«Liebgottchäberli» bei der Alten Kirche

Fr, 30. Okt. 2020

An der Alten Kirche legten tausende Marienkäfer einen Zwischenhalt ein. Sie werden weiterfliegen

Sie krabbeln auf den frisch gestrichenen Kirchenmauern und stehen für Glück. Sie sind Nützlinge, fressen Blattläuse und sind zur Zeit invasionsmässig unterwegs. Die Marienkäfer suchen ein Winterquartier: Ist die Alte Kirche besonders beliebt bei den «Liebgottchäberli»?

Süss sind sie, die kleinen, kugeligen Marienkäfer. Vor dem roten «Chäber» mit schwarzen Punkten, hat wohl niemand Angst. Verirrt sich einer ins Haus, wird er seit Generationen behutsam wieder nach draussen gebracht. Man weiss, er ist kein Schädling, sondern ein Nützling. Der Marienkäfer ist daher seit jeher bei den Bauern beliebt. Früher glaubte man, die Käfer seien ein Geschenk der «Jungfrau Maria». Deshalb wird er auch im Dialekt «Liebgottchäberli» genannt. Was aber ist mit der roten Farbe passiert? Bei der aktuellen Invasion fällt auf, statt den heimischen roten Zwei-, Vier- und Sieben-Punkt-Käfern sind oft nur noch Gelbe mit 19 Punkten zu sehen. Es sind asiatische Marienkäfer, die auch wegen der Farbe – gelb, orange oder schwarz – den Übernamen «Harlekin» tragen. «Der asiatische Marienkäfer überwintert nicht in Häusern, sondern in der Vegetation», sagt Martin Bolliger vom Naturama. Die einheimischen Marienkäfer hingegen überwintern gerne in Ritzen an Holzwänden der Häuser.

Gottesfürchtig oder Pause eingelegt?
Was hat es nun mit den unzähligen gelben Marienkäfern an der Alten Kirche auf sich? Machen sie ihrem Namen «Liebgottchäberli» Ehre und wollen gar am heiligen Gemäuer überwintern? Die «Asiaten» machen lediglich einen Zwischenstopp an den warmen Mauern, sagt Bolliger, bevor sie ihre Reise in wärmere Regionen Europas fortsetzen oder sich in der freien Natur einen Überwinterungsplatz suchen. Die Marienkäfer-Invasion in Wohlenschwil beobachteten anfangs letzter Woche die Kinder von Jan Stettler auf ihrem Schulweg. Zu Hause erzählten sie von den Käfern: «Papi, wir haben Tausende Marienkäfer am Kirchturm und an der Türe der Alten Kirche gesehen.» Jan Stettler fing wenig später das Spektakel mit der Kamera ein und schickte Bilder an den «Reussbote». Inzwischen sind bereits deutlich weniger Käfer zu sehen. Auf einem späteren Spaziergang legten drei Marienkäfer eine Pause auf der Jacke von Stettler ein. Ob sie von der gleichen Reisegruppe wie die von der Alten Kirche waren, ist nicht zu eruieren. Fallen die Temperaturen unter 12 Grad beginnt für die Marienkäfer die Suche nach einem geeigneten Winterquartier, sie fallen dann in eine Art Winterstarre.

Ausgebüxt aus Treibhäusern
Der asiatische Marienkäfer wurde seit den 1980er-Jahren in Treibhäusern als biologische Bekämpfung gegen Blattläuse eingesetzt. Einige konnten in die freie Natur entweichen. Sie verbreiten sich immer mehr. In vielen Gegenden der Schweiz hat der Käfer bereits viele der über 80 einheimischen Arten verdrängt. Obwohl die Bedrohung durch den asiatischen Marienkäfer erkannt ist, sind sich Experten nicht einig, ob er bekämpft werden soll. Gerade sein Appetit auf Blattläuse und andere weichschalige Insekten macht ihn zu einem Helfer bei der biologischen Schädlingsbekämpfung. Bei genügend grossem Angebot fressen sie bis zu 50 Blattläuse pro Tag und mehrere tausend während ihres gesamten Lebens.

Lorbeer und Lavendel hält sie fern
Krabbelt ein Marienkäfer durch das offene Fenster in eine Wohnung, geschieht das eher zufällig. Meist wird ihr Besuch toleriert. Wen es trotzdem stört, dem empfiehlt Martin Bolliger vom Naturama: «Wer keine Marienkäfer im Haus oder in der Wohnung möchte, kann auf dem Fenstersims Lorbeerblätter, Vanillestangen oder eine Schale mit Lavendelöl aufstellen. Die Glückskäferli mögen diese Gerüche nicht und meiden dann den Ort.»

Debora Gattlen

Ganzer Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar.
Kategorie: 

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Erst mulmig, dann neugierig, schliesslich stolz

Von Zürich nach Nizza in einer Boeing 737 – Erfahrungsbericht aus dem Flugsimulator des ehemaligen Airline-Piloten Felix Staubli

Im Flugsimulator der Familie Staubli darf ich eine Stunde lang Pilotin sein. Die Lämpchen machen mir Sorgen und doch vergeht die Zeit im Flug.

Ein leicht mulmiges Gefühl beschleicht mich, als ich das Dachgeschoss der Familie Staubli in Wohlenschwil betrete. Dort fällt mein Blick auf ein Cockpit, einen wirklichkeitsgetreuen Nachbau einer Boe…