Kein Sparprogramm auf dem Rücken der Jugend

Fr, 30. Okt. 2020

An der einzigen Gemeindeversammlung in diesem Jahr konnten 76 Stimmberechtigte über 14 Traktanden entscheiden

Die Birmenstorfer Gemeindeversammlung hat den Sparanträgen der Exekutive eine Absage erteilt. Dabei fielen teils deutliche Worte. Überraschenderweise haben die Stimmberechtigten sogar die Steuerprozente erhöht. Damit ist die SVP Birmenstorf nicht zufrieden.

Beim Eintritt in die Mehrzweckhalle bot sich den mit Mund-Nasen-Masken ausgerüsteten Birmenstorferinnen und Birmenstorfern ein Bild, dass sie so an einer Gemeindeversammlung sicher noch nie gesehen hatten: Um den Sicherheitsabstand zu gewährleisten, standen alle Stühle einzeln und weit auseinander; ein Absperrband teilte den Saal in verschiedene Zonen. Wenige Minuten vor Beginn waren diese spärlich besetzt. Ab dem dritten Traktandum waren dann alle da – es blieben dennoch weniger, als man es in Birmenstorf sonst gewohnt ist. Die geringe Stimmbeteiligung macht es zudem möglich, gegen die Ergebnisse zu opponieren – eine Möglichkeit, die in diesen Tagen auch von der SVP Birmenstorf geprüft wird. Denn, so deren Präsident Marcel Humbel auf Anfrage: «Wir haben keine Freude über den gestrigen Entscheid der Gemeindeversammlung.»
Damit meint Humbel die Steuererhöhung. Das «Ja» dazu fiel indes überaus deutlich aus. Nur 14 Stimmen wollten dem Gemeinderat folgen. Der Rest genehmigte den Antrag von Marcel Zehnder, den Steuerfuss um vier Punkte auf 98 Prozent zu erhöhen. Zu dieser Entscheidung trug sicherlich auch die transparente Kommunikation von Finanzchef Martin Hofer bei. Die Gemeinde hatte im Vorfeld keinen Hehl daraus gemacht, auf Mehreinnahmen angewiesen zu sein, und das nicht nur angesichts der durch Corona bedingten Steuerausfälle. «Durch die Schulraumerweiterung entstehen jährliche Kosten, die wir nur durch eine Steuererhöhung auffangen können», sagte er, nachdem er sich die Hände desinfizierte und maskiert ans Mikrofon trat. Spätestens 2022 sei eine Erhöhung unumgänglich, so Hofer.

Abos bleiben bezahlt
Das budgetierte Minus von über 250 000 Franken wurde daraufhin mit nur neun Gegenstimmen verabschiedet. Es fällt höher aus als im Büchlein angegeben, weil die Gemeindeversammlung zwei Sparanträge ablehnte. Der ebenfalls maskierte Gemeinderat Fabian Wetter erklärte den Anwesenden zunächst die Argumente, welche dafür sprechen, die Subventionen für Schülerinnen und Schüler zu kürzen. Diese erhalten ihre Jahresabos vollumfänglich bezahlt, wenn der Schulweg mehr als fünf Kilometer beträgt. Dies seit 30 Jahren, so Wetter, auch wenn der Preis für ein solches Abo von 370 auf mittlerweile 603 Franken gestiegen ist. Rund 90 Schülerinnen und Schüler werden unterstützt. Man sei immer sehr kulant gewesen, und das Abo gelte schliesslich auch in den Ferien. Die Gemeinde könnte nun rund 16 000 Franken sparen, wenn sie ihre Zuwendungen um 30 Prozent kürzt. «Diese Reduktion ist angemessen», befand Gemeinderat Wetter.
Um Wortmeldungen aus dem Saal zu ermöglichen, war in jedem Abschnitt ein festes Mikrofon platziert. Rainer Saner nutzte die Möglichkeit als erster und warf dem Gemeinderat vor, «kleinlich» zu sein. Als man diese Subventionen damals beschlossen hatte, sei der Steuerfuss um einiges höher gewesen. Es bestehe darum keine finanzielle Notwendigkeit, bei den Schülerinnen und Schülern zu kürzen, so der Birmenstorfer. Dafür gab es Applaus. Birgit Krüger pflichtete ihm bei. Für die zweifache Mutter macht es Sinn, dass die Gemeinde die Abos weiterhin so unterstützt wie bisher.
Der zweite Sparantrag an diesem Abend betraf ebenfalls die Jugend. Er sei der Meinung, so Wetter, dass die Leistungsvereinbarung mit der Jugendarbeit der Stadt Baden gekündigt werden kann. Es sei möglich, auch ohne die Badener entsprechende Angebote aufzugleisen, mit der Unterstützung des Vereins Tagesstrukturen, der Schulsozialarbeit sowie der Vereine und der Jubla. 50 000 Franken liessen sich so jährlich sparen, rechnete der Gemeinderat vor.
Widerspruch zu diesem Antrag gab es von Thierry Zehnder, der die Jugendarbeit lobte, weil sie die Kinder und Jugendlichen abholt, wo sie sind. «Die machen einen guten Job», sagt er. Marcel Zehnder sieht das auch so. «Die Jugendarbeiterinnen sind sehr professionell und leisten einen wertvollen Beitrag», lautete seine Meinung. Zudem kritisierte Zehnder den Gemeinderat, kein Konzept zu haben, wie diese Leistung zu ersetzen sei. Beide Voten erhielten lauten Applaus.

Rest wurde durchgewunken
Der Grossteil der Traktanden an diesem Abend benötigte indes keine Diskussion. Die Rechnung 2019 wurde ebenso durchgewunken wie Teil 3 der Schulraumerweiterung und die Sanierung des Dachs auf dem Gemeindehaus. Etwas technischer wurde es, als Gemeinderat Urs Rothlin die Sanierung der Flurwege und der Drainagen vorstellte. 744 000 Franken genehmigte die Versammlung für die kommenden vier Jahre, vorbehaltlich des Abzugs der Beiträge von Bund und Kanton, welche etwas mehr als ein Drittel ausmachen. Alle weiteren Traktanden wurden teils einstimmig genehmigt, auch wenn es bei einigen um viel Geld ging. So muss man für die Erarbeitung eines neuen Entwässerungsplans mit 440 000 Franken rechnen.
Einig war sich die Gemeindeversammlung auch bei der Einbürgerung von insgesamt 13 Personen aus acht Ländern. Es gab dazu keine einzige Gegenstimme.

Stefan Böker

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