Zum Gedenken

Fr, 11. Sep. 2020

Zum Hinschied von Hans Köfer

Im hohen Alter von 93 Jahren ist der in Mellingen aufgewachsene Hans Köfer, nach langer Zeit als Alzheimerpatient, friedlich eingeschlafen. Seinen Lebensabend verbrachte er mit seiner Gattin in Bellikon hoch über dem geliebten Reusstal. Der in einfachen Verhältnissen in der Altstadt von Mellingen lebende Hans Köfer absolvierte nach der obligatorischen Schulzeit eine kaufmännische Lehre in Baden. Es folgten Weiterbildungen in der Westschweiz, in Paris und England. Bereits mit 34 Jahren war er Direktor eines bekannten Schweizer Unternehmens und restrukturierte dieses erfolgreich. Später schulte er sich weiter in New York, Boston und San Francisco. Deshalb wurde Hans Köfer ein begehrter Wirtschaftsfachmann, so als Berater im ehemaligen Jugoslawien. Jahrelang wirkte er als Referent und Fachlehrer an der Handelshochschule St.Gallen. Seine Vorträge und Thesen fanden Echo weit über die Landesgrenzen hinaus. Obwohl ihm viele Kollegen davon abrieten, wagte er es am Schluss seiner Karriere einmal mehr, einen hoffnungslos maroden Betrieb zu sanieren. Dem Unermüdlichen gelang es, auch dieses Unternehmen wieder zur Blüte zu bringen.
Obwohl Hans Köfer weitere lukrative Angebote erhielt, zog sich der nun Verstorbene mit 60 Jahren vom aktiven Leben zurück und wandte sich den «schönen Dingen» des Lebens zu. Schon in jungen Jahren war Hans Köfer ein begabter Maler und finanzierte sich durch sein künstlerisches Schaffen den Studienaufenthalt in England. Während seiner Lebensphase als Wirtschaftsfachmann fand er für dieses Hobby keine Zeit mehr. Doch nun im dritten Lebensabschnitt konnte er sich wieder dieser Leidenschaft hingeben. So entstanden zahlreiche Gemälde unter anderem auch über das Reusstal und speziell über Mellingen.
Im wahrsten Sinne des Wortes kehrte er zu seinen Wurzeln zurück, als er begann, über seine Jugendzeit im Städtchen zu schreiben. Es entstand ein erster Band «Die kleine Stadt am schwarzen Fluss», erschienen 1992. Darin schildert Köfer seine Jugendzeit im «Städtli» bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Mit «schwarzem Fluss» ist die Reuss gemeint, die immer wieder ihre Opfer forderte.
Es war auch die Zeit der Weltwirtschaftskrise: Der Vater, der für acht Personen sorgen sollte und in der Argovia angestellt war, wurde arbeitslos. Er versuchte es als Versicherungsagent; doch viel war damit in dieser Zeit nicht zu verdienen. Man versuchte sich mit etwas Heimarbeit und dem Anpflanzen von Gemüse und Kartoffeln über Wasser zu halten. Wir vernehmen, wie Hans in den Kindergarten und später zur Schule ging. Das Buch ist mit vielen ganz konkreten Details aus dem Städtchen gespickt: über die Politik, das kirchliche Leben, über einzelne Einwohner, den Alltag mit all seinen Entbehrungen, gesundheitliche Probleme, aber ebenfalls über Augenblicke, wo man sich auch über kleine Dinge freute.
1998 erschien Hans Köfers zweiter Band «Harte Kriegsjahre», welcher auf anschauliche Weise, in sich wechselnden Abschnitten, das Geschehen im Krieg auf der ganzen Welt und das Leben im kleinen Städtchen schildert: über Mellingen als Garnisonsstadt, über Hitleranhänger – auch in der Gemeinde, den eintönigen Speisezettel usw. Hans Köfer begleiten wir als Oberstufenschüler und kaufmännischen Lehrling in Baden. Der Autor hatte Zeit seines Lebens ein hohes Pflichtbewusstsein. So arbeitete er stundenlang auf Pflanzplätzen und hielt Kaninchen, damit die grosse Familie genügend ernährt werden konnte. Er setzte sich derart für seine Familie ein, dass oft die Hausaufgaben zu kurz kamen und die Schulleistungen absackten. Da rappelte sich Hans auf, stand bereits um 4 Uhr morgens auf, um die Hausaufgaben zu erledigen. Köfers Jugend war von vielen Entbehrungen und Kämpfen geprägt. Neben hoher Intelligenz war bestimmt dies mit ein Grund für seinen späteren beruflichen Erfolg. Die Buchdeckel beider Bände sind mit symbolhaften Gemälden des Autors geschmückt. – Den Angehörigen entbieten wir unser herzliches Beileid.

Rainer Stöckli

Ganzer Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar.
Kategorie: 

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Erst mulmig, dann neugierig, schliesslich stolz

Von Zürich nach Nizza in einer Boeing 737 – Erfahrungsbericht aus dem Flugsimulator des ehemaligen Airline-Piloten Felix Staubli

Im Flugsimulator der Familie Staubli darf ich eine Stunde lang Pilotin sein. Die Lämpchen machen mir Sorgen und doch vergeht die Zeit im Flug.

Ein leicht mulmiges Gefühl beschleicht mich, als ich das Dachgeschoss der Familie Staubli in Wohlenschwil betrete. Dort fällt mein Blick auf ein Cockpit, einen wirklichkeitsgetreuen Nachbau einer Boe…