Diese Rücktritte schlagen hohe Wellen

Fr, 28. Mai. 2021

Überraschend haben der Ammann und der Vizeammann ihren Rücktritt bekannt gegeben

«Wir haben die Freude in den letzten Jahren verloren», erklären Bruno Gretener und René Furter ihre Rücktritte. «Sprachlos» ist Roger Fessler. Ahnungslos waren Györgyi Schaeffer und Beat Gomes.

Sie hatten beide geplant im Herbst, bei den Gesamterneuerungswahlen, erneut anzutreten: Bruno Gretener (FDP), seit 16 Jahren Gemeindeammann und insgesamt seit über 20 Jahren in Mellingen politisch tätig sowie auch Vizeammann René Furter (SVP), der 8 Jahre lang in der Exekutive mitwirkte. Ende letzter Woche haben sie in einer gemeinsamen Medienmitteilung ihren Rücktritt bekannt gegeben: «Entgegen der Ankündigung im Februar werden wir nicht für eine weitere Amtsperiode kandidieren. Wir haben die Freude in den letzten 3,5 Jahren aus mehreren Gründen verloren.» Diese Jahre seien «anspruchsvoll und herausfordernd» gewesen.

Differenzen kosten zu viel Energie
Noch zu Beginn des Jahres waren sie überzeugt, dass sie sich «trotz der schwierigen Konstellation im Gemeinderat weiterhin für die Gemeinde einsetzen möchten, um die laufenden und anstehenden Projekte voranzubringen». Etwa die Umsetzung der neuen Führungsstrukturen im Schulverband, die baulichen Anpassungen der bestehenden Schulhäuser in der Kleinen Kreuzzelg, die Planung rund um die Zentrumsentwicklung Plaza oder auch Ausbau und Erneuerung der Kläranlage. Die letzten Wochen hätten jedoch gezeigt, dass «interne Differenzen und ständige Indiskretionen sowie nicht abgesprochene Aktivitäten einzelner Ratsmitglieder unnötig viel Energie kosten und stärker beschäftigen, als ursprünglich gedacht.» Als weiteren Grund nennen die beiden «die aus unserer Sicht einseitige und unfaire Berichterstattung im «Reussbote» sowie die negative Stimmung, die von verschiedener Seite heraufbeschworen wird». Dies alles erschwere ihre politische Arbeit zunehmend.

Die Nachricht wirft hohe Wellen
Unbekannt sind diese Querelen nicht. Und doch schlägt die Nachricht ein wie eine Bombe und wirft hohe Wellen im Städtchen an der Reuss. Im Vorfeld persönlich informiert wurden die Mitarbeitenden der Verwaltung und andere nahestehende Personen, nicht aber die Kollegen und die Kollegin in der Exekutive, im Gemeinderat.
– Eine verkachelte Situation? Unüberbrückbare Differenzen im Gemeinderat? «Ja», sagt Bruno Gretener und nach einer kurzen Pause, «natürlich.» Er sagt auch, dass es sich dabei um einen persönlichen Entscheid handle. «Ausserdem sind wir mehrfach auch nicht über Aktivitäten der anderen Gemeinderäte informiert worden». Einen kleinen Vorsprung hatte immerhin Gemeinderat Roger Fessler. Bevor die Mitteilung an die Medien ging, hatte René Furter den Parteikollegen informiert. In den Sozialen Medien publizierte Fessler daraufhin sein Bedauern über den Verlust von «30 Jahren wertvoller Erfahrung» und fragt, wie es weiter gehen soll bei anstehenden grossen Projekten? «Ich bin sprachlos und werde auf dem falschen Fuss erwischt, mache mir aber nun auch meine Gedanken bei der neuen Konstellation», schreibt er auf Facebook. Auf Anfrage sagt Roger Fessler, Rücktrittsabsichten habe er noch keine. Aber er frage sich schon, welche Rolle er in der neuen Konstellation zu spielen bereit sei. Seit vier Jahren ist Fessler Gemeinderat, zuvor war er 12 Jahre lang Mitglied der Finanzkommission.

Weder Kollegialität noch Vertrauen
Sowohl Györgyi Schaeffer als auch Beat Gomes hatten keine Ahnung von den Rücktrittsabsichten des Ammanns und des Vizeammanns. Die beiden Exekutivmitglieder erfuhren die Nachricht aus den Medien. Die Kollegialität sei im Gemeinderat schon seit einiger Zeit nicht mehr spürbar, sagt Györgyi Schaeffer, und auch die Kommunikation lasse zu wünschen übrig. Dass im Kollegium nicht im Vorfeld infomiert wird, damit haben sowohl Beat Gomes als auch Schaeffer Erfahrung. «Das ist nicht das erste Mal», sagt sie. Sie mache den beiden keinen Vorwurf. Das Vertrauen werde dadurch allerdings kaum gefördert. Die Entscheidung sei für sie letztlich nachvollziehbar und sie wünscht beiden alles Gute. Was den Verlust von zwei langjährigen Ratsmitgliedern betrifft, so gehe damit natürlich viel Erfahrung verloren. Das sei ein Nachteil, sagt Schaeffer. Gleichzeitig lasse eine neue Konstellation auch Neues entstehen.
Kein Blatt vor den Mund, nimmt Gemeinderat Beat Gomes: «Kapitulation nenne ich das.» Er spricht von Intransparenz, Selbstherrlichkeit und Dünnhäutigkeit. Gretener und Furter würden sich über Indiskretionen beklagen und verschlüsselten gleichzeitig ihre eigenen Verdächtigungen. Indiskretionen seien mehrfach auf Facebook aufgetaucht. Den Autor dieser Nachrichten und dessen Alleingänge auf Social Media habe er im Gemeinderat, sagt Gomes, selber massiv kritisiert. René Furter lasse hingegen nichts auf den Parteikollegen kommen. Konfrontiert mit diesem Vorwurf, meint Furter, dass die Zusammenarbeit mit Roger Fessler «absolut gut» sei.
Beat Gomes spricht von «totalem Vertrauensverlust» und fragt sich, wie der Rat in den verbleibenden sieben Monaten zusammen arbeiten soll? Einfacher werde es nicht, sagen sowohl René Furter als auch Bruno Gretener. Beide gehen aber davon aus, dass sie ihren Job, die Aufgaben und auch die Legislatur «gut» und «anständig» beenden werden.

Heidi Hess

Ganzer Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar.
Kategorie: 

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Nach den Ferien sind die Lotsen weg

Schulkinder und Kindergärtler in Birmenstorf haben keinen einfachen Schulweg. Für das Überqueren der Hauptstrasse mussten sie bisher einen Lotsendienst in Anspruch nehmen. Nun sorgen bauliche Massnahmen dafür, dass es auch ohne geht.