«Die Schweiz ernährt sich nicht so»

Fr, 04. Jun. 2021

Samuel Imboden, Biobauer auf dem Hof Algier, nimmt Stellung zu den Agrarinitiativen

Über die Pestizid- und die Trinkwasserinitiative wird am 13. Juni abgestimmt. Biobauer Samuel Imboden wird zu den beiden Agrarinitiativen «Nein» sagen. Er erklärt warum.

Samuel Imboden, Landwirt auf dem Betrieb Algier in Remetschwil, sagt: «Wir, als Biobetrieb, können ohne synthetische Pflanzenschutzmittel leben, wir produzieren jetzt schon so, ohne Herbizide.» Die Pestizidinitiative wird Imboden dennoch ablehnen, genau wie auch die Trinkwasserinitiative. Beide Agrarinitiativen seien in ihrem Wortlaut zu radikal, deren Umsetzung nicht möglich: «Die Schweiz ernährt sich nicht so.» Bioprodukte würden in der Schweiz einen Marktanteil von rund 11 Prozent aufweisen, sagt er. «Gerade mal 11 von 100 Personen kaufen und konsumieren biologische Produkte», sagt Imboden. Letztlich sei das auch eine Preisfrage, die höheren Kosten könnten sich längst nicht alle leisten. Der Anbau von biologischen Produkten sei indessen arbeitsintensiver, aufwendiger und das wiederum schlage sich nieder auf den Preis. Produkte aus biologischem Anbau seien entsprechend teurer – Gemüse, Obst, Wein.

Statt Herbizide, hacken von Hand
Oder Mais. Samuel Imboden, Mitglied der Betriebsgemeinschaft agrino, baut Süssmais an, auf einem grossen Feld an der Landstrasse zwischen Remetschwil und Künten. Im hinteren Teil des Feldes sind drei Frauen am Jäten. Von Hand reissen sie mit einer Hacke das Unkraut aus.
«Gehackt», sagt Imboden, hätten schon seine Eltern in den 1960er- und 1970er-Jahren, als die Produktion erhöht werden sollte. Mit dem Aufkommen von Herbiziden, wurde das Hacken als zu arbeitsintensiv abgetan und der Einsatz von Herbiziden propagiert – es sollte so viel wie möglich produziert werden. «Das war zur Zeit meines Vaters gängige Praxis», sagt Imboden. Wer dennoch hackte, sei belächelt worden. Heute, eine oder zwei Generationen später, habe sich das Blatt gewendet, in der Schweiz werde der Ökologie und dem schonenden Umgang mit den Ressourcen mehr Beachtung geschenkt. «Ich denke, die Landwirtschaft hat diesbezüglich bereits sehr viel gemacht, in kurzer Zeit.»

Unkraut wuchert zwischen dem Mais
Auf Imbodens Maisfeld sind die Nutzpflanzen noch klein, das Gras und das Unkraut dazwischen wuchert momentan gleich hoch wie der Mais. Eigentlich hat Imboden ein Hackgerät gekauft – eine kostspielige Anschaffung, die sich über die Jahre rentieren muss. Das Gerät kann er am Traktor befestigen. Es erlaubt ihm, Unkraut maschinell zu hacken. In den letzten Wochen aber war der Boden zu nass. Es war dieses Jahr ausgeschlossen, mit dem Traktor über das Feld zu fahren. In einem ersten Anlauf kam die Maschine zwar zum Einsatz, der Rest aber wird jetzt von Hand gejätet, soweit die Arbeit zu bewältigen und auch zahlbar ist. Es ist harte Arbeit, die auf einem ganzen Maisfeld viel Zeit beansprucht und die kaum jemand machen will. «Die Hälfte des Zuckermaises können wir retten», sagt Imboden. Der Rest sei Totalausfall. «Damit müssen wir leben.»
Gleichwohl stelle sich die Frage, ob man das künftig noch machen solle? Gegessen würde Mais dennoch, gibt Imboden zu bedenken. Vielleicht werde er dann aus Spanien importiert, angebaut nach spanischen Normen? In der Schweiz sind Arbeitskräfte teuer. «Mit möglichst wenig Ressourcen, müssen möglichst viele Kalorien produziert werden», sagt der Landwirt. Das sei nicht alleine über biologischen Anbau möglich, wie ihn die Initiative vorschreiben will. Würden alle so produzieren, müsste man mit einem geringeren Ertrag rechnen, was wiederum einen höheren Preis nach sich ziehe. Der Biobauer verweist auf den Einkaufstourismus. «Der läuft, nachdem die Grenzen wieder offen sind, genau wie vorher», sagt er.
Letztlich könnte es sich die Schweiz leisten, weniger zu produzieren und stattdessen zu importieren. «Aber», fragt sich Imboden, «ist das gut?»

Heidi Hess

Ganzer Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar.
Kategorie: 

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Erst mulmig, dann neugierig, schliesslich stolz

Von Zürich nach Nizza in einer Boeing 737 – Erfahrungsbericht aus dem Flugsimulator des ehemaligen Airline-Piloten Felix Staubli

Im Flugsimulator der Familie Staubli darf ich eine Stunde lang Pilotin sein. Die Lämpchen machen mir Sorgen und doch vergeht die Zeit im Flug.

Ein leicht mulmiges Gefühl beschleicht mich, als ich das Dachgeschoss der Familie Staubli in Wohlenschwil betrete. Dort fällt mein Blick auf ein Cockpit, einen wirklichkeitsgetreuen Nachbau einer Boe…