Er hat schon rund um den Globus gekickt

Di, 19. Jan. 2021

Der Tessiner Sportjournalist Giorgio Keller (63) ist der Gründer des FC Rohrdorferberg

Giorgio Keller ist ein Rastloser. Als Sportjournalist ist er seit mehr als 40 Jahren rund um den Globus unterwegs. Keller ist in Oberrohrdorf sesshaft geworden. Weil es hier keinen Fussballclub gab, hat er selbst einen gegründet – den FC Oberrohrdorf, den er sozusagen in Eigenregie führt.

Wir sind uns 1977 in den Redaktionsräumen der damaligen Tageszeitung «Die TAT» am Limmatplatz in Zürich zum erstenmal begegnet. Letzte Woche kam es im tief verschneiten Oberrohrdorf zum Wiedersehen. Wie das nach so langer Zeit so ist: Beide sind wir inzwischen angegraut. Aber die Liebe zum Journalismus ist geblieben. Es gab denn auch viel zu erzählen. Denn unsere Wege haben sich seither nicht mehr gekreuzt.
Giorgio Keller war als junger Tessiner nach Zürich gekommen, um hier sein Glück zu suchen. Anfänglich schlug er sich als Übersetzer durch und bot den grossen Zeitungen Motorsportartikel an. Schon als 16-Jähriger hat er für lokale Zeitungen im Tessin Sportbeiträge verfasst. Motorsport war seine Domäne. Aber der Markt in der Südschweiz ist klein. Deshalb zog es Keller über den Gotthard in die grosse Stadt. Und hier fasste er Fuss, setzte sich durch und wurde selbst zu einer Grösse im Sportjournalismus. Im Sommer war er auf den Autorennstrecken unterwegs, fotografierte alle grossen Namen der damaligen Formel 1. Im Winter zog Keller mit dem Skizirkus von einem Weltcuprennen zum nächsten. Als einzigem Fotografen der Schweiz ist es Keller gelungen ein Titelbild auf der renommierten Zeitschrift «Newsweek» zu publizieren. Neben den Printmedien war Giorgio Keller auch für Radio und Fernsehen tätig. Er war als Spielerberater im Fussball unterwegs und betrieb eine eigene Sport-Managementagentur.
Keller hat die ganz grosse Zeit des Schweizer Skirennsports begleitet, hat Pirmin Zurbriggen, Peter Müller, Doris De Agostini, Michela Figini und Maria Walliser porträtiert. 25 Jahre lang baute er ein einzigartiges Archiv auf, das er dem Skiverband vermachte. Der aber hat das geschichtsträchtige Material irgendwie und irgendwo verloren.
Vor zwei Jahren publizierte Keller ein Buch über alle Tessiner Autorennfahrer, die in den vergangenen 111 Jahren je einen Grand-Prix gefahren sind. Ein kiloschwerer Schinken mit Anekdoten und längst vergessenen Fotos von 40 Fahrern. Keller hat wieder mal Geschichte geschrieben. Nicht zum ersten Mal. 2007 hat er ein Buch über die Schweizer Alpenpässe verfasst. Darin porträtiert er 137 Schweizer Alpenübergänge. Ein Klassiker.

Spiele gegen die schlechteste Nationalmannschaft der Welt
Auch im Fussball hat er Akzente gesetzt, wie wohl kaum einer vor ihm. Oder wer hat schon gegen das Nationalteam von Montserrat, Gibraltar oder den Vatikan gespielt? Giorgio Keller hat nicht nur gespielt, er hat diese Spiele auch organisiert und damit für weltweites Aufsehen gesorgt. Montserrat in der Karibik war 2002 das weltweit letztklassierte Nationalteam in der FIFA-Rangliste. Bhutan lag auf dem vorletzten Platz. Ein holländischer Filmemacher, der ein Spiel zwischen den beiden Teams organisierte (Montserrat verlor 0:3) inspirierte Keller, mit einer Plauschmannschaft selbst einmal gegen diese Teams anzutreten. Also schrieb er kurzerhand die beiden Fussballverbände an – und erhielt prompt Antworten. Keller spielte damals beim «SV Vollmond», einer Zürcher Plauschmannschaft, die natürlich von ihm initiiert worden war. Kellers «Fussballpiraten» trugen 2003 in der Karibik zwei Spiele aus. Sie verloren 1:2 und 2:6. Das zweite Spiel sei nur deshalb so deutlich ausgefallen, weil die Insulaner kurzfristig Verstärkung aus England eingeflogen hätten. Übrigens das Spiel mit Bhutan hat noch nicht stattgefunden. Dafür jenes gegen die Nationalmannschaft des Vatikans. Damals war Josef Ratzinger Papst. Kellers «Aficionados» schlugen sich ehrenvoll, verloren mit 2:6. Sie trugen alle die gleiche Rückennummer: «Ratzinger 16».
Wegen der Pandemie ruht das Sportgeschehen auch beim FC Rohrdorferberg, den Giorgio Keller praktisch im Alleingang führt. Das Motto lautet «Fussball für Jedermann», Frauen und Männer, Alter egal. Viel zu tun gebe es nicht, sagt er. Zudem werde er von Stephan Uhlig, einem Mann der ersten Stunden unterstützt. Rund zwei Dutzend Plauschkicker/-innen machen mit. Gespielt wird jeweils dienstags ab 19.45 Uhr beim Schulhaus Rüsler auf der Sportwiese. Wenn es regnet geht es in die Halle.

Erneutes Abenteuer auf Montserrat
Wenn schon kein Fussball möglich ist, dann tüftelt Keller an neuen exotischen Fussballreisen. Für ihn steht bereits fest, dass 2023 eine Erinnerungstour nach Montserrat (liegt neben Antigua) stattfinden soll. Allerdings braucht er dazu mindestens 20 Leute, die mitspielen wollen. Wir bleiben dran.

Beat Gomes

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