Beim Thema Hanf blüht die Museums-Chefin auf

Fr, 18. Sep. 2020

Ruth Zwahlen führt ihr Hanfmuseum seit bald 25 Jahren – angefangen hat sie in Mellingen, damals aus politischen Gründen

Ruth Zwahlen kämpft mit ihrem Hanfmuseum seit Jahren gegen das negative Image der vielseitigen Pflanze und setzt sich für eine liberalere Drogenpolitik ein. Ihre Tochter Silvia hat sich davon anstecken lassen und Anfang Jahr eine Petition lanciert. Noch kann man unterschreiben.

Man darf doch nicht so einen Unsinn erzählen», ärgert sich Ruth Zwahlen. Sie lüpft einen Plastikstorch als Beispiel. Für die Hanf-Aktivistin steht die Figur des Vogels sinnbildlich für all die Märchen, die in ihren Augen über das grüne Kraut verbreitet werden. «Den Kindern wurde erzählt, der Storch bringe die Babys. In dieselbe Kategorie fällt für mich, wenn Menschen Hanf als gefährliche Drogenpflanze verteufeln», sagt sie. «Dabei handelt es sich um eine geniale Nutzpflanze. Es gibt fast nichts, dass man aus ihr nicht herstellen kann.»

Man merkt: Sie ist ein Fan
Mit dem Storch fängt die Museumsführung an. Danach folgen so viele Ausstellungsstücke, dass einem der Kopf schwirrt. Verstaut sind sie in drei Räumen im ersten Stock eines renovierten Bauernhauses. Statt von Ausstellungsstücken redet Ruth Zwahlen allerdings lieber von «Beweisen». Sie hat alles gesammelt: Historische Spinnräder. Landwirtschaftliche Geräte der Aargauer Hanfbauern von anno dazumal. Wäscheleinen oder Schiffstau. Stoffe und Kleidungsstücke. Hanfpapier. Hanfziegel für den Häuserbau. Daneben: Pfeifen aus aller Welt. In den Regalen: unzählige Lebensmittel, vom Energydrink bis zur veganen Hanf-Mayonnaise. Aber auch Produkte wie Seife, Waschmittel und Fleckenentferner oder zahlreiche medizinische Artikel, unter anderem die berühmten Duftsäckli, zeigt sie her und hat zu allen eine Geschichte zu erzählen.
«Ich hätte gerne mehr Raum, um meine Exponate besser zu präsentieren», bedauert Ruth Zwahlen angesichts dieser Masse an Waren. Wie früher, als sie in der Bruggerstrasse in Mellingen ein ganzes Haus nutzte. Da bot sie auch öffentliche Führungen an; Heute gibt es diese nur noch auf Anmeldung. Und es kommen immer weitere Gegenstände hinzu. Jüngstes Ausstellungsstück ist Hanfgebäck aus dem Tägeriger Dorfladen – ein Geschenk, das sie vergangene Woche erhielt. «Früher habe ich den Hanf gesucht, heute findet er mich», meint die Museumsbetreiberin scherzhaft.
Beim Gang ins nächste Zimmer leuchten ihre Augen, denn auf ihre Bibliothek ist sie besonders stolz. Hunderte Ordner, Bücher und Magazine lagern hier. Allein die von ihr zusammengetragenen Infos über Gerichtsverfahren gegen Aargauer Hanfbauern füllen sechs Ordner.
Der Kampf der Bauern war es auch, der sie damals in die Szene einführte. «Mitte der 1990er-Jahre habe ich angefangen, Cannabisprodukte in meinem Brocki in Mellingen zu verkaufen», erzählt sie. «Dadurch habe ich miterlebt, wie die Hanfbauern kriminalisiert wurden. Das fand ich so ungerecht, dass ich nicht still bleiben konnte.» Von den Hanfbauern seien viele vor Gericht gelandet. Manchmal hätten die Strafen existenzbedrohende Folgen gehabt. Dass es sich damals um Cannabis handelte, das im Gegensatz zu heute eine leicht berauschende Wirkung besass, macht für sie keinen Unterschied. «Drogen zu verbieten ist keine Lösungh», findet sie. «Das dafür eingesetzte Geld sollte besser in die Aufklärung gesteckt werden.» Ausserdem ist der medizinische Nutzen von THC-haltigem Marihuana für sie erwiesen. Zum Beweis schlägt sie ein Fachbuch auf.

Aktivismus vererbt
Ihre Tochter Silvia, damals noch ein Teenie, erlebte den wachsenden Aktivismus der Mutter von Anfang an mit – und bald waren sie gemeinsam unterwegs. Die beiden fuhren zu Hanfmessen im In- und Ausland oder besuchten das Hanfmuseum in Amsterdam. Heute ist die Tochter selbst aktiv: Sie hat eine Petition gestartet, mit der sie unter anderem erreichen will, dass die Polizei Drogen in kleinen Mengen (bei THC-haltigem Marihuana wären das bis zu zehn Gramm) nicht mehr konfisziert. Straffrei sei der Besitz im Fall von Marihuana, zumindest auf dem Papier, sowieso schon. Aber Polizisten würden sich in der Praxis nicht immer daran halten. «Im Grunde fordere ich, dass der Staat Konsum in einem gewissen Rahmen erlaubt», erklärt Silvia Zwahlen. «Ich will damit nicht zum Drogenkonsum animieren. Ich nehme selbst auch keine. Aber es wäre für die Allgemeinheit besser.»
Die Petition wollen Mutter und Tochter an Bundesrätin Karin Keller-Sutter übergeben – egal, wie viel Unterschriften sie erhält. Bis jetzt haben erst wenige hundert Menschen unterschrieben. Enttäuscht sind die beiden darüber nicht: «Für uns ist das einfach eine weitere Station im Kampf für Gerechtigkeit.»

Stefan Böker


Petition ist noch fünf Wochen online

Die Petition «Für eine gesetzeskonforme Drogenpolitik. Art. 19b BetmG: Nicht strafbar soll nicht strafbar sein.» können Unterstützer auf openpetition.eu/ch unterschreiben. Weitere Informationen sind auch auf hanfmuseum.ch zu finden. (sb)

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