GASTKOLUMNE

Di, 11. Mai. 2021

Stefan Schmid, geboren 1955, wohnhaft in Mellingen, Betriebstechniker SFB, Metallbauzeichner, Farbtechnologe ehem. Nyco Kirchberg. Er ist heute auch bekannt als «der Feierabendmaler»

Meine Väter

Auf einem Fensterbrett in meiner Wohnung steht ein Foto mit vier Personen darauf: Mein Grossvater, geboren 1904, mein Vater, 1927, ich, 1955 und mein Sohn, 1990, damals gerade zwei Jahre alt. Ich musste mich beeilen, um uns vier auf ein Foto zu bringen, denn wie sich’s zeigte, war Opa schon in seinem letzten Lebensjahr.
Ich betrachte das Foto öfters und versuche, mir der Zeitspanne bewusst zu werden, in der wir vier mit verschiedenen Eintritts- und Austrittspunkten gelebt haben und leben werden. Betrachtet mein Sohn einmal als achtzigjähriger das Bild, wird er 166 Jahre überblicken, in denen drei seiner Vorväter geboren und gestorben sind.
Interessant sind die Geschichtsabschnitte, die diese Zeit im Ansatz repräsentieren. Mein Grossvater erlebte zwei Weltkriege, mein Vater einen. Glücklicherweise in der Schweiz, unbeschadet. Aber die Angst war da und hat die Menschen dieser Zeit geprägt. Auch die Angst vor der Altersarmut war da. Die AHV wurde erst 1948 eingeführt, da war mein Vater schon einundzwanzig. In den Fünfzigerjahren ging die Post ab, schliesslich hatten die Menschen viele gefährliche Kriegsjahre überlebt. The Swinging Fifties! Jazz, Lebenslust, Optimismus. Andererseits belasteten der Koreakrieg und Fidel Castro den Frieden. In Indien und Afrika wütete der Hunger.
Anfang der Sechzigerjahre standen wir knapp vor einem Atomkrieg zwischen der Sowjetunion und den USA. Grund: die Kubakrise. John F. Kennedy liess angeblich schon den Zeigefinger über dem roten Knopf kreisen. Trotz allem: Woodstock und Mondlandung. In den Siebziger-jahren konnten wir nun die Folgen des Wirtschafts-Booms sehen. In keinem natürlichen, stehenden Schweizer Gewässer durfte noch gebadet werden, so gross war die Sauerei. Grenzen des Wachstums – Ölkrise und Autofreie Sonntage. Achtzigerjahre: RAF-Terror und (abgesagtes) Waldsterben. Aber auch der Fall der Berliner Mauer und das Ende des kalten Krieges. Was einem beim Betrachten eines Fotos doch alles in den Sinn kommt.
In den letzten 100 Jahren standen wir also zwischen dem Aussterben der Menschheit und der Pulverisierung des Planeten. Zusammenfassend können wir sagen: Sicher ist nur, dass es keine Sicherheit gibt und dass die Summe aller Sorgen wohl gleichbleibt. Und meistens geht die Geschichte weiter, auch wenn der Geschichtenerzähler aufgehört hat, zu erzählen.

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