War die Fällung astrein oder nicht?

Fr, 26. Mär. 2021

Einwohnerinnen und Einwohner kritisieren, dass Bäume in einer Schutzzone gefällt wurden

In der sogenannten «Grünzone» dürfen Bäume nicht einfach so abgeholzt werden. Wie kam es dann dazu, dass zwei Grundbesitzer an der Foregass dennoch die Motorsäge herausholen durften? Und dabei sogar noch Unterstützung von der Gemeinde bekamen?

So richtig zusammen passt in dieser Geschichte nicht viel. Dieser Eindruck entsteht jedenfalls und der Verdacht erhärtet sich bei jedem neuen Detail, das ans Licht kommt. Zusammengefügt erzählen die Einzelheiten von einer skurrilen Abholz-Aktion. In den Hauptrollen: Eine aufmerksame Einwohnerin, der Gemeinderat und betuchte Grundbesitzer. Ein kleiner Baum-Krimi, der, das darf man gleich vorweg nehmen, nun doch noch zu einem Happy End kommen könnte. Zwar möchte sich keiner der Beteiligten eingestehen, dass da etwas dumm gelaufen ist, dass möglicherweise sogar Fehler gemacht wurden. Hinter den Kulissen wird dennoch daran gearbeitet, einen erneuten Schlamassel wie diesen künftig zu vermeiden.

Was war passiert?
Die Foregass führt als reguläre, mit Wohnhäusern gesäumte Strasse den Berg hinauf Richtung Wald, bis sie nach etwa 750 Metern zur Gasse wird im wörtlichen Sinn, zum Fuss- und Wanderweg. Eng, holprig, verwittert und eingewachsen erstrecken sich ihre letzten Meter bis zur Sennhofstrasse, die dann weiter bis zum gleichnamigen Weiler führt. Kinder, die dort wohnen, gehen durch diese Gasse zur Schule hinunter nach Remetschwil. Bei der Bevölkerung, bei Hündelern und Spaziergängerinnen ist der Weg beliebt. Es ist ein Flecken, der auffällt mit seinem ungezügelten Charme, und so in unseren sterilen Wohngegenden selten anzutreffen ist. Ein Paradies für Pflanzen, Tiere und Insekten. Ein Bijou für naturliebende Menschen. Für Architekten weniger.
Denn, dass die Foregass so besonders ist, hat einen Grund: Sie ist mit einer sogenannten «Grünzone» überlagert. Mehrere Meter rechts und links der Gasse gehören zu dieser Landschaftsschutzzone. Hier herrscht Bauverbot. Bauherren werden in dieser Zone nie das Maximale der Ausnutzung herausholen können – und sind sogar noch in der Pflicht, sich um die Natur zu kümmern. «Der Bestand an Bäumen, Sträuchern und Gebüschen ist geschützt und zu pflegen», so steht es im Gesetz. So wie es an der Foregass aussieht, wurden die Flecken, die für die Grünzone abgezwackt wurden, in den vergangenen Jahren mehr oder weniger sich selbst überlassen. Im ökologischen Sinn ja die beste Pflege.
Bis Ronald Rohner vor zwei Jahren kam und weniger Berührungsängste mit wilder Natur zeigte. Der neue Besitzer der Villa am rechten oberen Ende der Foregass sagt, er habe sich bewusst auch wegen der Grünzone zum Kauf entschieden. «So kann schon kein Nachbar nahe heran bauen», nennt er einen Vorteil. Zuvor stand die Villa jahrelang leer. Mehrere Architekten haben sich die Köpfe zerbrochen, wie man den Bau abreissen und gewinnbringend Terrassenwohnungen hinstellen könnte. Sie wurden von der Grünzone abgeschreckt, Rohner hat sie angelockt.

Bäume sollten kein Risiko werden
Sein Gärtner habe ihn darauf hingewiesen, dass mehrere Bäume ein Sicherheitsrisiko darstellen. Das habe ihm zusätzlich ein Baumpfleger bestätigt. «Bei der Gemeinde haben wir dann beantragt, die Bäume fällen zu dürfen», erklärt der Unternehmer. «Gemeindearbeiter haben sogar geholfen, indem sie die Strasse abgesperrt haben.» Wieviele Bäume er Anfang 2020 fällen liess, weiss er gar nicht mehr so genau. Ein Dutzend wohl. Rund 30 000 Franken habe er sich die Aktion kosten lassen. Auf seine Nachbarin vis-à-vis schien die entschlossene Tat Eindruck gemacht zu haben: Sie nutzte die Gunst der Stunde und liess flugs ebenfalls einige Bäume entfernen. Auch ihr Argument: die Sicherheit.
Ellen Schuler andererseits war erst schockiert, als sie die Baumstümpfe bei einem Spaziergang entdeckte. Dann fuchsteufelswild. Für sie steht der Sinn einer Grünzone ausser Frage. Es gehe darum, Bäume leben zu lassen, so lange es geht. Sie selbst befasst sich schon länger mit Remetschwiler Baurecht: Die Familie wohnt seit 40 Jahren im Ort, ihr Mann Werner war insgesamt 22 Jahre in der Baukommission, davon mehrere Legislaturen deren Präsident. «Da bekommt man einiges mit», sagt sie. In einem Leserbrief in der «Berg-Post» machte sie ihrem Ärger Luft. «Die abgeholzten Bäume waren kerngesund», schrieb sie erbost. Zudem kritisiert sie die in ihren Augen lächerliche Aufforstung. Um eine solche zu erkennen, brauche es schon viel Fantasie. Edelkastanien seien die falsche Baumart für diesen Ort, eines der vier Bäumchen bereits eingegangen.

Beschwerde beim Gemeinderat
Ellen Schuler, die vielfach von anderen Menschen aus dem Dorf auf die Foregass angesprochen wurde, hatte den Fall zuvor schon beim Gemeinderat angezeigt. So ein Verhalten wie das der angeklagten Baumfäller müsste ihrer Meinung nach eine saftige Busse nach sich ziehen und die Besitzer müssten verpflichtet werden, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Was gar nicht so einfach ist, wenn man Bäume fällt, die bis zu 100 Jahre alt gewesen sein könnten. Weitere Personen erkundigten sich bei der Gemeinde wegen diesem rustikalen Verständnis von Baumpflege.
Für Ronald Rohner kam der Gegenwind überraschend. Es sei seine Pflicht als Besitzer, für die Sicherheit der Grünzone zu sorgen. «Pflegen heisst auch mal sägen», so verstehe er das Gesetz – es gehöre dazu, auch mal kranke Bäume zu fällen und neue zu pflanzen. Jetzt sei der Bestand gepflegt. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, stellt er klar. Und zeigt sich etwas genervt vom ganzen «Theater», bei dem man ihn als Baummörder hinstellen wolle.
«Faule Ausreden», sind seine Aussagen für Ellen Schuler. Ein vorgeschobenes Faible fürs Grüne. Sie mutmasst, er habe den Gemeinderat an der Nase herumgeführt.

Akten bleiben unter Verschluss
Wer im Gemeindehaus anklopft, merkt, dass man hier etwas überrascht wurde vom Ausmass der Fäll-Aktion. Fakt ist, dass nie ein Antrag dafür gestellt wurde. Lediglich die beauftragte Gartenbaufirma bat bei den Technischen Diensten um Unterstützung bei der Strassenabsperrung und habe dafür Material erhalten. Auch der Gemeinderat wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Später leitete er ein Verfahren ein, um zu klären, ob der Kahlschlag gegen bauliches Recht verstossen hat. Gemeindeschreiber Roland Mürset sagt darum: «Der Gemeinderat hat keinen Fehler gemacht.» Dann sollte es doch auch möglich sein, Einsicht in die Akten des Verfahrens zu bekommen? «Nein», sagt Mürset. «Das baurechtliche Verfahren ist nicht öffentlich.» Leider will auch der Angeklagte keinen Beweis für seine Behauptung erbringen, es habe sich um kranke Bäume gehandelt – eine schriftliche Baumanalyse beispielsweise. Nicht seine Bringschuld, sagt er. Im Verfahren legte der Gemeinderat das Gesetz jedenfalls in Rohners Sinne aus und befand, dass «der Rückschnitt und allenfalls auch das Entfernen von kranken Pflanzen beziehungsweise Bäumen, welche eine Gefahr darstellen oder das Wachstum anderer Bäume behindern», selbst in einer Grünzone erlaubt sein muss. Es endete dementsprechend mit einem Freispruch.

Neues Konzept in Arbeit
Gemeindeammann Rolf Leimgruber ist es noch wichtig, auf das neue Konzept für den Erhalt und Unterhalt der Grünzone hinzuweisen. An diesem arbeite die Gemeinde gerade mit dem Förster. Es ist angedacht, dass künftig Änderungen in der Grünzone vorgängig mit diesem abgesprochen werden müssen. «In Zuge dessen werden wir auch alle betroffenen Anstösser an einen Tisch holen», hält der Gemeindeammann fest. Leimgruber kann der ganzen Sache darum sogar Positives abgewinnen. «Dann wird ein für allemal geklärt, was man in der Grünzone machen darf und muss – und was nicht.»

Stefan Böker

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