Mit Samthandschuhen geerntet

Fr, 25. Sep. 2020

Im Aargau hat die Apfelernte begonnen. Sie wird grösser ausfallen als im vergangenen Jahr

Auf dem Saumhof in Künten werden auf über 5,3 Hektaren Äpfel angebaut. Vom Feld wandern die Früchte direkt in den Verkauf. Oder sie werden in grossen Kühlhallen eingelagert, wo sie in kontrollierter Atmosphäre monatelang frisch bleiben.

Äpfel lassen sich mit zwei Methoden vom Zweig trennen: Vorsichtig in der hohlen Hand anheben und dann entweder drehen oder kippen. «Das Wichtigste ist, die Äpfel ganz sanft anzufassen und in die Kisten zu legen, nicht zu schmeissen», erklärt Obstbauer Andreas Seeholzer seinem prominenten Gast, Landammann Markus Dieth, die Technik. «Und man sollte in Ruhe ernten, nicht hetzen.»
Während der Erntezeit, die Ende Juli beginnt und bis November dauern kann, beschäftigt Seeholzer bis zu sechs Helferinnen und Helfer aus dem Dorf. Das Ernten in der abschüssigen Obstanlage ist anstrengend, wie der Landwirschaftsdirektor am eigenen Leib erfahren durfte. Bei Regen wird der Untergrund rutschig. Darum fährt Oberholzer den Traktor immer selbst. Die Hanglage birgt dafür andere Vorteile: «Der Frost bleibt unten», meint der Landwirt. Den Erntezeitpunkt zu bestimmen, sei eine Wissenschaft für sich und von Sorte zu Sorte unterschiedlich. Ein Braeburn kommt beispielsweise erst im Oktober an die Reihe, während die Äpfel der beliebten Sorte Gala bereits komplett geerntet wurden.
Alle Äpfel haben gemeinsam, dass sie beim Pflücken mit Samthandschuhen angefasst werden wollen – denn die Ansprüche der Konsumenten sind riesig. Nur wenn die Äpfel die richtige Grösse und Farbe haben und zudem unversehrt sind, gehen sie auch über den Ladentisch. Zusätzlich schreiben Grossabnehmer heute Mindestwerte für Fruchtfleischfestigkeit und Zuckergehalt vor.
Obstbauer Seeholzer vermarktet seine Produkte direkt. So beliefert er unter anderem Volg-Läden in der Region. Ganz unkompliziert können Kundinnen und Kunden auch direkt im Hofladen einkaufen. Das verursache zusätzliche Arbeit, lohne sich aber am Ende des Tages, versichert er. «Entscheidend ist, dass hier die Qualität noch grösser ist. Die Früchte sind frischer und schmackhafter als im Detailhandel. Das spricht sich rum und man muss nicht mal mehr Werbung machen.» Neben Äpfeln baut er Kirschen, Zwetschgen, Birnen, Aprikosen und Pfirsiche an. Auch Legehennen und Mastschweine gibt es auf dem Saumhof. Bereits die Hälfte der Aargauer Obstbauern folgt diesem Beispiel und vermarktet ihre Produkte selbst, Tendenz steigend.
Der Saumhof setzt dabei auf zeitgemässe Anbaumethoden. So experimentiert Seeholzer mit neuen Sorten, die weniger anfällig für Krankheiten sind als dies bei beliebten Sorten wie Gala, Rubinette oder Golden Delicious der Fall ist. Sie benötigen dadurch weniger Anwendungen mit Pflanzenschutzmitteln. Mit dem Admiral hat der Bauer eine vielversprechende Sorte gefunden und baut ihn derzeit auf 12 Aren an. Im Vergleich zum Gala müsse er nur halb so viel «gifteln». Zudem müsse er die Bäume weniger beschneiden. Neben dem aromatischen Geschmack und der enormen Saftigkeit lässt sich der Admiral obendrein sehr lange lagern.

Vom Feld in den Winterschlaf
Der Landammann begutachtete auch die Kühllager, wo sich die Apfelkisten bis zur Decke stapeln. In diesen luftdicht abgeschlossenen Hallen kann der Obstbauer eine kontrollierte Atmosphäre herstellen. Feucht muss es sein, kalt und sauerstoffarm. Bei einer bestimmten Luftzusammensetzung stoppt dies den Reifevorgang der Früchte. Knackige Äpfel bis weit ins Frühjahr hinein anzubieten sind dank dieser Technik heute kein Problem mehr. «Für mich sind Äpfel kleine Lebewesen», sagt Seeholzer fasziniert.
Der Gala bleibt dennoch Platzhirsch auf dem Saumhof und wird auf rund einer Hektare Land angebaut. Gesamthaft gibt es im Aargau Tafelapfelkulturen auf 135,5 Hektaren. Damit ist der Kanton der fünftgrösste Tafelapfelproduzent der Schweiz. Der Schweizerische Obstverband rechnet in diesem Jahr mit insgesamt 138 000 Tonnen Äpfeln, das wäre eine um sechs Prozent höhere Ernte als letztes Jahr. Natürlich durfte nach getaner Arbeit auch eine Verkostung nicht fehlen. «Regionale Produkte sind gesund und schmecken gut», lobte Landammann Markus Dieth. Er sei stolz auf die Leistung der Aargauer Obstbauern, ist sich aber sicher: «Ganz ohne Pflanzenschutzmittel wird es nicht gehen.»

Stefan Böker

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