Kaum sitzen sie im Sattel, strahlen sie wie Kinder

Fr, 04. Jun. 2021

Busslingen: Besuch bei den Motopirates Aargau, die in der alten Werkstatt der Kunstschlosserei Wetter ihr neues Zuhause gefunden haben

Eine Mofa-Gang für gestandene Männer. Mit ihren Zweitaktern heizten die Töffli-Piraten schon als Jugendliche durch die Dörfer. Heute liegen sie damit wieder voll im Trend. Lange fast verschwunden, haben die knatternden Maschinen Schweizer Strassen zurückerobert.

Sie sind ein bunter Haufen aus verschiedenen Berufen. Der Älteste ist 65, der Jüngste unter 50, die meisten sind in Mellingen oder Umgebung aufgewachsen. Sie treffen sich zweimal die Woche, manchmal noch sonntags. Dabei ist es nicht ausschlaggebend, ob einer ein kompetenter Schrauber ist. Dann kocht er halt oder setzt ein anderes Talent ein. Was die Motopirates verbindet, ist ihre Liebe zu den kultigen Töffli aus ihrer Jugendzeit. Und zusammen eine gute Zeit zu verbringen. «Der Spass steht bei uns im Vordergrund», sagt Christian Moll, Präsident des «Aargauer Chapters», wie sie ihren Club im Rocker-Jargon bezeichnen. Gegründet wurden die Motopirates 2016 von drei Kollegen aus Bern. 2018 kamen die Männer aus dem Reusstal dazu. «Born to Ride» steht auf dem Logo, über einem schnurrbärtigen Totenkopf, flankiert von Schere und Kamm. Denn der erste Präsident ist von Beruf Coiffeur. Und «Akademinsk» ist zu lesen. Weil sie keine Proletarier seien, im Gegensatz zu den «Lakeland Warriors», einem rivalisierenden Club aus dem Berner Seeland, erzählen sie – und können sich das Lachen nicht verkneifen.
Mit ihrem Hobby lassen sie Erinnerungen an ihre Jugend aufleben. Mit 14 Jahren konnten sie es kaum erwarten, endlich den Mofa-Führerschein zu bekommen und mobil zu werden. Nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern Lifestyle war das Töfflifahren. Unter der Schulbank feilten sie heimlich an Motorteilen, um die Dinger zu frisieren. «Lausbubenzeug halt», sagt Moll. Mit zunehmendem Alter wurden die Puchs, Piaggios und Ponys entsorgt. Oder verstaubten in Kellern und Garagen. Bis die eigenen Kinder ins Alter kamen und das Fachwissen der Väter wieder gefragt war. Heute sieht man wieder vermehrt Schülerinnen und Schüler mit Zweitaktern motorisiert zum Unterricht fahren.
Reto bastelt gerade einen Spiegel an. «Für meine Tochter», sagt er. «Unter der Bedingung, dass ich das Töffli auch benutzen darf.» Auf einer Werkbank hat René Teile eines komplett auseinandergeschraubten Ponys ausgelegt. Er schleift diese an, dann versiegelt und lackiert er sie – für den einzigartigen Vintage-Look. Den Motor von Sachs hat er mit silberner Farbe besprüht. Fein säuberlich sind im Regal hinter ihm Ersatzteile in beschrifteten Schachteln eingeordnet: Luftfilter, Benzinschläuche, Zündspulen. Marco lässt draussen den Motor eines Töfflis knattern, das sie zusammen für den Sohn eines Kollegen restauriert haben. Später gehen sie gemeinsam Preise für Ersatzteile durch. Auf dem Tisch steht ein Topf mit Pasta. Und selbstgemachter Limoncello. Club-Leben ist gutes Leben.

Fahrtwind und Dolce Vita
Das zeigt sich auch bei ihren Ausfahrten. «Einen Grill im Anhänger, kaltes Bier und Strom für Musik haben wir immer dabei», sagt Christian Moll und zeigt Fotos vom vergangenen Wochenende. 400 Kilometer sind sie dabei gefahren, haben das Hauptquartier in Bern besucht und unterwegs den einen oder anderen kulturellen oder kulinarischen Stopp eingelegt. Nicht immer freiwillig: «Mein Mofa gab schon im Gnadenthal das erste Mal den Geist auf», sagt der Präsident und muss grinsen. Die alten Töffli in Schuss zu halten, ab und zu auszufahren, ist eben eine nicht enden wollende Geschichte. Und neben dem Spass an der Technik ist es auch Mittel zum Zweck, um sich unter Freunden zu treffen. Entschleunigung pur, wenn sie mit einem Augenzwinkern ihre schwarzen, mit Aufnähern bestickten Kutten anziehen und losbrettern oder sich zum Fachsimpeln treffen. Ihr Alter bietet dabei einen weiteren Vorteil. In den letzten Jahren sind die Preise regelrecht explodiert. Für die chronisch pleite gewesenen Jugendlichen von damals hätte das ein Problem dargestellt. Heute beobachten die Männer den Töffli-Boom erstaunt, gelassen – und mit einer guten Portion Stolz.

Stefan Böker

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