Viele Ideen, um das Städtli «besser zu machen»

Di, 03. Nov. 2020

Mit dem ersten Plaza-Workshop am Samstag ist die Mitwirkung für die Zentrumsgestaltung in und um das Städtli lanciert

Im Städtli flanieren statt parkieren, nach dem Markt im Strassencafé sitzen oder mit dem Velo ungefährdet auf der Birrfeldstrasse fahren – mit solchen Ideen soll das Städtli «besser gemacht» werden.

Jetzt sind Sie dran», sagte Gemeindeammann Bruno Gretener am Samstagmorgen in der Mehrzweckhalle Kleine Kreuzzelg in Mellingen. Er hatte zuvor auf striktes Einhalten des Schutzkonzeptes verwiesen und darum gebeten, auf enge Kontakte zu verzichten genauso wie auch davon abzusehen, von Tisch zu Tisch zu ziehen. Selbstverständlich für alle war das Tragen von Masken, das Abstand halten und auch regelmässiges Desinfizieren. Alle Teilnehmenden oder «Bessermacher», wie sie die Organisatoren bezeichneten – es waren beim ersten Plaza-Workshop am Morgen an neun Tischen 50 Frauen und Männer – hatten ausserdem ihr persönliches Desinfektionsmittel erhalten. Auf ein coronabedingtes Verschiebedatum wurde verzichtet, weil die Zeit drängt, wenn die Ideen der Bevölkerung ins Gesamtkonzept einfliessen sollen.
An insgesamt drei Workshops können Mellingerinnen und Mellinger bei der Neugestaltung des Zentrums mitwirken. Gretener ermunterte, diese Chance zu nutzen und das Zentrum neu zu denken, weil nach 20-jähriger Leidensgeschichte der Bau der Umfahrung endlich zügig vorangehe.
Einige flankierende Massnahmen sind dennoch gegeben: Die Altstadt soll mit einer Tempobeschränkung 20 zu einer Begegnungszone werden, die Birrfeldstrasse neu eine Gemeindestrasse mit Tempo 30. Maximal 1500 Autos täglich sollen nach Inbetriebnahme der Umfahrung noch auf der Hauptgasse durch die Altstadt fahren dürfen – heute sind es 15 000. Für Lastwagen wird die Durchfahrt ganz verboten. Sonderregelungen gelten für Altstadt-Bewohner und -Zubringer. Hinzu kommt, die flankierenden Massnahmen und Einschränkungen lassen sich nicht ändern, können aber weiter reduziert werden: Wieviele Busse sollen künftig durch die Altstadt fahren? Braucht es ein Parkhaus? Wie soll die Hauptgasse verändert werden? Diesen Spielraum sollten die Teilnehmenden nutzen, regte der Gemeindeammann an.

Strassenbeizen in der Hauptgasse
Und das taten sie, in drei Arbeitsschritten. Zunächst wurden an den einzelnen Tischen auf grossen Ortsplänen «Perlen» gesammelt. Als solche wird zum Beispiel der Kirchplatz erlebt, die Wiese beim Iberg oder das Gartengässli, aber auch der grosse Detailhändler an der Birrfelderstrasse, weil er die Menschen zusammen und nahe ans Zentrum bringt. Beim «Perlen» sammeln kristallisierte sich bald einmal heraus, dass «Perlen» eher in der Städtli-Hälfte Gemeindehaus und Kirche zu finden sind, was bereits auf Entwicklungspotenzial in der anderen Hälfte mit Bibliothek und Hexenturm schliessen lässt.
In einem zweiten Arbeitsschritt entwickelten die Gruppen ihre Vorstellungen für die vier Bereiche «Frei- und Grünräume», «Verkehr und Parkierung», «Gewerbe und Wohnen» sowie das «Zentrum als Lebensraum und Treffpunkt». Es wurde rege diskutiert, Lieblingsplätze wurden weiter entwickelt. Zum Beispiel die Wiese an der Reuss zwischen Alterszentrum und Iberg. Gefallen hatte die Sommerbeiz in den heissen Monaten, ein Flussbad wurde gewünscht mit Feldern für Beachvolleyball – vielleicht könnte ein solches Bad auch auf der gegenüberliegenden Seite der Reuss liegen?
Viel Potenzial sahen alle Gruppen in der Hauptgasse, die als Begegnungszone und als gesellschaftlicher Treffpunkt unbedingt aufgewertet werden muss. Die Vorschläge waren vielseitig: Warum sollten Gastrobetriebe nicht ihre Tische und Stühle auf breitere Trottoirs stellen? Gewünscht wurde aber auch mehr Blumenschmuck am Gemeindehaus oder bei den Toren. Stets stellte sich die Frage, wohin mit den Autos? Ein Parkhaus auf dem Lindenplatz, unterirdisch und darüber ein grosszügiger Park für Jung und Alt, wo auch Pétanque gespielt werden kann? Wären Parkiermöglichkeiten auch im ehemaligen Coop, auf Seite Bahnhofstrasse, denkbar? Sollen die Autos ganz aus der Altstadt raus, zumindest alle Parkplätze? Was bedeutet das für die Altstadtbewohner?

Ein Gemüsemarkt und Spielplätze
Die meisten waren sich einig, dass an der Birrfeld- und an der Lenzburgerstrasse der Langsamverkehr (Fussgänger und Velos) gefördert werden soll. In diesem Gebiet liegt aber laut den Workshop-Teilnehmenden auch viel Potenzial für eine Nutzung durch Gewerbe, durch Wohnen oder auch durch kulturelle Angebote. Ein weiterer Vorschlag lautete, eine Stadthalle am Tägerigerweg, die auch als Markthalle genutzt werden kann – warum auch nicht? Überhaupt der Markt, fast an jedem Tisch wurde er gewünscht. Manche wollen ihn in den Gassen der Altstadt, andere auf dem Lindenplatz – fest steht, viele wünschen sich einen wöchentlichen Gemüsemarkt.
Und dann war da auch Zweitklässler Lennard Hitz, der seine Mutter begleitete und als einziger der Maskenpflicht in der Halle entging. Der jüngste Workshop-Teilnehmer hat durchaus klare Vorstellungen, was es in Mellingens Zentrum braucht: «Coole, neue Spielplätze, zum Beispiel einen Skaterpark oder einen Gartenspielplatz mit Steinen, Holz und Wasser, wo man auch klettern kann.»
Alle diese Vorstellungen für ein neues Zentrum sollten schliesslich in einem Slogan gebündelt werden. Da kamen Werbespots wie: «Ein lebendiger Lebensraum, der ein lebenswertes Zuhause verkörpert», «Attraktiver Ort für Mensch und Gewerbe», «Mellingen die Charmante» mit den Varianten «Städtchen mit Charme» oder «Mellingen – Bijou an der Reuss». Sie zeigen das Potenzial, welches die Mellinger in ihrem Städtli sehen, aber auch ihre Verbundenheit.

Welche Ideen sind mehrheitsfähig?
In einem dritten Arbeitsschritt wurden Akzente gesetzt, die vertieft weiter bearbeitet werden sollen. Die Parkplätze beschäftigen fast alle, mehrmals wurden sie aus der Altstadt verbannt; Strassencafés sollen in grünen Begegnungszonen florieren; der Reussuferweg soll zugänglicher und schöner werden und auch ein Markt entspricht einem grossen Wunsch.
Bruno Gretener freute sich schliesslich über die disziplinierte Arbeit an allen Tischen, über die vielen kreativen Ideen – und ergänzte in seinem Schlusswort augenzwinkernd, einzig der Steuerfuss bereite ihm bei so vielen Einfällen etwas Sorge.
Die Ideen werden nun unter dem Aspekt «Was ist mehrheitsfähig?» gesammelt und dann Schritt für Schritt weiter entwickelt. Der nächste Workshop soll Ende April 2021 stattfinden, ein weiterer ist für den Herbst geplant.

Heidi Hess

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