«Wir sind an einem Wendepunkt angelangt»

Fr, 29. Jan. 2021

Ein Gespräch mit Gemeindeammann Beat Nietlispach über die Eigenständigkeit der Gemeinde und die Herausforderungen

Tägerig steht in einem Prozess, sagt Gemeindeammann Beat Nietlispach. Wie es weitergeht – ob eigenständig oder zusammen mit einer anderen Gemeinde – dazu sollen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Rahmen einer Befragung äussern.

Der «Reussbote» trifft Beat Nietlispach (54) im Sitzungszimmer des Gemeinderates. Das Gespräch findet selbstverständlich unter Einhaltung der Corona-Schutzbestimmungen statt. Nietlispach interessiert sich zu Beginn über den Geschäftsgang des «Reussbote». Das ist eine der Tugenden des Tägeriger Gemeindeammanns. Er interessiert sich für sein Gegenüber. Egal ob es um die Renovation des Schulhauses geht, um einen IT-Kredit oder um die Finanzen. Nietlispach, der im Beruf bei der Kantonspolizei Zürich arbeitet, möchte über die Materie Bescheid wissen. Nur so kann er sich ein Bild davon machen, über was er nachher entscheiden muss. Und da kommt in nächster Zeit einiges auf die unterste Freiämter Gemeinde zu. Soll sie die Eigenständigkeit behalten oder fusionieren?

Anstoss aus der Bevölkerung
Vor einem Jahr beauftragte Charly Suter den Gemeinderat, sich mit einer Gemeindefusion auseinanderzusetzen. Grund dafür ist die finanzielle Lage der Gemeinde. Sie hat mit 127 Prozent einen der höchsten Steuerfüsse im Kanton. Tägerig erhält neben einem Beitrag aus dem Finanzausgleich zusätzlich Ergänzungsbeiträge. Vorerst bis ins Jahr 2023.
Der Gemeindeammann sagt: «Jetzt ist das Volk gefragt, wir erwarten mit der Bevölkerungsumfrage («Reussbote» vom letzten Dienstag) ein Zeichen in welche Richtung es gehen soll. Fusionieren oder eigenständig bleiben. Hat der Gemeinderat eine Erwartungshaltung bezüglich der Rücklaufquote? «Ja, sicher. Schön wäre es, wenn über 50 Prozent der Fragebogen zurückkommen würden. Ausgefüllt! Liegt der Prozentbereich im einstelligen oder im tiefen zweistelligen Bereich, können wir die ganze Sache abhaken. Dann müssten wir konsterniert feststellen, dass sich die Bevölkerung nicht zu einer möglichen Fusion äussern möchte.» Für den Gemeinderat ist es wichtig, dass er den Puls der Bevölkerung spürt. «Sie sagt, in welche Richtung sich die Gemeinde entwickeln soll.»
Nietlispach sagt zur finanziellen Lage: «Es ist skurril, dass eine Gemeinde wie Tägerig finanziell dermassen Mühe hat, zu bestehen. Alles, was wir eigenständig bewirtschaften, ist tipptopp – Infrastruktur, Verwaltung, Werke. Alles was wir nicht beeinflussen können, belastet unseren Finanzhaushalt enorm.» Der Gemeindeammann mahnt, dass die Lastenumverteilung vor allem die kleineren Gemeinden sehr stark belaste. Er veranschaulicht das an einem Beispiel. Die Einführung der 6. Primarschulklasse hatte für die Gemeinden finanziell grosse Auswirkungen. Viele mussten ein neues Schulhaus bauen.
Der Gemeindeammann macht keinen Hehl daraus, dass er für die Eigenständigkeit ist. Die finanzielle Lage wird sich ab 2026 entspannen. Die grössten Investitionen sind gemacht, es stehen noch die Sanierung des Schulhauses und die Erneuerung der IT an. Die Kredite dazu wurden aber vom Stimmvolk an der Urne abgelehnt. Nietlispach deutet das als Zeichen, dass der Souverän zurzeit keine grösseren Investitionen will.
Hoffnung macht dem Gemeinderat die Baulandreserve im Gebiet Floss- und Stockacher. Dort ist eine Überbauung mit 85 Wohneinheiten in der Pipeline. Allerdings ist gegen den Gestaltungsplan eine Einsprache hängig. Die Angelegenheit liegt seit einem Jahr beim Kanton. Es geht um die Erschliessung über den Grütweg. Dagegen wehren sich die Anwohner. Im günstigsten Fall fahren in einem Jahr die Bagger auf, so Nietlispach. Die Überbauung bringt Tägerig neue Steuerzahler. Ob es Finanzkräftige sein werden, das wird sich dann weisen.
Vorerst ist die Bevölkerung gefragt sich zu äussern. Nietlispach sagt dazu: «Es geht nicht nur um die Finanzen und um einen tieferen Steuerfuss. Eine Fusion hätte weitreichende Folgen: Verlust der Eigenständigkeit und der Identität, weniger Mitspracherecht, Distanz zu Behörden und Verwaltung.

Benedikt Nüssli

Ganzer Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar.
Kategorie: 

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Stetten - Weg hinter der «Krone»

Ein grosser Teil der Zentrumsüberbauung ist bereits realisiert. Der neue Fussweg hinter dem Restaurant Krone parallel zur Oberdorfstrasse ist öffentlich zugänglich und beleuchtet. Der Gemeinderat bittet die Bevölkerung, den neuen und sicheren Weg zu benützen. (gk)