In den USA werden heute die Weichen gestellt

Di, 03. Nov. 2020

Interview: Taryn Lillie Hügli leitet ein Tanzstudio in Oberrohrdorf und ist gespannt auf den Ausgang der Wahl

Donald Trump oder Joe Biden? Heute Nacht werden wir erfahren, wer bei den US-Präsidentschaftswahlen die meisten Stimmen bekommt. Im Interview erklärt US-Amerikanerin Taryn Lillie Hügli, warum sie auf einen Sieg der Demokraten hofft.

Sind Sie stolz darauf, Amerikanerin zu sein?
Stolz ist das falsche Wort. Aber mein Herz wird immer für Amerika schlagen. Ich würde auch nie meinen Pass abgeben. Ich habe mich schon vor langer Zeit dazu entschieden, in der Schweiz zu leben und unsere Kinder hier aufwachsen zu sehen. Darum habe ich mich von den politischen Vorgängen in den USA mit Absicht etwas distanziert.

Warum das?
Die USA sind mittlerweile extrem gespalten. Das mit anzusehen tut mir weh. Dabei sind die USA ein so riesiges, schönes und vielfältiges Land, in dem es eine Menge kluger Köpfe gibt – eine Spaltung in Demokraten und Republikaner, in gut oder schlecht, ist unsinnig. Dieses Gegeneinander wird der Realität nicht gerecht.

Macht sich diese Entwicklung auch in Ihrem Bekannten- oder Freundeskreis bemerkbar?
Eine Freundin hat letztens in den Sozialen Medien bekanntgegeben, sie würde ihre Stimme für Donald Trump einwerfen, und es sei ihr auch egal, wenn deswegen Freundschaften in die Brüche gehen. Wieder andere Freundinnen und Freunde sind mit der Black Lives Matter-Bewegung auf die Strasse gegangen und haben gegen Polizeigewalt demonstriert.

Sind Sie selbst auch politisch aktiv?
Wenn ich noch in meinem Heimatland lebte, würde ich mich definitiv stärker engagieren. Aber hier aus der Ferne fühle ich mich machtlos. Allein schon die Briefwahl zu beantragen, ist ein so langwieriger und komplizierter Vorgang, dass es viele Menschen demotiviert. Ausserdem finde ich, dass man da präsent sein muss, wo man lebt. ◆ Wann waren Sie zuletzt in den USA?
Im Februar haben wir meine Eltern besucht, die mittlerweile in Colorado in einem Skiort wohnen. Es waren sehr schöne Ferien, kurz vor dem Lockdown.

Vermissen Sie die USA?
Manchmal vermisse ich die Offenheit und Leichtigkeit der Menschen, oder wenn man so will: die amerikanische Seele.

Hätten Sie jemals gedacht, dass Donald Trump an die Macht kommt?
Nein, als er gegen Hillary Clinton gewonnen hat, war ich überrascht. Obwohl ich wusste, wie sehr sie polarisiert. Ich hätte auch nicht gedacht, dass er eine Chance hat, wiedergewählt zu werden.

Sie glauben, er könnte gewinnen?
Ja. Trump hat einen sehr grossen Rückhalt in den USA. Das wird hierzulande gerne übersehen.

Ist die Berichterstattung deutschsprachiger Medien parteiisch?
Hier wird viel Stimmung gegen Trump gemacht, seine aggressive, primitive Art kritisiert. Dabei schätzt seine Anhängerschaft genau das. Für sie ist Trump ein Leader der für sie kämpft, ohne sich darum zu kümmern, wie das nach aussen wirkt. Einer von ihnen.

Aber er macht ja nicht alles falsch. Beispielsweise die Friedensbemühungen im Nahen Osten, da kam er weiter als seine Vorgänger. Gibt es etwas an Trump das Ihnen gefällt?
Nein. Die USA haben so viele gute Seiten – Trump repräsentiert diese nicht. Mit seinem Verhalten weckt er alles Schlechte in seinen Landsleuten. Ein Präsident sollte rassistisches und sexistisches Verhalten nicht erlauben oder unterstützen.

Warum hat er so grossen Erfolg?
Weil er die Ängste der Menschen ausnutzt, gerade von Menschen, denen eine Perspektive fehlt.

Ich finde sein Verhalten ja so bizarr, dass es teilweise richtig unterhaltsam ist. Wenn er beispielsweise seinen Gegnerinnen und Gegnern Spitznamen gibt wie «Sleepy Joe», «Crazy Nancy», «Shifty Schiff» oder wenn er in Grossbuchstaben irgendeinen Blödsinn twittert. Ist Ihnen Ihr Präsident manchmal peinlich?
Er verhält sich wie ein Macker in der Schule, der andere fertigmacht. Das ist peinlich und lächerlich.

Dann heisst Ihre Antwort Joe Biden?
Eher Kamala Harris. Sie ist eine tolle Frau und ich würde mich freuen, wenn sie Vize-Präsidentin wird. Von Biden bin ich kein grosser Fan. Ich habe damals meine Hoffnung in Barack Obama gesetzt.

Auch seine Wahl haben Sie im Ausland miterlebt?
Ja. Als er gewählt wurde, musste ich weinen, weil es so ein emotionaler, chancenreicher Moment war.

Stefan Böker


Zur Person

Taryn Lillie Hügli wuchs in der Agglomeration von Detroit auf. Ihre Begeisterung für das Tanzen entdeckte sie im Alter von drei Jahren. Mit 16 wechselte sie auf ein Tanzinternat in Lynchburg, Virginia, wo sie ihren Mann Benjamin kennenlernte, der Austauschschüler an der Highschool war. 2006 folgte sie ihm in die Schweiz, 2010 heirateten die beiden. Die Tanzpädagogin, Choreographin und Tänzerin vervollständigte ihre Ausbildung an der Zürich Tanz Theater Schule und der University of Utah. Seit 2018 leitet sie das Tanzstudio «Flow Dance Loft» in Oberrohrdorf. Die Mutter von zwei Kindern spricht nahezu perfekt Mundart. (sb)

Ganzer Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar.

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Stetten - Weg hinter der «Krone»

Ein grosser Teil der Zentrumsüberbauung ist bereits realisiert. Der neue Fussweg hinter dem Restaurant Krone parallel zur Oberdorfstrasse ist öffentlich zugänglich und beleuchtet. Der Gemeinderat bittet die Bevölkerung, den neuen und sicheren Weg zu benützen. (gk)