Marianne Stänz ist Gemeindeammann in Birmenstorf. Die Kanzleimanagerin (lic.oec.publ.) ist Vorstandsmitglied der Frauenzentrale Aargau, Präsidentin des ref. Kirchenchores Birmenstorf und Vorstandsmitglied der Mitte Birmenstorf.
Wo sind die Krisengewinner?
Mir stinkt’s. Andauernd dieses Gejammere in den Medien. Ja, ja und nochmals ja: Wenn man sein Restaurant nicht öffnen darf, trotz strahlendem Frühlingswetter nicht einmal die Gartenterrasse, ist das natürlich mühsam. Auch wenn man sein Fitnesscenter geschlossen halten muss, obwohl die Hygienevorschriften locker einhaltbar wären. Oder wenn man seinen 20. Geburtstag feiert und auf eine rauschende Party verzichten muss. Das ist alles Mist. Ich verstehe, dass viele Leute sauer oder verunsichert sind. Aber ich habe auch eine Vermutung, wieso diese «Corona-Opfer» für die Medien so viel attraktiver sind als die Gewinner: Dramatik, Konflikte und Emotionen sind drei «Zutaten», die spannend sind für die Leser.
Es gibt ja den Spruch: «Lerne zu jammern, ohne zu leiden.» Ich will damit nicht aussagen, dass alle Jammerer nicht leiden. Aber einige sicher schon. Die Schweizer, vermutlich sogar die meisten Europäer, sind extrem gut im Jammern. Die Energieverschwendung beim Jammern kann man sich aber nur hier leisten. Andernorts – zum Beispiel in Tansania oder in Indien – sind die Menschen gezwungen, aus dem wenigen Vorhandenen das Beste zu machen. Dies hat mich auf meinen Reisen ganz besonders beeindruckt.
Wieso nur, frage ich mich, wird nicht über die Krisengewinner gesprochen? Wieso werden diese Geschichten nicht erzählt? So haben etwa die Online-Händler Rekordumsätze erzielt und konnten ihre Kapazität stark ausweiten. Migros und Coop haben im Supermarktsortiment rund 10 Prozent zulegen können, unter anderem weil die Einkäufe im nahen Ausland zeitweise verboten waren. Wenn ich mich bei unseren Dorfläden nach dem Geschäftsgang erkundigt habe, konnten sie alle Umsatzsteigerungen verzeichnen und sind sehr zufrieden. Die Börsenindizes kennen nur den Aufwärtstrend und machen alle Vermögenden noch reicher. Wann, liebe Medien, lesen wir bei euch die Geschichten dieser Krisengewinner? Alles in allem lässt sich feststellen, dass die Corona-Krise sich bereits anbahnende Entwicklungen zum Beispiel hin zum Online-Geschäft oder hin zu gesundem, saisonalem und regionalem Essen beschleunigt hat. Und der Trend zu «immer grösser, immer verrückter» zum Beispiel bei Musik-Festivals wurde radikal gestoppt. Ich persönlich finde das gut. Danke, Coronavirus.
