Ihre Nussgipfel sind legendär — es gibt sie noch

Fr, 09. Okt. 2020

Bäckerei Brügger würde heuer das 70-Jahr-Jubiläum feiern. Vor sechs Jahren schloss die Bäckerei mangels Nachfolge ihre Tür

Sie betrieben die Bäckerei Brügger an der Bruggerstrasse mit viel Leidenschaft. Um sich gegen die Konkurrenz abzuheben, hatten die Brüggers einen Hauslieferdienst, einen Take-away für Nachtschwärmer und brieten zwischendurch auch Spanferkel im Brotofen.

Wenn Peter Brügger von den Zeiten als Bäckermeister spricht, ist die Leidenschaft zu seinem Beruf immer noch zu spüren. Darum ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass er zusammen mit seiner Frau Verena Brügger immer noch zweimal in der Woche in der Backstube steht. Nicht an ihrer früheren Wirkungsstätte an der Bruggerstrasse 1 und 3, sondern in der Backstube ihrer Tochter Karin Brügger in Brugg. Sie ist spezialisiert auf fantasievolle Torten. Sie werden auf Kundenwunsch angefertigt. Verena und Peter Brügger gehen ihr dabei zur Hand. So können sie immer noch ihrer Leidenschaft nachgehen und trotzdem zwischendurch ihren Ruhestand geniessen.
Schade finden sie, dass dieses Jahr keine Märkte in Mellingen stattfanden. Dann sind sie jeweils zusammen mit ihrer Tochter vor ihrer ehemaligen Bäckerei mit einem Marktstand dabei. In der ehemaligen Backstube werden die in Brugg hergestellten Backwaren für den Verkauf zwischengelagert. So können sich die Mellinger immer noch an den in der Region bekannten Nussgipfeln und Russenzöpfen der Bäckerei Brügger freuen, die persönliche Bedienung durch Verena und Peter Brügger inklusive.

Nebst Brot auch Spanferkel im Ofen
Der Vater von Peter Brügger kaufte vor 70 Jahren die Bäckerei an der Bruggerstrasse 3. Was er nicht wusste, die Bäckerei wechselte zuvor alle zwei Jahre den Besitzer. Damals gab es in Mellingen noch vier Bäckereien. Um zu überleben, war Innovation gefragt. Gut für die Bäckerei war, als nach dem Krieg die italienischen Gastarbeiter nach Mellingen kamen. Sie arbeiteten unter anderem in Mellinger Gärtnereien. Einige wohnten ebenfalls in der Bruggerstrasse. Sie kauften gerne das Zwei-Kilo-Brot. Mit den Gastarbeitern pflegten die Brüggers ein gutes Verhältnis. Da in der Bäckerei eines der ersten Telefone stand, kamen sie auch zwischendurch, um nach Hause zu telefonieren. Obwohl Vater Brügger selbst nicht auf Rosen gebettet war, streckte er auch schon das Geld für eine Fahrkarte nach Sizilien vor, wenn ein Gastarbeiter zur Olivenernte oder für eine Beerdigung nach Hause fahren musste. Nicht schlecht staunten Vater und Sohn, als sie von einem Italiener gefragt wurden, ob sie nicht für ein Fest im Brotofen ein Spanferkel braten könnten. Auch hier boten die Brüggers Hand. Nach dem Brotbacken, wurde das erste Spanferkel in den Ofen geschoben und während vier Stunden gegart. Und es schmeckte. Es folgten weitere Bestellungen.

Brüggerspezialität: Gusto Bretzeli
Die Bäckerei Brügger brachte kurz nach der Eröffnung eine Spezialität heraus. Die Gusto Bretzeli aus Haferflocken waren in Mellingen und in der Region ein Begriff. Auch Wirte bestellten sie als Snacks. Verpackt wurden sie in eine Plastikfolie, verschweisst auf der warmen Herdplatte. Das Brot wurde, bis Peter und Verena Brügger 1980 die Bäckerei übernahmen, in einem Holzofen gebacken. Das dafür benötigte Holz kam aus der Sagi Mellingen. Die Bretter wurden von Hand in der Bäckerei zersägt. Nach der Übernahme wurde der alte Backofen gegen einen grösseren Ölofen ausgetauscht. Die Brotpalette wurde ständig erweitert. Vor allem dunkle Vollkornbrote waren inzwischen gefragt. Bei der Kundschaft war das Mellingerbrot bekannt. Sie schätzten, dass das Brot lange frisch blieb. Da die Familien kleiner wurden, musste auch die Brotgrösse angepasst werden.
Zwei Jahre nach der Übernahme kauften Peter und Verena Brügger die nebenstehende Liegenschaft an der Bruggerstrasse 1. Im Untergeschoss konnten sie so Backwaren herstellen. Die beiden lernten sich in der Autospenglerei des Vaters von Verena Brügger kennen. Peter Brügger gefiel die junge Tägligerin auf Anhieb. Er machte Nägel mit Köpfen und heiratete sie mit 19 Jahren. «Es war, auch wenn es viele damals meinten, noch «nichts» unterwegs», sagt er. «Der Sohn kam erst zwei Jahre später zur Welt.» Bis zu ihrer Pension wohnten die beiden über der Backstube an der Bruggerstrasse.

Heimlieferservice und Take-away
Um mehr Kunden zu erreichen, bot bereits Vater Brügger einen Heimlieferservice an. Peter Brügger lieferte die bestellten Brote in ganz Mellingen aus. Da es zu jener Zeit noch nicht viele Autos gab, lieferte er zuweilen auch für einen Plattenleger im Oberdorf benötigte Zementsäcke aus.
Als die Heitersbergstrecke 1974 eröffnet wurde, sprang auch die Bäckerei Brügger auf den Zug auf. Für die Arbeiter der Zugstrecke hielten sie Sandwiches im Laden bereit. Das sprach sich herum. Ein Mellinger Nachtschwärmer erinnerte sich zu fortgeschrittener Stunde daran, als die Wirtschaft die Küche bereits geschlossen hatte. Peter Brügger war bereits mit den Vorbereitungen für das Brot zugange, als an die Tür der Backstube geklopft wurde. Die Frage, ob er schnell 15 frische Sandwiches zubereiten könne? Brügger erfüllte den Wunsch. Von da an war bekannt, dass wenn die Küche in der Wirtschaft schloss, es zum Bier beim Brügger noch ein Sandwich gab. Noch mehr begehrt waren die frisch zubereiteten Schnitzelbrote. Die Brüggers stellten dafür eigens eine Fachkraft ein. Der erste Nacht-Take-away von Mellingen war geboren. Nach der Schliessung der Bäckerei übernahm die Bäckerei Häntze diese Dienstleistung.
Im Januar 2014 gingen Verena und Peter Brügger in Pension. Geplant war, dass Sohn Thomas, gelernter Bäcker/Konditor und Tochter Karin Brügger, gelernte Konditorin/Confiseurin, die Bäckerei weiterführen. Da aber in der Mellinger Altstadt immer mehr Läden schlossen und die Grossverteiler neue Filialen erstellten, wurde der Plan aufgegeben. Sohn Thomas wechselte den Beruf. Er arbeitet heute als eidg. dipl. Human Präparator beim Kantonsspital in Aarau. Karin Brügger lebt heute mit ihrer Familie in Brugg und führt dort den Betrieb in kleinerer Form weiter. Sie hat alle Geräte der Bäckerei, ausser dem Ofen, übernommen.

Pétanque und Segeln als Ausgleich
Langweilig wird es Verena und Peter Brügger auch nach der Pensionierung nicht. Seit drei Jahren spielen sie dreimal pro Woche in Tägerig Pétanque. Seit Jahren gingen sie als Ausgleich zu ihrem ausgefüllten Beruf am Wochenende auf dem Hallwilersee segeln. «Es war mir immer wichtig, dass am Wochenende Zeit für die Familie war», sagt Verena Brügger. Jetzt ist das Segelvergnügen nicht mehr nur auf das Wochenende beschränkt, sondern auf das Wetter und auf die Backtage bei der Tochter.
Wer Lust auf die legendären Brügger Nussgipfel, Russenzöpfe, Torten oder Zöpfe hat, kann diese bei Karin Brügger unter Telefon 079 502 08 83 bestellen und liefern lassen.

Debora Gattlen

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