahrgäste.
Seit dem Frühjahr arbeitet Giani bei der Steffen Bus AG in Remetschwil. Mit 55 Jahren hat er seinen Traumberuf gefunden. Ihm gefällt, dass er jeden Tag eine andere Strecke fahren kann. So kommt er über Berikon nach Zürich Wiedikon oder zum Triemli und mit dem Schnellbus von Oberrohrdorf zum Bahnhof Enge. Fahrten nach Baden, Brugg und Mellingen gehören ebenfalls dazu. Dass die Arbeitszeiten unregelmässig sind, stört ihn wegen des kurzen Arbeitsweges nicht. Diesen legt er, der Umwelt zuliebe, auf seinem E-Bike zurück. Seit er Postautochauffeur ist, findet er auch privat wieder Zeit, Fahrrad zu fahren. Im Gegensatz zu früher ist er heute auf seinen ausgedehnten Fahrradtouren mit dem E-Bike unterwegs. Mehr Zeit kann er auch für sein Amt als Gemeinderat aufwenden. Giani will deshalb für eine weitere Amtsperiode kandidieren. Beruf, Politik und Familie sind heute, dank seines neuen Berufes, bei ihm wieder im Einklang.

Debora Gattlen

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