Die Nadel im Heuhaufen

Di, 02. Feb. 2021

ch war auf dem Weg zum Bäcker und sah den älteren Herrn schon von Weitem. Er trug eine rote Jacke, kam mir auf dem Feldweg entgegen und machte mit einem langen Gegenstand Wischbewegungen am Boden. Aha, ein Blindenstock, deshalb der langsame Gang, dachte ich. Respekt vor dem Sehbehinderten, der da ganz alleine spazierte!
Beim Näherkommen sah ich, dass sein Werkzeug kein Blindenstock war. Zum Glück, der Mann war nicht blind, da konnte ich einen Spruch riskieren: «Suchen Sie Gold?» «Hä, wie bitte?», war seine Antwort. «Exgüsi, war nicht ganz ernst gemeint. Suchen Sie Gold?» «Nein, mein Hörgerät, hab es auf dem Spaziergang verloren. Nun habe ich einen Metalldetektor gemietet, laufe meinen Weg nochmals ab und suche. Habe noch mindestens einen Kilometer vor mir!» Oh, dachte ich, das ist eine ernste Sache, blöde Sprüche sind nicht gefragt – und wünschte ihm viel Glück bei der Fahndung nach seinem winzigen Hörgerät.
Eine halbe Stunde später, auf dem Rückweg vom Bäcker, holte ich den Mann mit der roten Jacke wieder ein. Er war keine 300 Meter weiter gekommen und wischte in gebückter Haltung nach wie vor Zentimeter für Zentimeter mit seinem Detektor den Boden. «Noch nichts gefunden?», wollte ich diesmal von ihm wissen. Es brauchte nicht einmal seinen verwunderten Blick, ich sah sofort ein, welch stupide Frage ich gestellt hatte.

Ich machte so schnell wie möglich auf Ablenkung und fragte, ob es denn keine Versicherung für Hörgeräteverluste gebe.
«Wie bitte?» Ich wiederholte meine Frage lauter. «Doch, die gibt es. Aber sie übernimmt nur etwa die Hälfte des Verlustes. Das heisst, ich würde rund 2000 Franken selber bezahlen. Da suche ich lieber weiter, ich habe ja viel Zeit!» Ein weiteres Mal, diesmal genügend laut, wünschte ich ihm Glück beim Suchen und verabschiedete mich.
Ob er bei seiner Suche fündig geworden ist? Genau das würde mich auch interessieren.

Jean

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