Gemeindefusion: Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Fr, 11. Jun. 2021

Eigenamt: Die Gemeinderäte von Birr, Birrhard, Habsburg, Lupfig und Mülligen befragen die Bevölkerung zum Thema «Gemeindefusion»

Fünf Birrfelder Gemeinden wollen heiraten – aber nur, wenn die Bevölkerung ihren Segen gibt. Ein Unternehmen, das sich auf Gemeindeberatung spezialisiert hat, wird darum im Juni eine Umfrage durchführen. Befragt werden Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren.

An einer Pressekonferenz erklärten die beteiligten Gemeinden das Vorgehen. Sie haben erste Gespräche über eine mögliche Fusion geführt und wollen nun die Befindlichkeit im Volk erheben und analysieren. Die Idee sei an einer Konferenz der Gemeindeammänner aufgekommen, sagte der Lupfiger Gemeindeammann Richard Plüss am Dienstagmorgen im Lupfiger Gemeindehaus. Aus fünf eigenständigen politischen Gemeinden könnte theoretisch eine grosse Gemeinde mit über 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern werden. Für Plüss bietet ein solcher Zusammenschluss viele Vorteile. Unter anderem sei es dann leichter, politische Ämter zu besetzten. Zudem setze man damit um, was geografisch schon lange Realität ist: Lupfig und Birr etwa sind zusammengewachsen, eine Grenze zwischen beiden Orten sei für den, der nicht hier geboren ist, quasi nicht mehr zu erkennen. Und in der Praxis arbeite man schon in vielen Bereichen zusammen. Es sei nur konsequent, diese Zusammenarbeit zu vertiefen. «Jetzt drängt es sich geradezu auf, die Gemeindestrukturen zu überprüfen», erklärte Plüss seine Sicht.
Doch das Thema ist heikel, dessen ist er sich bewusst. «Darum wollen wir den Puls der Bevölkerung spüren», sagte er, «und zeigen, wir nehmen die Bürgerinnen und Bürger ernst.» Mit der Umfrage haben die beteiligten Gemeinden die AWB Comunova AG beauftragt. Sie wird im Anschluss an die Analyse eine Handlungsempfehlung aussprechen – aber jeder Gemeinderat kann und soll das weitere Vorgehen selbst festlegen.
Im Zentrum steht die Frage «Können Sie sich eine Fusion vorstellen?» Die Befragten können ihre Haltung dafür oder dagegen begründen und angeben, mit welcher Gemeinde (und sogar Ortsbürgergemeinde) sie ein Zusammengehen für möglich halten. Ausserdem werden Daten zu den Befragten erhoben. Sie bleiben aber anonym. Die Umfrage wird an 5871 Personen verteilt, darunter alle Stimmberechtigten sowie Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr. «Denn sie sind es, die dereinst mitentscheiden», erläuterte Gemeindeammann Plüss. «Auch wenn wir grünes Licht für eine Gemeindefusion bekommen, wird es Jahre dauern, bis diese spruchreif ist.» Ein Rücklauf von 50 Prozent wäre erwünscht. Und ein möglichst klares Ergebnis. Einsendeschluss ist der 30. Juni.
Während bei Birr und Lupfig, den beiden grössten Protagonisten, ein Zusammenschluss auf der Hand liegt, ist man vor allem in Habsburg, der kleinsten Gemeinde, abwartender. «Das ist kein Vorstoss», stellt deren Gemeindeammann Werner Rüegsegger klar. «Wir machen bei der Umfrage mit, weil wir wissen wollen, was die Stimmberechtigten denken.» Habsburg sei zwar historisch mit dem Eigenamt verbandelt, orientiere sich gegenwärtig aber eher in Richtung Brugg und Windisch.
Vizeammann Stefan Hänni aus Mülligen hingegen ist der Überzeugteste von den «Kleinen». Ein Zusammenschluss sei besser für die Ressourcen, findet er. «In Mülligen haben wir Probleme, Kandidatinnen und Kandidaten für politische Ämter zu finden. Der Gemeinderat ist schon wieder unterbesetzt. Und in anderen Bereichen, beispielsweise bei der Bewirtschaftung des Waldes, hat sich eine Zusammenarbeit bewährt», argumentierte er.
Diese Probleme gibt es in Birrhard nicht, sagte die Birreter Frau Gemeindeammann Ursula Berger. Nachdem dort 2012 eine Gemeindefusion mit Birr bachab geschickt worden war, ist die Bereitschaft, sich zu engagieren, gestiegen. Der heftige Abstimmungskampf habe dafür gezeigt, wie sehr eine Gemeindefusion polarisiert. «Heute sind jedoch bessere Voraussetzungen», ist sie überzeugt. «Der Vorschlag könnte grösseren Anklang finden, weil mehrere Gemeinden mit an Bord sind.» Sie selbst stehe dem Vorhaben offen gegenüber und wünscht sich, dass Birrhard nicht als einzige Gemeinde «Nein» zum Vorhaben sagt.
Für den Lupfiger Gemeindeammann Plüss ist Birrhard bestes Beispiel, wie wichtig die Kommunikation bei so einem heiklen Thema ist. Damals sei der Eindruck entstanden, Birr wolle Birrhard schlucken. Das wolle man nun besser machen. Auch die Sorge um den Verlust der Eigenständigkeit sei unbegründet. «Die Ortsnamen und die Eigenheiten dürfen ja ruhig bleiben», meinte er. Mitbestimmen sei weiterhin möglich, wie das Beispiel Scherz zeigt, das seit 2017 zu Lupfig gehört. «Weil die Stimmberechtigten aus Scherz zahlreicher an die Gemeindeversammlung gehen.» Schlussendlich seien es die bereits erfolgten Zusammenschlüsse mehrerer Traditionsvereine über Gemeindegrenzen hinaus, die ihm beweisen, dass die Zeit reif für eine Fusion ist. «Das ist von unten gewachsen. Das ist ein Signal», sagte er. «Und ich würde mich freuen, wenn das Ergebnis der Umfrage diese Entwicklung bestätigt.»

Stefan Böker

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