Das Coronavirus stellt den Betrieb auf den Kopf

Di, 27. Apr. 2021

Aus verschiedenen Perspektiven wird im Jahresbericht 2020 erzählt, wie das Alterszentrum den Alltag mit dem Coronavirus erlebt

Die Bewohnerinnen und Bewohner gehören zu den besonders gefährdeten Personen. Das verunsichert und fordert das Personal. Der Jahresbericht 2020 handelt von Einschränkungen und vom Besuchsverbot, von Konzerten und einer Lehrabschlussfeier.

Dass eine Pandemie in der Grössenordnung von Covid-19 den Weg von Wuhan, China ins beschauliche Alterszentrum Mellingen-Wohlenschwil finden würde, war für uns schlichtweg unvorstellbar», schreibt Willy Keller, Zentrumsleiter des Alterszentrums «Im Grüt» in seinem Rückblick auf das Jahr 2020.
Das Alterszentrum zählte zu den ersten Pflegezentren in der Region, das mit einem Coronafall konfrontiert wurde: Mitte März 2020 war eine 85-jährige Bewohnerin positiv auf Covid-19 getestet worden – sie erkrankte und sie genas. Nachwirkungen spürte sie keine. Sie habe grosses Glück gehabt, äusserte sie sich in einem Gespräch zum Jahreswechsel 2020/2021 gegenüber dem «Reussbote».

«Auf einmal ist es da, ganz nah...»
Das Virus stellte den Betrieb auf den Kopf. Welche Herausforderungen es mit sich brachte, erfährt man im Jahresbericht 2020, in welchem Zentrumsleiter Willy Keller, die Leiterin Pflege und Betreuung Johanna Hutzler, der Küchenchef René Hauri oder der Haustechniker Reto Guggisberg beschreiben, wie sie in ihrem Arbeitsalltag Massnahmen, Verordnungen und Konzepte zum Schutz der vulnerablen Bewohnerinnen und Bewohner umsetzten.
Der Bundesrat hatte gerade den schweizweiten Lockdown ab Montag, den 16. März 2020 verordnet, als der Verdacht eines ersten Coronafalles bekannt wurde. Am 17. März teilte das Kantonsspital Baden das positive Testergebnis einer 85-jährigen Bewohnerin mit. Johanna Hutzler, Leitung Pflege und Betreuung, blickt zurück: «Begonnen real zu werden hat das Ganze für uns mit dem Anruf einer Angehörigen im März.» Die Angehörige teilte mit, sie sei positiv auf das Virus getestet worden und könnte eventuell ihre Mutter angesteckt haben. Dieser Anruf beunruhigte Bewohner und Personal. Hutzler schreibt: «Auf einmal ist es da, ganz nah, zu nah, im Haus.» Sie hätten isoliert, informiert, beratschlagt. «Anscheinend gut, denn es ist bei dem einen Fall geblieben und dieser ist sehr mild verlaufen.»

Nicht alle haben Verständnis
Lockdown und der erste Coronafall zeigten überall Auswirkungen auf den Alltag im Alterszentrum. Willy Keller schreibt: «Ab dem 16. März 2020 wurde der Nacht- sowie der Tagdienst verstärkt. Beim Betreten eines Zimmers mussten die Pflegemitarbeitenden Schutzkleider überziehen.» Gleichzeitig wurde die Cafeteria für alle Besucher, ausser für die Mieterinnen der Alterswohnungen, geschlossen. Der Bundesrat hatte die Massnahmen zum Schutz der besonders gefährdeten Personen verschärft. Es gilt Besuchsverbot – Ausnahmen müssen individuell besprochen werden, etwa der Besuch bei Sterbenden. Nicht alle Angehörigen hätten Verständnis gezeigt für diese Massnahmen. Umstritten war zum Beispiel das Besuchsverbot, verordnet durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Departement Gesundheit und Soziales (DGS). «Eine Angehörige beschimpfte unsere Pflegemitarbeitenden, weil ihre Mutter ihre Spaziergänge nicht machen konnte und weil sie selbst nicht zu Besuch kommen durfte.» Drei Monate lang waren Besuche verboten. Bewohnerinnen und Bewohner sowie ihre Angehörigen seien auf eine harte Probe gestellt worden, schreibt Johanna Hutzler. Es seien viele Fragen gestellt worden. Sie und Willy Keller hätten viele Anweisungen geben müssen: «Gegen das Bauchgefühl von Freiheit und für den absoluten Schutz unserer Bewohnenden.» Beim Haupteingang richtete das Alterszentrum schliesslich eine Begegnungszone ein. Kommuniziert wurde auch über Skype oder Facetime.
Im Mai erlaubte das DGS Lockerungen. Das «kontrollierte Besuchsrecht» wurde eingeführt: Besucherinnen und Besucher melden sich an, registrieren sich und füllen eine Gesundheits-Checkliste aus. Keller betont: «Hygiene- und Schutzmassnahmen müssen strikte eingehalten werden. Die Verantwortung liegt bei der Institutionsleitung.» Diese Regeln wurden im Juli weiter gelockert, Besuche konnten seither wieder unangemeldet stattfinden. In seinem Rückblick hält Willy Keller fest, dass nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner die vom BAG und DGS auferlegten Schutzmassnahmen akzeptieren wollten. Ende Mai trat deshalb eine Bewohnerin aus dem Alterszentrum aus: Sie wollte wieder täglich spazieren gehen.
Johanna Hutzler beschreibt diese Monate als «schwierige Zeit mit viel Entbehrung», aber sie hätten auch Zeit gehabt für Musse und gute Gespräche und es gab immer wieder Abwechslung: Mal waren auf dem Parkplatz Alphörner zu hören, dann spielte ein Jugendorchester im Restaurant – unter Einhaltung des vorgeschriebenen Abstands. Und im August war der Comedian Peter Löhmann in der Cafeteria beim Mittagstisch für Seniorinnen und Senioren zu Gast.

Gratis-Verpflegung für Mitarbeitende
Gegen die Verbreitung des Virus hilft nicht zuletzt konsequente und regelmässige Reinigung. Das bedeutet erheblichen Mehraufwand für den Hausdienst und den Technischen Dienst. Vermehrt reinigt und desinfiziert das Team um Haustechniker Reto Guggisberg stark frequentierte Bereiche wie Türklinken, Handläufe, Treppengeländer und Aufzugskabinen.
Immer wieder entwickelten Mitarbeitende im Frühling Symptome, die auf das Virus schliessen lassen, sie begaben sich in Quarantäne oder Isolation. Nach den Tests fiel der Befund negativ aus. «Mitte April beruhigten sich die Absenzen der Mitarbeitenden langsam», so Zentrumsleiter Keller.
Während des Lockdowns war das Restaurant geschlossen. Einzig die Bewohnenden der Alterswohnungen durften mittags weiterhin dort essen.Und für das Personal gab es ein Zückerchen. Küchenchef René Hauri schreibt: «Um alle unsere Mitarbeitenden in dieser schweren Zeit bei guter Laune zu halten, wurde entschieden, dass alle für drei Monate lang (April, Mai, Juni) gratis essen dürfen. Wir richteten eine Fassstrasse ein, wo sich jeder am Salatbuffet und am Wärmehaltebuffet bedienen konnte – natürlich alle mit Sicherheitsabstand.»

«So fühlt es sich gut an»
Zu den Mitarbeitenden zählen auch die zahlreichen Lernenden, die 2020 ihren Abschluss machten. Die Prüfungen waren abgesagt worden, alle wurden anhand ihrer Leistungen vom vergangenen Lehrjahr beurteilt. Johanna Hutzler: «Kein Experte schaute bei der Prüfung herein und gab Sicherheit, dass man richtig beurteilt wird, nicht zu gut, nicht zu schlecht.» Bestanden haben alle. Das Zertifikat allerdings sollte ohne Lehrabschlussfeier überreicht werden. Keine Feier, kein Lob für ihre Leistungen? «Nein», meint Hutzler, «das geht nicht.» Sie hätten ihre eigene kleine Lehrabschlussfeier gemacht. «Ein toller Apéro mit Eltern, Reden, Geschenk und Zertifikatsübergabe – so ist es richtig, so fühlt es sich gut an.» Dieses Gefühl, Hutzler nennt es ein «Das-fühlt sich-richtig-an»-Gefühl, habe das Team in der ganzen schwierigen Zeit geleitet, es habe zusätzlich zu den Vorgaben von Bund und Kanton eine Richtlinie gegeben.

Heidi Hess


Neubau und Spende

Das Jahr 2020 war geprägt vom Coronavirus. Ende Dezember zeichnete sich allerdings ein erster Lichtblick ab. Die Leitung des Alterszentrums bereitete sich auf den Impftag vor: Mitte Januar 2021 wurden die meisten Bewohnerinnen und Bewohner sowie auch ein grosser Teil der Mitarbeitenden ein erstes Mal gegen das Virus geimpft.

Beginn des Erweiterungsbaus
Ende Oktober 2020 wurde mit dem Erweiterungsbau begonnen. «Endlich», wie Erika Schibli, Präsidentin des Trägervereins «Alterszentrum Mellingen-Wohlenschwil», in ihrem Rückblick festhält. 100 000 Franken spendet die Albert und Ida-Nüssli-Stutz-Stiftung für ein neues Tiergehege. Was von der Spende übrig bleibt, soll für den Ausbau der Küche verwendet werden. Im vergangenen Jahr wurden ausserdem die Türen in den Wohnbereichen renoviert, mit Schutzplatten verkleidet und frisch angestrichen. 138 Tage lautet die Zahl für den Personalausfall wegen Corona. Weil das Restaurant geschlossen ist, verzeichnet die Gastronomie einen Umsatzrückgang von 170 000 Franken. 80 000 Franken sind nötig für zusätzliche Hygieneartikel wie Masken, Desinfektionsmittel oder auch das Einrichten einer Begegnungszone. (hhs)

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