Phil Wendel mischt jetzt auch im Bobsport mit

Fr, 15. Jan. 2021

Bobsport: Im Sommer lebt er im Wohnwagen und im Winter rast der 44-Jährige noch immer mit dem Skeleton die Eiskanäle runter

«Skeletonis» sind eine besondere Spezies in der Sportwelt. Sie rasen mit ihren Schlitten mit 145 km/h bäuchlings Eiskanäle runter. Philippe Wendel ist mit 44 Lenzen der «Paradiesvogel» unter ihnen. Noch vor einem Jahr holte er sich Bronze beim Engadiner Grand Prix. Nun mischt der Mellinger auch im Bobsport mit.

Philippe Wendel nennt sich selbst Phil. Das kommt davon, dass er einst auf einer Weltreise in der kanadischen Olympiastadt Calgary hängengeblieben ist. Das war vor rund 20 Jahren. Dort machte der junge Abenteurer aus Mellingen Bekanntschaft mit der eigens für die Olympischen Spiele in Calgary (1988) gebauten Bob- und Rodelbahn. Die Bobbahn gibt es mittlerweile nicht mehr. Wendel aber brettert noch immer die Eiskanäle dieser Welt hinunter. Nicht mehr ganz so verbissen wie auch schon, aber immer noch schön schnell. Zumindest bis zum ersten Lockdown. Noch im Januar letzten Jahres nahm er, wie jeden Winter, am Engadiner Grand Prix teil, der aus sechs bis acht Rennen besteht. Viermal hat er die Serie schon gewonnen. Letztes Jahr reichte es immerhin noch für Bronze.

Wendel lebt auf dem Campingplatz
Phil Wendel ist ein Rastloser. Einer, der die Normen sprengt. Im Sommer lebt er auf dem Campingplatz in Sulz. Im Winter zieht es ihn in die Berge und auf die Bobbahnen dieser Welt. Auch diesen Sommer hielt er sich mit verschiedenen Jobs über Wasser und sparte das nötige Geld für den Winter. Ihn zu finden ist nicht immer leicht. Dank Whatsapp fanden wir ihn letzte Woche in Lettland. Auch dort gibt es eine Bob- und Rodelbahn. Wegen Corona ist es auch für Wendel nicht einfach, seiner Leidenschaft zu frönen. Deswegen Trübsal zu blasen kommt dem Frohgemuten nicht in den Sinn. Das Leben ist ein Spiel. Und das spielt Wendel, wenn immer möglich, nach seinen eigenen Regeln. Nach seiner Jungfernfahrt in Calgary startete er vor 20 Jahren erstmals in St. Moritz an der Skeleton Schweizer Meisterschaft. Die Bobbahn dort ist weltweit die älteste und mittlerweile einzige Natureisbahn auf der grosse Meisterschaften gefahren werden. Sie ist nicht leicht zu fahren, weil sie jedes Jahr etwas anders beschaffen ist. Für den Neuling war das damals eine besondere Mutprobe. Er erinnert sich: «Ich fragte einen einheimischen Fahrer, auf was man besonders acht geben müsse. Der sagte mir, schau dir den ‹Horseshoe› genau an».

Abenteuer «Horseshoe»
«Wenn du den schaffst, dann kommst du auch heil unten an». Horseshoe deshalb, weil es sich um eine langgezogen hufeisenförmige Hochgeschwindigkeitskurve handelt. Eine Viertelstunde vor seinem ersten Lauf sei er zu Fuss die Bahn entlang gelaufen, um sich den besagten «Horseshoe» anzuschauen. Und dann stürzte er sich in die Eisrinne, um mit nahezu 145 km/h zu Tale zu blochen. Das Erlebnis hat Wendel geprägt und nicht mehr losgelassen. Wie oft er mittlerweile schon einen solchen Eiskanal runtergedonnert ist, weiss er nicht. «Ich habe es nicht gezählt.» Auf die Frage, ob er denn schon damals einen Helm getragen habe, sagt er: «Sicher, sonst hätte es ja kalte Ohren gegeben.» Er habe einen Helm mit Visier getragen, damit die Augenlider bei der Fahrt nicht festfrieren konnten.

Wendel der Wanderredner
Wendel gehört dem «Bob Club Svizzera Italiana» (BCSI) an. Dort sorgt er sich als Athletenvertreter um junge Bobtalente. Eines davon ist Cédric Follador, ein 26-jähriges Talent aus Bever im Engadin. Follador hat sich soeben im Zweier- und Viererbob für die Junioren-WM qualifiziert, die vom 22. bis 24. Januar in St. Moritz über die Bühne gehen soll (so Corona das überhaupt zulässt). Qualifiziert hat sich Follador mit seinem Team kürzlich mit einem überraschenden 7. Rang beim Europacup in Altenberg (Deutschland). Phil Wendel versteht sich als Wanderredner, der potenzielle Sponsoren dazu animieren will, sich für den notleidenden Schweizer Bobsport zu engagieren.

Wendel sucht Bobsport-Sponsoren
Die Schweiz gehörte noch vor wenigen Jahren zur absoluten Weltklasse im Bobsport. Lang, lang ist’s her als ein Gustav Weder oder Erich Schärer an Welt- und Europameisterschaften und Olympischen Spielen Medaillen in Serie hamsterten. Bobsport ist teuer. Deshalb engagiert sich Phil Wendel für die jungen Athleten im (BCSI). Allerdings spielt ihm Corona bei der Suche nach Sponsoren heftige Streiche. «Es ist nicht einfach, in diesen speziellen Zeiten Geldgeber für den Bobsport zu finden», sagt er, lässt sich aber nicht entmutigen. Und er macht sogleich Werbung. «Für Sponsoren ist der Bobsport ein interessantes Investment. Nicht nur wegen der Werbung. Auch weil man in der Bobszene interessante Leute für sein Netzwerk findet.» Gerne würde er Interessierte persönlich dafür begeistern. Wendel ist davon überzeugt, dass es Follador bei entsprechender finanzieller Unterstützung bis an die Weltspitze schaffen kann. «Er ist ein augezeichneter Fahrer. Wenn er von seinen Hinterleuten den nötigen Schub erhält, dann wird er es schaffen. Aber gute Hinterleute schieben nicht gratis an. Follador hat Talent, und den Willen sich für den Bobsport zu zerreissen – den hat er auch.»

Wie man Sponsor wird
So übernehmen wir Wendels Bitte und veröffentlichen hier die Koordinaten für jene, für die allenfalls ein solches Sponsoring in Frage kommt. Interessierte melden sich bei Moreno Betti, dem Sportchef des Bob Club Svizzera Italiana. Seine Mobilenummer: 079 585 91 16. Denn Phil Wendel ist irgendwo auf der Welt unterwegs.

Beat Gomes

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