GASTKOLUMNE

Fr, 30. Apr. 2021

Die Musikkauffrau Maja Banovic lebt in Niederrohrdorf. Ihre Welt besteht aus Musik, Literatur, Journalismus, Neurowissenschaft, Psychologie, Philosophie, Geschichtswissenschaft und Fitnesstraining.

Ruhe da draussen

Seit rund einem Jahr arbeitet jeder von zu Hause aus, wenn es ihm möglich ist. Wer zum Beispiel in erster Linie einen Computer und ein Telefon braucht, um seinen Job zu verrichten, der kann im Grunde von überall her arbeiten.
Kann er wirklich?
Kaum ist die Nummer eines wichtigen Kunden gewählt, lässt der Nachbar seinen Rasenmäher an. Wie ärgerlich!
Nun gut, dann trinkt man halt einen Kaffee und wartet ab, bis wieder Ruhe einkehrt. Na endlich! Schnell ans Telefon!
Mitten im Gespräch das nächste Ärgernis: Ein paar Kinder möchten mit ohrenbetäubendem Radau herausfinden, wer sein Kickboard am lautesten die Treppe runter werfen kann. Früher hätte ein strenges Zurufen die kleinen Krachmacher vertrieben, heute geben sie entweder freche Antworten oder ignorieren den Lärmgeplagten vollkommen. Was nun? Abwarten und einen weiteren Kaffee trinken?
Wir können unsere Ohren nicht abstellen. Sie sind unser Alarmsystem, 24 Stunden pro Tag auf Empfang. Jede Lärmbelästigung wird registriert. Das Wort «Lärm» ist verwandt mit dem französischen «A l’arme», also «Zur Waffe». Grosser Krach signalisiert dem Körper, entweder zu fliehen oder anzugreifen. Dieser reagiert mit der Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol oder Adrenalin. Als Folge davon steigen der Blutdruck und die Herzfrequenz. Ob das auf Dauer noch harmlos sein kann?
Letzten Herbst war einer dieser Tage: Irgendwo kläffte pausenlos ein Hund, seine Halterin stand apathisch daneben und liess ihn gewähren. Gleichzeitig jagte ein bückfauler Mensch mit dem Laubbläser einem einzelnen Blättchen hinterher, während ein kleines Mädchen mitten auf dem Trottoir brüllte, als sei der Teufel hinter ihr her. Besorgt schaute ich zur Strasse runter, ob sich da vielleicht ein Säbelzahntiger dem Kind nähert, oder ob es gerade entführt wird. Nichts dergleichen. Es wurde geschrien, damit geschrien wird. Plötzlich ging im Haus gegenüber ein Fenster auf und ein junger Mann mit hochrotem Kopf rief mitten in diese unerträgliche Kakophonie hinein: «Ruhe da draussen!».
Hund und Mädchen schwiegen verdattert, der Laubbläser wurde abgestellt. Für einen Augenblick war alles so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Erfreut und dankbar nickte ich dem roten Kopf zu und hoffte, er möge noch oft am Fenster erscheinen. Auf gute Nachbarschaft!

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