Setzt sich der Gemeinderat über den Souverän hinweg?

Di, 09. Mär. 2021

Die Gemeindeversammlung bestimmte im November 2017, wieviel Wohnen in der Arbeitszone möglich ist

Seit dreieinhalb Jahren wartet Mellingen auf die Umsetzung eines Beschlusses der Gemeindeversammlung aus dem Jahre 2017. Es geht um den Paragrafen 13 der Bauund Nutzungsordnung, welcher den möglichen Wohnanteil in der Arbeitszone regelt.

An der Gemeindeversammlung vom 21. November 2017 wurde der Antrag eines Stimmbürgers, wonach in besagter Arbeitszone 2/3 Gewerbe und 1/3 Wohnen möglich sein soll, mit deutlicher Mehrheit angenommen. Der Gemeinderat ist daran, eine Vorlage auszuarbeiten, welche den Wohnanteil nicht wie von der Gemeindeversammlung bestimmt mit 33 Prozent festlegt, sondern diesen auf 5 Prozent beschränken will. Diese Haltung erstaunt umso mehr, als der Gemeinderat bereits mehrmals mit diesem Paragrafen Schiffbruch erlitten hat. Hierzu ein kleiner Rückblick auf die bisherige Entwicklung.
Unter der alten BNO 2009 hat sich eine Praxis entwickelt, wonach ein Wohnanteil in der entsprechenden Zone von bis zu 33 Prozent bewilligt wurde. In den Jahren 2013 bis 2015 erarbeitete die Gemeinde Mellingen eine Gesamtrevision der BNO. Diese wurde an der Gemeindeversammlung vom 20. September 2016 genehmigt, jedoch mit Ausnahme der Bestimmung des Paragrafen 13: Eine Beschränkung des Wohnanteils in der Arbeitszone 1 auf Wohnungen für lediglich standortgebundene Betriebsangehörige wollte der Souverän nicht. Daraufhin erarbeiteten die Experten der Gemeinde Mellingen einen neuen Antrag zu Handen der Gemeindeversammlung vom 21. November 2017. Neu beantragte der Gemeinderat jedoch eine noch grössere Einschränkung, indem lediglich eine Wohnung pro Betrieb zulässig sei. Nicht überraschend lehnte der Souverän auch dies ab. Schliesslich stellte der Gewerbetreibende Urs Imboden den Antrag, dass in der Arbeitszone 1 eine Mischung von 2/3 Gewerbefläche und 1/3 Wohnfläche zulässig sei. Dies wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Wer nun gedacht hat, dass nach diesen beiden Ablehnungen die Formulierung des Paragrafen 13 zügig im Sinne des Volksbeschlusses umgesetzt werde, sah sich eines Besseren belehrt. Denn es kam noch schlimmer.

Asylunterkunft in der Arbeitszone
Im Oktober 2016 hatte der Kanton die Gemeinde Mellingen vor vollendete Tatsachen gestellt, indem er im ehemaligen Werkhof an der Gheidstrasse (Arbeitszone 1) eine Asylunterkunft für bis zu 70 Asylsuchende einrichten wollte, und dies ohne Baugesuch, was wiederum die Gemeinde Mellingen verständlicherweise verärgerte. Schliesslich einigte man sich, dass ein nachträgliches Baugesuch für das Wohnen von 40 Asylsuchenden eingereicht werde. Die Gemeinde Mellingen hat dann dieses Baugesuch bewilligt, wobei der Wohnanteil im Verhältnis zu den Gewerbeflächen bei über 33 Prozent gelegen haben dürfte. Gegen diesen Wohnnutzanteil ging eine Einsprache ein, welche jedoch von der Rechtsabteilung des kantonalen Baudepartementes abgewiesen wurde. In der damaligen Medienmitteilung der Gemeinde Mellingen hielt diese fest, dass die Gemeinde gemäss aktuell gültigen Vorschriften ein grosses Ermessen bezüglich Höhe des Wohnanteils in der Arbeitszone 1 habe.

Einspruch vor Gericht
Damit gab sich der Einsprecher jedoch nicht geschlagen und zog den Fall weiter ans Verwaltungsgericht. Und dieses gab ihm recht, weil sich die Gemeinde Mellingen auf die aktuelle BNO stützte, bei welcher die Entwicklung im Zusammenhang mit Paragraf 13 nicht korrekt umgesetzt worden war. Nach der zweimaligen Ablehnung des Paragrafen 13 hielt die neue BNO fest, dass die Bestimmung über die Wohnnutzung in der Arbeitszone 1 gemäss der alten BNO 2009 gültig bleibe. Nur übersahen sowohl der Gemeinderat, die beigezogenen Planungsexperten als auch die Juristen des Kantons, was Paragraf 59 der neuen BNO aussagt, nämlich dass die gesamte alte BNO 2009 ohne Vorbehalte aufgehoben ist. Somit konnte sich die Gemeinde bei Paragraf 13 nicht mehr auf die Formulierung der alten BNO 2009 beziehen. Dieser Umsetzungsfehler der Gemeinde führte schliesslich dazu, dass das Verwaltungsgericht die Einsprache gutheissen musste.
Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung erstaunt es heute doch sehr, dass der Gemeinderat nicht dem Willen und dem Auftrag des Souveräns folgen will. Der Antrag Imboden mit einem Wohnanteil von 1/3 in der Arbeitszone 1 wurde mit grosser Mehrheit angenommen, und der klar formulierte Auftrag lässt keinen Interpretationsspielraum zu.
Auch der Kanton Aargau kann kaum ein Veto gegen einen Wohnanteil von einem Drittel einlegen, würde er sich doch sowohl unglaubwürdig als auch unmoralisch verhalten: Wenn es ihm nützt – wie bei der geplanten Asylunterkunft – ist ihm ein hoher Wohnanteil genehm. Wenn es ihm nichts bringt, versteckt er sich hinter vermeintlich hehren Grundsätzen, die oftmals gar nicht so sind, wie glaubhaft gemacht wird. So besagt beispielsweise das Bundesgesetz über die Raumplanung, dass die Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten sind und ihre Ausdehnung zu begrenzen ist. Weiter sollen gemäss Raumplanungsgesetz Wohnund Arbeitsgebiete einander zweckmässig zugeordnet sein, wobei dieser Grundsatz keine strikte Trennung von Wohn- und Arbeitsgebieten bezweckt – eine Durchmischung ist also durchaus erwünscht (mit Ausnahme bei stark störenden Immissionen).
Wenn nun der Gemeinderat tatsächlich mit einer erheblichen Wohnanteil-Beschränkung von maximal 5 Prozent für die Arbeitszone 1 aufwartet, so darf er sich nicht wundern, wenn sein Antrag zum dritten Mal vom Volk verworfen wird. Der Auftrag des Souveräns gemäss Gemeindeversammlungsbeschluss vom 21. November 2017 ist jedenfalls unmissverständlich formuliert. In der Privatwirtschaft würde wohl ein Nichtbefolgen von klar erteilten Aufträgen entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen. Man darf gespannt sein, welchen Umsetzungsvorschlag der Gemeinderat auflegen wird.

Benedikt Nüssli

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