Die Umsatzverluste der Beizer sind enorm

Fr, 22. Jan. 2021

Der «Reussbote» hat nachgefragt – Wirte aus Fislisbach, Mellingen, Stetten und Wohlenschwil nehmen Stellung zur aktuellen Situation

Egal ob etablierter Gastrobetrieb oder brandneue Beiz, egal ob Feinschmeckerlokal, gutbürgerliche Gaststube oder kleine Bar: Die Wirte haben mit der Corona-Krise zu kämpfen und wären froh, wenn Unterstützungsgelder besser heute als morgen fliessen.

Wie der Bundesrat vorige Woche beschlossen hat, müssen Beizen noch über einen Monat lang geschlossen bleiben. Sezivar Rahmani vom Restaurant Pizzeria Krone in Stetten hofft, dass es dabei bleibt: «Wenn wir nicht spätestens am 1. März normal aufmachen dürfen, dann wird die Krone nicht mehr lang überleben können.» Kämpfen muss der Wirt aus Mazedonien indes schon seit dem ersten Lockdown. Danach konnten er und seine Mitarbeitenden zwar mit Unterbrüchen arbeiten. «Die Umstände haben jedoch zu Umsatzeinbussen geführt», sagt er. So gab es wegen den Schutzkonzepte weniger Plätze. Grosse Tafeln für Vereins- oder Familienfeste waren nicht mehr möglich. Auch sonst merkte man, dass die Menschen nicht mehr so gerne ausgingen.
Für sein Personal meldete Rahmani Kurzarbeit an und hat so Kündigungen verhindern können. «Die Auszahlungen», kritisiert er, «treffen allerdings verzögert ein». Hart habe es Mitarbeitende getroffen, die er sonst auf Abruf beschäftigte. Diese mussten zu seinem Bedauern leer ausgehen. «Zuverlässige Mitarbeitende, die seit der Neueröffnung mitgeholfen haben», sagt er. «Das macht mich wirklich traurig.» Sehr schade sei auch, dass die Jubiläumsfeier, die für den 24. Januar geplant war, nun nicht stattfinden kann.

Weniger Bürokratie wäre fein
Was erhofft er sich nun von den bekanntgegebenen Lockerungen in der Härtefall-Regelung? «Dass die Bürokratie abnimmt», sagt er. Bisher sei es nämlich mühsam gewesen, Unterstützung zu beantragen. Ständig habe es neue Anleitungen, Formulare, Vorgehensweisen gegeben – ein schleppender Prozess. Er verstehe, dass die Ämter überfordert seien. «Es ist eine belastende Situation für alle.» Seine Geduld sei langsam am Ende. Das Geld vom Staat sei nötig. «Dennoch nützt es alles nichts, wenn wir nicht bald wieder aufmachen dürfen», stellt der Wirt klar. «Von mir aus auch mit Schutzkonzept, das hat funktioniert. Bei uns gab es keinen einzigen Corona-Fall. Nur keine verkürzten Öffnungszeiten. Diese Massnahme war totaler Schwachsinn.» Neuer Pächter eines Hauses mit Tradition ist auch Deny Zurbuchen. Sein Restaurant Mühli in Wohlenschwil sollte offiziell am 1. Januar neu eröffnen. «Als wir erfahren haben, dass wir das Restaurant gar nicht öffnen können, haben wir versucht, das Beste aus der Situation zu machen», sagt Zurbuchen. Mit Take-away-Angeboten und Lieferservice konnte er einerseits ein wenig Umsatz generieren, andererseits bei den Kundinnen und Kunden im Gespräch bleiben. Sein Team ging sofort in Kurzarbeit. Er erwartet nun, wenigstens ab März wieder «ganz normal arbeiten und ganz normal öffnen zu können».

Auch die Kundschaft ist müde
Der «Mühligade», die von ihm zur Beiz umgebaute Terrasse des beliebten Lokals, hatte bereits seit November letztes Jahr geöffnet. Dort habe er unter Einhaltung der Schutzkonzepte Gäste bedient, solange es möglich war. Dem Wirt entging nicht, wie die Auflagen auch die Kundschaft ermüdeten: «Keiner versteht, warum gerade die Gastronomie so bestraft wird, obwohl wir eine sehr kleine Ansteckungsgefahr haben.» Angesichts der laufenden Kosten ist für Zurbuchen ebenfalls klar: «Für uns heisst es Matthäi am Letzten. Langsam geht das Geld aus. Die Unterstützung muss jetzt kommen.»

Hotelumbau verschoben
Finanziell ein dickeres Polster hat die Familie Schibli, welche das Landhotel Linde in Fislisbach mit angeschlossenem Feinschmecker-Restaurant und eigener Bar führt. «Wir wollten einen Umbau am Hotel machen, den haben wir verschoben», erklärt Felix Schibli einen Grund für die sichere finanzielle Situation. Rund 50 Mitarbeitende beschäftigt die «Linde» normalerweise. Nun sind alle in Kurzarbeit. «Bis jetzt haben wir nur zwei Kündigungen ausgesprochen», sagt er.
Im Restaurant werden seit Ende Dezember Gerichte zum Mitnehmen angeboten. Damit lässt sich aber nur ein winziger Bruchteil des Umsatzes erwirtschaften, sagt Schibli. «Weil meine Schwestern, meine Frau und ich alles selbst machen, ohne Mitarbeitende, nur die Lernenden helfen stundenweise am Wochenende. Anders würde es nicht rentieren.» Dadurch, dass im November und Dezember kein normaler Betrieb möglich war, habe er rund ein Drittel des Jahresumsatzes verloren. «Das sind, mit den ganzen Weihnachtsfeiern und Banketten, die stärksten Monate im Jahr», sagt er.

«Ich kann vieles allein machen»
Am entspanntesten sieht Andi Schweizer von der Bar Harlekin in Mellingen die Situation – wenn die Entschädigungen wie angekündigt ausbezahlt werden. «20 Prozent des Jahresumsatzes deckt ungefähr das, was mir an Umsatz entgeht, weil ich zwei Monate schliessen musste», sagt er. Für ihn als Inhaber einer Bar, in der er vieles allein machen kann, stelle ich die Situation sowieso einfacher dar als für die Inhaber von Restaurants. «Ich habe beispielsweise keine verderblichen Waren. Sobald es wieder möglich ist, kann ich einfach die Türe aufschliessen und loslegen.»
Für ihn nervenzehrender war das ständige Hin und Her mit wechselnden Bestimmungen und Schutzkonzepten über Monate hinweg. Es sei mitunter absurd gewesen, was die Behörden verlangten. Den Betrieb aufrechtzuerhalten, habe vollen Einsatz gefordert. Besonders kritisiert er die Sperrstunde ab 19 Uhr, die in seinem Lokal, das erst um 17 Uhr öffnet, einer Schliessung quasi gleichkommt. «Da ist es jetzt besser. Ich weiss wenigstens, woran ich bin», sagt der Wirt aus Niederrohrdorf. Sein finanzielles Polster sei zudem nicht gross. Er mache seinen Verdienst aus dem Umsatz. Von daher setzt er ebenfalls auf schnelle, unbürokratische Hilfe – und darauf, ab März wieder selbst hinter dem Tresen stehen zu dürfen.

Stefan Böker

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