«Ich habe mich hier sofort willkommen gefühlt»

Fr, 23. Apr. 2021

Interview: Alexandra Heilbronner heisst die neue Direktorin im Reusspark – sie ist die Nachfolgerin des langjährigen Direktors Thomas Peterhans

Der «Reussbote» hat die neue Direktorin des Niederwiler Zentrums für Pflege und Betreuung zum Interview getroffen. Alexandra Heilbronner berichtet, wie ihr der Start im Vorzeige-Pflegeheim am Reussufer gelungen ist, sie gibt Einblicke in ihren Tagesablauf und zeigt sich begeistert von der kollegialen Atmosphäre, die im Team herrscht.

Alexandra Heilbronner ist Frühaufsteherin. Wenn die neue Direktorin am Morgen kurz vor 7 Uhr im Gnadenthal ankommt, hat sie bereits eine Autofahrt von knapp einer Stunde hinter sich; manchmal mehr. Derzeit wohnt sie noch in Walchwil am Zugersee, die Freizeit verbringt sie jedoch am liebsten im Feriendomizil in den Bündner Bergen. Dort, in der schönen Natur, kann sie so richtig ausspannen. Doch das Pendeln zwischen Wohn- beziehungsweise Ferien- und Arbeitsort ist anstrengend und zeitraubend – weswegen es bald ein Ende haben wird. Sie bezieht am 1. Juli eine Zweitwohnung in Bremgarten und bleibt als Wochenaufenthalterin in der Region. Im Büro angekommen, nutzt sie die Ruhe des noch jungen Tages, um sich der Konzeptarbeit zu widmen, Mails zu beantworten oder Sitzungen wahrzunehmen. «Hausbesuche» bei den Bewohnerinnen und Bewohnern, beispielsweise um zum Geburtstag zu gratulieren, begeht sie lieber am Nachmittag.

Frau Heilbronner, wie haben Sie die vergangenen Monate erlebt?
Ich habe die Zeit genutzt, um die Menschen im Reusspark kennenzulernen. Glücklicherweise steht der Betrieb auf gesundem Fundament und benötigt keine Hauruck-Massnahmen – ausser wegen Corona. So konnte ich mir viel Zeit dafür nehmen, alle Bereiche zu besuchen, den Mitarbeitenden über die Schulter zu schauen, Bewohnerinnen und Bewohner zu treffen, und zu analysieren, wo man die Institution weiter verbessern kann. Jetzt sind die Haupterkenntnisse vorhanden und erste Massnahmen definiert, vor dem Hintergrund, dass die Gesellschaft immer älter wird, dass die Menschen immer später bei uns eintreten und wir genügend Fachkräfte benötigen.

Wie sind Sie bis jetzt mit der Corona-Situation umgegangen?
Das war eine Gratwanderung. Im Vergleich zu anderen Pflegeheimen waren wir vielleicht weniger restriktiv in den Massnahmen. Wir haben uns für ein grosszügigeres Besuchsrecht eingesetzt und die Ressourcen in der Aktivierung verstärkt, damit die Bewohnerinnen und Bewohner genügend Abwechslung im Alltag erhalten. Uns war es wichtig, ihre sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten, weil sich ihr Gesundheitszustand schnell verändern kann, wenn sie zum Beispiel den Partner oder Angehörige nicht mehr erkennen.

Sie haben, wie ich hörte, überall «reingeschnuppert», beispielsweise die Küchenschürze angezogen und geholfen, das Mittagessen zu kochen. Was hat Sie besonders überrascht?
Die herzliche, familiäre, kollegiale Atmosphäre. Obschon wir zu den grössten Institutionen im Bereich Langzeitpflege gehören, gehen alle sehr persönlich miteinander um. Böse Überraschungen gab es keine. Es gibt keine Berührungsängste, egal, ob jemand in der Wäscherei, in der Küche oder im Putzdienst arbeitet. Ich wurde sofort willkommen geheissen.

Ist das im Spital anders?
Da treten Hierarchien in der Tat stärker zutage. Es herrschen andere Umgangsformen. Dass mir so viel Interesse entgegengebracht wird wie hier, ist schon etwas ganz Besonderes. Und dass alle an einem Strang ziehen. Hier nimmt sich auch der Küchenchef Zeit für Extrawünsche. Ich geniesse das. Meine Bürotür steht immer offen und es kommen immer mal wieder Bewohnende, Angehörige oder Mitarbeitende auf einen kurzen Schwatz vorbei. Bei manchen ist das fast schon zum Ritual geworden.

Dann haben Sie sich gut eingelebt. Kann man das so sagen: Ab jetzt drücken Sie dem Reusspark Ihren Stempel auf?
«Stempel aufdrücken» ... das tönt mir zu dominant, zu direktiv, zu sehr von oben herab. Das ist nicht mein Stil. Mir ist es wichtig, den gesamten Betrieb weiterzuentwickeln. Das mache ich aber gerne mit den Menschen zusammen. Die Mitarbeitenden sollen Strukturen erhalten, die effiziente und qualitativ hochstehende Arbeit ermöglichen. In einer Arbeitsplatzkultur, in welcher sie in ihren Stärken gefördert werden und Chancen erhalten, sich weiterzubilden. Und mir ist es ganz wichtig, Nähe zu den Menschen zu leben. Nur so können wir Qualität in unserer Kernkompetenz erzielen: der guten evidenzbasierten Pflege.

Wo sehen Sie Herausforderungen auf Sie zukommen?
Zunächst einmal müssen wir wirtschaftlich solide aufgestellt sein. Gerade in Zeiten von Corona ist das leider nicht mehr gleich gut möglich. Auch wir leiden unter der Beschränkung der Gastronomie und sind, was die Zahl der Betten betrifft, unterbelegt. Die finanzielle Situation ist eine grosse Herausforderung.

Mir gegenüber hat jemand den Reusspark mal als «Fünf-Sterne-Hotel» unter den Pflegeheimen bezeichnet. Spielen die Kosten wirklich so eine grosse Rolle?
Das ist schmeichelhaft. Aber die Finanzierung ist bei allen Langzeitinstitutionen gleich. Der Kostendruck ist im gesamten Gesundheitswesen spürbar. Auch wir spüren diesen und müssen erfinderisch bleiben und wirtschaftlich handeln.

Sie selbst kommen aus der Pflege, ich nehme an, Sie setzen andere Schwerpunkte als Ihr Vorgänger, ein Finanzfachmann ...
Das ist auch so, das liegt in der Natur der Sache. Aber auch ich setze um, was im Rahmen der Strategie mit dem Vorstand zusammen erarbeitet wurde.

Wie beurteilen Sie selbst die Pflege im Reusspark?
Diese bewegt sich auf einem sehr hohen Standard, es gibt viele spezialisierte Angebote wie die Gerontopsychiatrie, die Demenzwohnbereiche, Palliative Care, unser Hospiz oder das Tages- und Nachtzentrum – und die Mitarbeitenden sind mit Herz bei der Sache.

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?
Strukturen, Prozesse und Organisation könnten besser aufeinander abgestimmt sein. Die Bereiche Museum, Restaurant und Pflege beispielsweise könnten besser Hand in Hand gehen.

Setzt Sie das manchmal unter Druck, dass Ihr Vorgänger so einen Vorzeige-Betrieb hinterlassen hat?
Nein, es ist einfacher, als wenn etwas im Argen liegen würde. Natürlich ist auch im Reusspark nicht alles Gold, was glänzt. Aber es ist eine grosse Freude und eine Ehre, auf seiner Arbeit aufbauen zu dürfen. Ich war schwer beeindruckt von seiner Verabschiedung. Diese musste wegen Corona zwar unter besonderen Bedingungen stattfinden. Aber man hat gemerkt: Dies ist sein Lebenswerk und die Menschen hier schätzen ihn sehr.

Thema Fachkräftemangel: Wie wollen Sie dem entgegenwirken?
Unser Ziel ist es, ein strategisches Personalmanagement zu entwickeln, dass die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften umfasst, den Reusspark weiterhin als attraktiven Arbeitgeber bekannt macht und zusätzlich den Mitarbeitenden Raum zur Entwicklung gibt. Neben dem Lohn müssen auch die Bedingungen stimmen, unter denen die Arbeit erledigt wird.

Würden Sie heute jungen Menschen den Pflegeberuf empfehlen?
Ja, das würde ich. Der Beruf ist sehr vielfältig und umfassend. Er ist einer der sichersten und gefragtesten Berufe, da es Pflegefachpersonen immer und überall brauchen wird. In der Langzeitpflege liegt die Herausforderung speziell in der Beziehungsarbeit. Im Spital hat diese weniger Gewicht, da man die Patientinnen und Patienten nicht über eine längere Zeit begleitet.

Was hat Ihnen selbst Ihre pflegerische Ausbildung gebracht?
Ich habe unglaublich viel über Menschen gelernt, eine hohe Sozialkompetenz entwickelt und grosses Mitgefühl entwickelt. Gleichzeitig habe ich gelernt, Verantwortung zu tragen und konnte in vielen anderen Bereichen Einblick erhalten.

Warum haben Sie sich im Reusspark beworben?
Weil ich, genau wie bei meiner Tätigkeit als Pflegefachfrau früher, einen Sinn in meinem Beruf sehe: den Menschen, die hier wohnen wollen oder müssen, einen schönen Aufenthalt zu bereiten. Als ich nach einer Führungsposition gesucht habe, hat mich mich die Vielfalt des Angebots im Reusspark angesprochen. Ich kannte den Reusspark dabei nur aus dem Internet. Aber seit meinem ersten Arbeitstag hat sich die Realität mit dem Eindruck, den ich von meiner Recherche hatte, gedeckt. Es ist schon ein besonderer Betrieb. Und zeigt wieder einmal, dass Langzeitpflege kein Kinderspiel ist, sondern viel Know-how benötigt.

Dann ist also nicht zu befürchten, dass der Reusspark nur eine weitere Sprosse auf Ihrer Karriereleiter ist?
(Lacht) Das ist ja wie eine Frage im Vorstellungsgespräch. «Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?». Also ich sehe mich in fünf Jahren immer noch hier. Und ich möchte einst die Früchte meiner Arbeit ernten.

Vielleicht, weil Sie sich auch schon ein kleines bisschen ins Reusstal verliebt haben?
(Lacht wieder) Nein, so weit ist es noch nicht gekommen. Ich habe schliesslich im «strubsten» Winter hier begonnen. An einem schneereichen Tag dauerte meine Anfahrt drei Stunden. Das Reusstal wird sich noch bis zum Sommer gedulden müssen, bis ich es erkunde.

Interview: Stefan Böker


Zur Person

Alexandra Heilbronner ist 50 Jahre alt, verheiratet, und kommt ursprünglich aus St. Gallen. Hier hat sie ihre Ausbildung als Pflegefachfrau absolviert. Zusätzlich hat sie einen EMBA-Abschluss der HSG St.Gallen in der Tasche. In Konstanz erweiterte sie ihren Rucksack um ein Diplom in Mediation. Zuletzt war sie im Stadtspital Waid und Triemli als Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin des Departements Pflege, Soziales und Therapien tätig. Sie ist vielseitig interessiert, tierlieb und gerne in der Natur unterwegs. Weil ihr Mann mit ihr nach Bremgarten zieht, wird sie seine Kochkünste nicht vermissen müssen. Der passionierte Hobbykoch empfängt sie gern nach einem Arbeitstag mit einem feinen Menü oder schickt sie morgens mit einem Cappuccino auf die Reise in den Reusspark. (sb)

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