Dieser Bauernhof weicht vier Mehrfamilienhäusern

Di, 13. Okt. 2020

Der Brandhof an der Stetterstrasse wird abgerissen – längst vorbei ist die Zeit, als der Zuchtstier hier noch Kühe beglückte

Der Brandhof an der Stetterstrasse wird schon bald dem Erdboden gleichgemacht. Damit verschwindet auch ein Stück Mellinger Zeitgeschichte. Der Bauernhof muss einer Überbauung mit vier Mehrfamilienhäusern weichen.

Auf einer schmalen Hangparzelle entlang des Ulrichstegs und zwischen Grossmattweg und Stetterstrasse werden in Mellingen demnächst vier Mehrfamilienhäuser mit 20 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 28 Abstellplätzen gebaut. Vorgesehen sind dreizehn 4,5-, vier 3,5- und drei 2,5-Zimmer-Wohnungen. Die oberen drei Gebäude sind zweigeschossig mit Attikageschoss, das unterste an der Stetterstrasse ist dreigeschossig mit Attikageschoss geplant. Die Baukörper sind versetzt und leicht abgedreht zueinander angeordnet. Die begrünten Stützmauern definieren einerseits eine Gartenterrasse für die Erdgeschosswohnungen und andererseits eine Hofzone zwischen den Gebäuden.
Für die neue Überbauung ist eine Anpassung des bestehenden Erschliessungsplans notwendig. Die Teiländerung des Erschliessungsplans ist bereits abgeschlossen und rechtskräftig. Die neue Überbauung wird von der Stetterstrasse her erschlossen. Die Baukosten (ohne Landerwerb) werden mit knapp zehn Millionen Franken ausgewiesen. Bauherr ist das Konsortium Grossmatt. Noch bis 7. November liegt das Baugesuch in der Bauverwaltung Mellingen zur Einsichtnahme auf.

Auf dem Brandhof war der Zuchtstier
Dem Neubau weichen muss der Brandhof. Er ist schon etwas in die Jahre gekommen, der Hof an der Stetterstrasse in Mellingen. Man sieht es ihm an. Hof mit Stall und weiteren Ökonomiegebäuden boten über viele Jahrzehnte hinweg vielen Generationen ein Einkommen. Der Brandhof hat seinen Namen nicht etwa vom nahegelegenen Hügel Brand oder weil dort ein Feuer war. Der Bauernhof wird nach seinem früheren Besitzer genannt. Der Hof hiess sicher seit dem 19. Jahrhundert Brandhof, weil dieses Anwesen von einer Familie Brand bewirtschaftet wurde, schreibt Historiker Rainer Stöckli zu einem Bild im Fotoarchiv Mellingen. Die Familie Brand ist seit 1756 in Mellingen nachweisbar: Ein Jakob Brand wurde damals als Beisasse angenommen, das heisst, er erhielt Wohnrecht in Mellingen. Es spricht einiges dafür, dass auch er schon Landwirtschaft betrieb. Es ist aber kaum anzunehmen, dass dies schon auf diesen Brandhof geschah, denn praktisch alle Ställe und Scheunen befanden sich bis 1800 innerhalb der Stadtmauern, so Stöckli weiter. Mit Leodegar Brand, einem Nachkommen Jakobs, schloss die Gemeinde Mellingen 1846 einen Vertrag ab: Er wurde verpflichtet, gegen eine Entschädigung, einen Zuchtstier zu halten. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts stand der Zuchtstier immer im Brandhof; der damalige Hofbesitzer Josef Brand erhielt um die Jahrhundertwende einen Gemeindebeitrag von 100 Franken. Für die Geissenzucht hielt dieser auch einen Ziegenbock. Die Behörden drangen aber darauf, dass der Stier seine «Pflicht» nur in einem geschlossenen Raum erledige. Zweimal beglückte aber der Zuchtstier eine Kuh ausserhalb des Stalls, weshalb Josef Brand wegen dieser «öffentlichen Züchterei» einen scharfen Verweis von Seiten des Gemeinderats einstecken musste.

Die Ära Peterhans
Im April 1941 übernahm Josef Peterhans den Hof von Emil Brand. Am 1. Januar 1979 ging der Hof an Sohn Franz. 2009 erstellte man gegen Holzrüti zu, einen Siedlungshof mit grossem Ökonomiegebäude und einem Zweifamilienhaus. 2010 wurde das Vieh in den neuen Stallungen untergebracht. Das neue Wohnhaus bezog Familie Peterhans im Jahre 2011. Seither wurde der Wohnteil des Brandhofs vermietet, im Ökonomiebereich waren noch eigene Gerätschaften untergebracht. Auf Ende 2016 verkaufte Franz Peterhans den Brandhof mit 40 Aren Umschwung. Seit 2015 bewirtschaftet Sohn Gregor den neuen Siedlungshof.

Benedikt Nüssli

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