«Trotz Einschränkungen, offen sein für Neues»

Di, 03. Nov. 2020

Das sagt Edith Saner zur Motivation des Personals im Gesundheitswesen, zu Besuchsverboten in Langzeitinstitutionen und Lachfalten

Grossratspräsidentin Edith Saner hat mit einer zweiten Welle gerechnet. Die Intensität dieser zweiten Welle hat aber auch sie überrascht. Sie setzt strikte auf die Weisungen von Bund und Kanton – und auch auf eine grosse Solidarität.

Edith Saner hat sich an diesem Morgen soeben gegen Grippe impfen lassen. Das tue sie schon seit einigen Jahren, sagt sie, es lohne sich. Vor vielen Jahren hatte sie eine schwere Grippe. Seither gehört die Impfung bei ihr zum Pflichtprogramm. Edith Saner ist Leiterin Bildung und Beratung im Bereich Human Ressources des Kantonsspitals Baden. Seit Anfang dieses Jahres und noch bis Januar 2021 ist die CVP-Politikerin auch Präsidentin des Aargauer Grossen Rates; sie präsidiert den Verwaltungsrat des Alterszentrums am Buechberg in Fislisbach und ist Präsidentin des Verbandes der Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen Kanton Aargau (vaka).

Edith Saner, wie lautet bei den hohen Fallzahlen Ihre Bitte an die Bevölkerung?
Edith Saner: Haltet euch jetzt strikt und ohne Wenn und Aber an die Weisungen des BAG und des Kantons. Wenn wir zusätzliche Neuansteckungen verhindern wollen – und darum geht es – kommen wir nicht umhin, uns selbst und andere zu schützen.

Sie arbeiten im Spital. Mitte Oktober wurden Sie als Grossrätin erfolgreich wieder gewählt und beenden nun Ihr Amtsjahr als Grossratspräsidentin. Wo sehen Sie politischen Handlungsbedarf in dieser Pandemiezeit?
Der Handlungsbedarf ist komplex, vielschichtig und das auf verschiedenen Ebenen. Die ganze Gesundheitsbranche muss mit den grossen Herausforderungen ernstgenommen werden. Je nach Auswirkungen wird es wieder Unterstützung brauchen von Seite Zivilschutz und Militär. Die Vernetzung und Zusammenarbeit unter den Institutionen im Gesundheitswesen hat hohe Priorität. sodass Covid-19-Erkrankte, die Spitalpflege benötigen, aufgenommen werden können. Gleichzeitig müssen wir auch die Wirtschaft, die Bildung, Kultur, Gastrobranche und viele weitere Bereiche im Fokus haben. Die Auswirkungen der zweiten Welle sind nicht abschätzbar.

Was also tun?
Es ist wichtig, die verschiedenen Entwicklungen und Auswirkungen genau zu beobachten. Das Thema wird wohl zu einem Dauertraktandum der politischen Agenda.

Inwiefern beeinflusst Ihre berufliche Tätigkeit Ihr politisches Engagement?
Ich erlebe hautnah, was im Spital und im Gesundheitswesen passiert. Wir sind mit anderen Institutionen in der Gesundheitsbranche vernetzt, mit Spitex, mit Pflegeinstitutionen ... Ich werde von Politikerinnen und Politikern häufig auf meinen Berufsalltag angesprochen. Sie wollen wissen, wie ich die Situation im Spital erlebe, wie schlimm es tatsächlich sei und, was zu tun sei. Meine Erfahrung und mein Wissen gebe ich gerne weiter.

Sie sprechen also mit Nationalrätin Ruth Humbel, genauso wie mit Gemeindepolitikern oder Grossrätinnen?
Ja. Ich bin an diesem Austausch auch selber interessiert.

Wie erleben Sie aktuell die Situation im Kantonsspital?
Der Respekt vor diesen nicht bekannten Auswirkungen ist gross. Einzelne Mitarbeitende wirken müde. Im Frühling wurde hart gearbeitet, die erste Corona-Welle wurde gemeinsam bewältigt. Jetzt stelle ich aber fest, dass sich nicht alle in den Ferien genügend erholen und lösen konnten. Viele fürchten die Ungewissheit dieser zweiten Welle. Wie lange wird sie dauern? Ich glaube, viele ahnen, dass es länger dauern und intensiver sein könnte.

Wie motivieren Sie die Leute?
Das ist eine sehr grosse Herausforderung. Im KSB überlegt sich die Geschäftsleitung sehr gut, wie die Mitarbeitenden zu stützen und zu motivieren sind. Sie will wissen, was in den verschiedenen Bereichen läuft. Es ist sehr wichtig, dass sich die Mitarbeitenden ernstgenommen fühlen und spüren, dass sich die Vorgesetzten auf verschiedenen Ebenen einsetzen. Unterstützung ist nötig, auch Entlastung, Anerkennung und Zuhören.

Die Kantonsärztin Yvonne Hummel will die Quarantäne beim Pflegepersonal aussetzen, wenn akuter Personalmangel besteht?
Wenn wir einen Notstand haben beim Personal – das betrifft alle Bereiche auch die Küche, die Technik, die Reinigung oder die Kindertagesstätte – dann werden wir auf Leute, die positiv getestet sind und keine Symptome haben, zurückgreifen müssen. Vielleicht stellt sich auch die Frage, ob Laien gewisse Arbeiten übernehmen können? Nicht eingesetzt werden aber an Covid-erkrankte Mitarbeitende.

Wurden Sie von dieser zweiten Welle überrascht?
In ihrer Intensität: Ja. Mit einer zweiten Welle habe ich zwar gerechnet, weil nicht mehr alle Regeln eingehalten wurden, zudem spielt sich in der kälteren Jahreszeit das Leben wieder vermehrt in Innenräumen ab. Aber so heftig und landesweit, auch in angrenzenden Ländern, wie etwa in Frankreich oder in Deutschland, habe ich diese zweite Welle nicht erwartet.

Die Fallzahlen bleiben hoch. Werden die verschärften Massnahmen von Bund und Kanton genügen?
Wir müssen abwarten. Masken tragen ist Pflicht und private Anlässe müssen eingeschränkt werden. Dort, denke ich, kam es zu vielen Ansteckungen. Es wird sich zeigen, ob die Massnahmen greifen, ob Neuansteckungen zurückgehen. Ich hoffe es sehr.

Und wenn nicht?
Dann wird der Bundesrat wohl weitere Massnahmen treffen müssen. Aus meiner Sicht wurden jetzt die richtigen Massnahmen getroffen. Letztlich müssen wir in den Spitälern die Covid-Erkrankten auffangen können und somit hat die Eindämmung der Ansteckung höchste Priorität.

Wurde zu lange gewartet?
Ich möchte mich hüten, andere zu kritisieren oder zu meinen, ich wüsste es besser. Ich bin überzeugt, dass Entscheide auf Bundes- und auch auf Kantonsebene auf gut fundierten Grundlagen basieren. Einbezogen werden auch Rückmeldungen oder Befürchtungen aus der Bevölkerung. Bei allen Massnahmen stellt sich die Frage, wann der Zeitpunkt richtig ist, damit diese verstanden, mitgetragen und akzeptiert werden. Solche Entscheide zu treffen, ist sehr schwierig. Ich beneide niemanden darum.

Warum ist es so schwierig?
Es liegt in der Natur des Menschen, Einschränkungen erst dann mitzutragen, wenn sichtbare und spürbare Grenzen erreicht sind.

Wie verhalten Sie sich gegenüber Corona-Skeptikern?
Ich nehme sie durchaus ernst und versuche klar, meine Haltung und Meinung zu vertreten und mit ihnen, wenn möglich, zu diskutieren. Manche interessieren sich und hören zu. Andere wollen ihre vorgefasste Meinung nicht ändern, sodass ich mich im Austausch kurz halte.

Alleinstehende Menschen fürchten jetzt auch die Einsamkeit. Welche Solidarität ist nötig?
Auf kommunaler Ebene wünsche ich mir, dass Gemeinden überlegen, wie Bevölkerung, Vereine und verschiedene Organisationen helfen und Kontakte ermöglichen können. Gute und tragfähige Netzwerke sind wichtig.

Können Privatpersonen helfen?
Auf jeden Fall. Auch die Nachbarschaftshilfe gewinnt zum Beispiel an Bedeutung. Vielleicht lernt man einen Nachbarn oder eine Nachbarin von einer ganz neuen Seite kennen und schätzen.

Die aktuelle Situation dürfte besonders auch für Bewohner in Langzeitinstitutionen sowie für ihre Angehörigen schwer zu ertragen sein?
Im Frühling habe ich erlebt, wie Bewohnerinnen und Bewohner sehr eindrücklich mit der Situation umgegangen sind und die Einschränkungen mitgetragen haben. Sie hatten die restriktiven Massnahmen respektiert. Inakzeptabel wäre für mich, wenn es nun ein erneutes Besuchsverbot gäbe. Das geregelte Besuchsrecht hat gezeigt, dass die Angehörigen sich an die Vorgaben halten und es dadurch nicht zu Ansteckungen gekommen ist.

Wie erleben Sie die Jugendlichen? Auch sie müssen sich einschränken.
Ich habe den Eindruck, die Jugendlichen machen es bis jetzt gut, sie nutzen ihre digitalen Möglichkeiten. Dennoch wird es wichtig bleiben, dass sie sich physisch sehen, halt mit Masken. Umfragen zeigen, dass sie lieber mit Masken in die Schule gehen als erneut Fernunterricht online zu erleben. Ich glaube, sie arrangieren sich mit der Situation und suchen kreative Lösungen. Einschneidend sind mit Bestimmtheit die Massnahmen rund um Ausgang und Freizeitverhalten. Ab Frühjahr wird es hoffentlich wieder anders.

Solidarität ist überall gefordert.
Jede Generation muss helfen. Die Pandemie stellt für jede Altersgruppe eine andere Herausforderung dar. Ich glaube, wir müssen uns gegenseitig verstehen. Was bedeutet diese Zeit für Kinder, Jugendliche, Berufstätige, Seniorinnen und Senioren und für hochbetagte Menschen?

Wie gehen Sie persönlich mit der Situation um? Wie erholen Sie sich?
Ich versuche so positiv wie möglich mit der Situation umzugehen und dort Hilfe zu geben, wo es mir möglich ist. Für meine Erholung ist es wichtig, dass ich im Austausch mit anderen Menschen bin, mich in der Natur aufhalte, aber auch ein feines Essen und ein gutes Glas Wein geniesse.

Zum Schluss: Was wünschen Sie den Menschen im Reusstal?
Ich wünsche mir, dass bei vielen Menschen die Einsicht da ist, dass wir nun die Weisungen von Bund und Kanton einhalten müssen. Und dass wir trotz Einschränkungen offen sind für Neues und uns an kleinen Sachen freuen können. Trotz Schutzmasken sollen wir das Lachen nicht verlernen und bei anderen nie gesehene Lachfalten entdecken.

Heidi Hess

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