Als die Reuss zu einem langen Eisfeld wurde

Di, 05. Jan. 2021

Rüssgfrörni: 1929 war es so kalt, dass die Reuss zufror. Von diesem «Eis-Märchen» erzählt in den Bremgarter Neujahrsblättern Patrick Zehnder

Grimmig kalt war es vor fast 100 Jahren und die Reuss kam unerwartet zu einer Eisschicht. Kein Wunder wollten alle den vereisten Fluss überqueren.

So viel ist klar, wenn hierzulande ein Fluss zufriert, handelt es sich um eine Ausnahmeerscheinung. Wenn man ausserdem trockenen Fusses von einem Ufer zum anderen gelangen, gar von einem Dorf zum nächsten wandern kann, dann ist das eine Sensation.
Genau das war im Winter vor fast 100 Jahren möglich: «Am Sonntag, 17. Februar 1929 war die Reuss bei Bremgarten so weit zugefroren, dass zahlreiche Personen ungefährdet vom Stauwerk Emaus bis nach Rottenschwil von einem Ufer zum anderen wechseln konnten», schreibt der Historiker Patrick Zehnder in seinem Beitrag «Gute, kalte Zeiten im Horner anno 1929», verfasst für die jüngsten Bremgarter Neujahrsblätter. Messungen hatten damals eine Eisdicke von 60 bis 80 Zentimeter ergeben. Und der «Bremgarter Volksfreund» schreibt dazu am 20. Februar 1929: «Es war wie ein Märchen, dass die Reuss zufrieren könnte. In diesem Winter ist das Ereignis nun eingetreten.» In der Schweiz waren viele Seen zugefroren und nun über weite Strecken also auch die Reuss, wie die nebenstehenden, historischen Fotos zeigen.

Der Winter 1929 war grimmig kalt
Die Wetterlage war im Winter 1929 extrem. Es war grimmig kalt. Stämme von Platanen zerrissen in der Kälte mit einem pistolenähnlichen Knall; bei der Rottenschwiler Brücke schien der Eisgang derart bedrohlich, dass Beobachter um die Brücke fürchteten – einen Meter höher und sie wäre beschädigt worden; Turbinen von Elektrizitätswerken froren ein; die Heizmittel wurden so knapp, dass die Ärmsten eine «Kältebeihilfe» erhielten, um Holz und Kohle kaufen zu können.
Für seine Nachforschungen hat Patrick Zehnder nicht nur das Aargauer und das Brugger Volksblatt, den Bremgarter Volksfreund oder den «Reussbote» aus dem Jahre 1929 durchforstet, er hat auch die Annalen der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt aus dem gleichen Jahr konsultiert. Und aus diesen Annalen geht hervor, dass der kalte Januar und der noch strengere Februar in der Witterungsgeschichte vergleichbare Werte suchen würden. Ein kontinentales Kaltlufthoch mit Kern über Finnland hatte zur aussergewöhnlichen Wetterlage im Februar geführt und in der Schweiz schliesslich die tiefsten Temperaturen zwischen dem 11. und 15. Februar verursacht.

Die Rüssgfrörni – das seltene Glück
Den Menschen im Reusstal verhalf es zum überaus seltenen Glück: Sie erlebten die Rüssgfrörni. Von Windisch bis weit über Mülligen hinauf verwandelte sich die Reuss in ein langes Eisfeld, wurde zum Tummelplatz für Jung und Alt. Der Birmenstorfer Historiker zitiert aus dem Brugger Volksblatt vom 15. Februar 1929: «Jeder wollte das seltene Ereignis, die zugefrorene Reuss überquert zu haben, miterleben. Wenn auch die Festigkeit des Eises noch nicht überall einwandfrei ist, so machte doch die Jugend flussauf- und abwärts ihre kilometerlangen Märsche. Wenn auch ab und zu einer auf einer etwas brüchigen Stelle einen Schuh des kalten Bades herauszog, so liessen sie sich nicht entmutigen.»

Heidi Hess

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