Engel-Adventsfenster im Kampf gegen Corona

Fr, 18. Dez. 2020

Andrea und Markus Busslinger gestalteten ein besonderes Adventsfenster mit Gedicht und Engeln – ein Mahnruf an alle Menschen

Das Adventsfenster der Familie Busslinger berührt und rüttelt auf. Es erzählt von den Engeln, die tagtäglich den Kampf gegen Covid führen und ihn leider nicht immer gewinnen. Betreut werden diese Patienten auch von Andrea Busslinger. Sie ist Pflegefachfrau im KSB.

Das Gedicht im Adventsfenster hat Andrea Busslinger selbst geschrieben. Es sind Gedanken, die sie im Corona-Jahr aufgeschrieben hat. Es ist ihre Art, das Erlebte als Pflegefachfrau auf der Intermediate Care-Abteilung (IMC) zu verarbeiten. Von den 13 Betten sind sieben zu einer Isolationsstation für Covid-Patienten umfunktioniert worden. Patienten bekommen auf der IMC zwar Sauerstoff, werden aber nicht intubiert. Verschlimmert sich der Zustand, ist entscheidend, ob ein Platz auf der Intensivstation mit einem Beatmungsgerät frei ist und wie der aktuelle Gesundheitszustand eines Patienten ist. Die freie Bettenzahl mit Beatmungsgeräten kann sich stündlich ändern. Genau das ist der Grund, weshalb Andrea Busslinger die Aussage von Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati am 8. Dezember wie eine Ohrfeige traf. Keine Massnahmen für den Kanton, da die Corona-Zahlen seit einem Monat stagnieren. Fakt sei, auch stagnierende Zahlen bedeuten, dass das Pflegepersonal am Limit und am Ende seiner Kräfte ist. Der Verband des Pflegepersonals warnte just vor einem Kollaps des Gesundheitssystems in den nächsten Wochen. Er wandte sich in einem Brief an den Bundesrat. Bundesrat Berset sagt: «Jetzt läuft das Pflegepersonal auf dem Zahnfleisch.»

Pflegepersonal stösst an Grenzen
Oft ist im privaten Bereich zu hören, dass man inzwischen coronamüde sei. Für das Pflegepersonal bedeutet genau dieses Nachlassen, dass sie seit Monaten aussergewöhnliche Leistungen abrufen müssen. Busslinger sagt: «Die meisten Menschen draussen begreifen, dass die Pandemie und die einzelnen Covid-Schicksale schlimm sind. Ich kann versichern: Es ist noch viel schlimmer!» Auf die Abteilung kommen oft Patienten, die vorher topfit waren und trotzdem schwer an Corona erkranken. Manche sterben, weil sie nicht intubiert werden können. Nachdenklich stimmt sie, dass sich Verwandte oft nicht mehr von ihren Liebsten verabschieden können und Patienten alleine sterben. Zusätzlich könne wegen der angespannten Situation das Pflegepersonal nur die nötigsten Massnahmen durchführen, wie das Verabreichen von Medikamenten, Kreislauf- und Atmungsüberwachung und das Zuführen von Sauerstoff. Die Menschen erhalten nicht mehr die Pflege, die sie in Nicht-Covid-Zeiten erhalten. So fehlt auch Zeit, um sich mit den Patienten zu unterhalten und sie psychisch zu unterstützen. «Dies wäre gerade in der Zeit mit der Pandemie wichtig», sagt Busslinger. Sie weiss von Patienten, die nach dem Spitalaufenthalt über Monate an den Folgen der Covid-Erkrankung leiden oder nach einer Intubation gegen psychische Probleme kämpfen. «Viele nehmen die Erkrankung erst ernst, wenn jemand aus dem nahen Umfeld erkrankt. Ich hatte auch Patienten, die es erst glaubten, als sie bei uns auf der Station waren», sagt sie.

Traumberuf – Corona wirft Schatten
Busslinger liebt ihren Beruf. Sie arbeitet seit ihrer Lehre, inzwischen sind es 22 Jahre, als dipl. Pflegefachfrau im KSB. Für sie war Krankenschwester immer ihr Traumberuf. Covid stellt das auf eine harte Probe. «Wäre es immer so, müsste ich mir überlegen zwischendurch ein halbes Jahr auf Distanz zu gehen», sagt sie. Sie hofft, dass viele verantwortungsvoll mit der Situation umgehen und wie sie aushalten, bis ein Impfstoff die Situation eindämmen wird. Kraft für ihre Arbeit holt sie sich in ihrer Freizeit bei ihrer Familie. Trotzdem vermisst auch sie den Alltag ohne Pandemie, zum Beispiel sich mit Freunden treffen, unbeschwert Feste feiern oder beim Turnverein mit den Teamaerobic-Frauen an Wettkämpfen teilnehmen.

KSB motiviert Mitarbeiter
Ihr Arbeitgeber, das KSB, gibt in der Krisensituation alles, um den Angestellten Freude zu bereiten und für neue Motivation zu sorgen. So erhalten die Angestellten zwischendurch Seelennahrung in Form von Zuckerwatte, Pizza, Vitamingetränke oder gar durch einen Zauberer. Wer trotzdem an den Anschlag kommt, kann eine Supervision in Anspruch nehmen. In dieser kann das Erlebte durch Gespräche verarbeitet werden. Busslinger ist froh, dass sie nicht während ihrem ganzen Arbeitspensum Covid-Patienten betreuen muss. Trotzdem ist sie häufig in Schutzkleidung auf der Isolierstation im Einsatz. Es gibt dann nur eine Pause während der Arbeitszeit. Der Gang auf die Toilette und essen oder trinken geht nicht. «Wir sind von der Aussenwelt abgeschnitten», sagt sie. Müssen Medikamente angefordert werden, geht das nicht per Papierweg, sondern nur am Telefon. In ihrem Gedicht beschreibt sie die Situation so: «S’Schaffe i de Isolationskleidig isch blöd. Fluech oder Sääge – ohni gats natürli nöd. Wenn mer wäg de nasse Auge nüt meh gseht, cha me de Schweiss ned abputze, Träne au ned.» Spätestens nach diesen Zeilen, wird wohl jedem bewusst, weshalb in der ersten Welle das Pflegepersonal schweizweit spontan Applaus der Bevölkerung erhielt. Sie schreibt dazu: «En berüehrende Momänt, wo eus vor Freud het brüele la.» Die Dankesbriefe, die von Genesenen an das Pflegepersonal kommen, freuen diese und geben Ansporn weiterzumachen. Wie lange die Kraft noch reicht, ist nicht voraussehbar.

Engel erinnern an Covid-Tote
In ihrem Beruf ist sie es gewohnt Patienten auf dem letzten Weg zu begleiten. Damit kann sie umgehen. Nicht leicht fällt Busslinger, wenn ein Patient, der gegen die Krankheit kämpfen will, den Kampf gegen diese heimtückische Krankheit verliert. «Bei Covid trifft es viele, die noch nicht sterben wollen und es trotz tagelangem Kampf nicht schaffen», sagt sie. An sie erinnern die Engel beim Adventsfenster. Ihr Mann Markus hat es liebevoll dekoriert. Die Familie Busslinger macht jedes zweite Jahr beim Stetter Adventsfenster mit. Wegen Corona konnte nicht wie in den letzten Jahren, das Adventsfenster punkt 18 Uhr mit einem Apréro und einer selbstzubereiteten Gemüsesuppe, eröffnet werden. Die Familie erhielt aber viele SMS und Anrufe für ihr schönes und besinnliches Adventsfenster. Mehrere «Reussbote»-Leser sandten Fotos ein, mit der Bitte um Veröffentlichung. Bleibt zu hoffen, dass das Gedicht von Andrea Busslinger nicht unverhallt bleibt und vielen Mut gibt durchzuhalten, acht aufeinander zu geben und dadurch den Engeln in den Spitälern ein wenig Luft zu verschaffen.

Debora Gattlen

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