GASTKOLUMNE

Di, 29. Jun. 2021

Edith Saner aus Birmenstorf ist diplomierte Pflegefachfrau und diplomierte Betriebsausbilderin mit Masterabschluss in Coaching. Sie politisiert seit 20 Jahren. Zuerst auf kommunaler Ebene, seit sechs Jahren im Grossen Rat. Ausgleich dazu ist ihr Bewegung in der Natur.

Die Kehrseite des Sommers

Von Kindsbeinen an fürchte ich mich vor Gewittern. Es begann schon mit der alten Bauernweisheit, dass jeder Morgennebel im Mai ein Gewitter im Sommer nach sich zieht. Je mehr Striche mein Vater im Kalender machte, desto mehr hatte ich Respekt vor dem Sommer und stellte mir vor dem Einschlafen die heftigsten Gewitter vor. In Gedanken überlegte ich mir, was ich aus dem Zimmer mit nach draussen nehmen würde, falls der Blitz in unser Haus einschlägt. Ein kleiner Trost war das Wissen, dass am Dachstock ein Blitzableiter installiert war.
Wenn sich dann nach heissen Sommertagen der Himmel verdunkelte, ein sturmähnlicher Wind Blätter durch die Luft wirbelte, aus der Ferne ein Grollen zu hören war und die ersten Blitze am Horizont auftauchten, stieg mein Puls von Minute zu Minute. Den Schulweg absolvierte ich bei solchen Wetterlagen in der Hälfte der Zeit und legte mit meinem Fahrrad eine rekordähnliche Geschwindigkeit hin. Heute würden wohl viele hinschauen und meinen, das Kind sei mit einem E-Bike unterwegs. In der Nacht suchte ich bei aufkommenden Gewittern Zuflucht unter der Bettdecke meiner Schwester. Wenn ein Blitz das Zimmer erhellte, zählte ich «eins, zwei, drei» und versuchte abzuschätzen, in welcher Distanz der Blitz war. Oft wurden wir Kinder bei nächtlichen Gewittern von der Mutter in die Stube geholt. Sie zündete gesegnete Kerzen an und versuchte uns abzulenken, was ihr schlecht gelang, da wir an ihrem Gesichtsausdruck erkannten, dass auch sie Angst hatte. Mein Vater war oft auswärts an Sitzungen oder liess sich im Schlaf nicht stören. Und wenn er doch aus dem Schlafzimmer auftauchte, ahnten wir, dass auch er sich nicht mehr wohl fühlte. Die Anwesenheit beider Eltern gab uns Sicherheit und minderte die Angst.
Je älter ich wurde, lernte ich Menschen kennen, die keine Angst vor Gewittern haben – im Gegenteil – von diesem Wetterereignis sogar fasziniert sind. Diesen Menschen gelang es, dass mein Puls etwas weniger ansteigt und ich gefasster mit Blitz und Donner umgehen kann. Furcht und Respekt sind geblieben und das Bedürfnis, bei starken Gewittern unter die Bettdecke meines Mannes zu schlüpfen. Die Morgennebel im Mai zähle ich in der Zwischenzeit nicht mehr und kann mich sogar für den folgenden Spruch von Joachim Nusch erwärmen:
«Zähle die Regenbogen, nicht die Gewitter.»
Ich wünsche allen erholsame und gewitterarme Sommertage.

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