Scharf beobachtet

Di, 29. Jun. 2021

Weder Pfarrer, Arzt oder Anwalt, sondern Bauer

Jetzt habe ich mich doch tatsächlich verliebt: In einen als Leitartikel gezeichneten Beitrag in der «Berg-Post», dem offiziellen Mitteilungsblatt der Gemeinden Bellikon, Niederrohrdorf, Oberrohrdorf und Remetschwil. Geschrieben hat die amüsante Geschichte mit dem Titel «Von einem, der auszog, Bauer zu werden…», der frühere Oberrohrdorfer Gemeindeammann und pensionierte Landwirt Toni Merki.
Ich wünschte mir, dass die spannend geschriebene Geschichte, des in einer Grossfamilie aufgewachsenen Autors, in den Schulen am Rohrdorferberg zur
Pflichtlektüre erklärt wird. Die heutige Handy-Generation würde dabei zweifellos vieles erfahren, was sie vermutlich vergeblich Wikipedia oder Siri entlocken könnte. So gab es beispielsweise in den Fünfzigerjahren kaum Maschinen auf einem Bauernhof. Heute unvorstellbar: Kühe wurden als Zugtiere benützt und vor den Karren gespannt. Die ersten Traktoren mussten mit einem beachtlichen Kraftakt mittels Kurbel in Gang gesetzt werden, und nicht selten «soff» der Motor ab. Die Buben gingen dabei dem damals technisch etwas überforderten Vater gerne zur Hand und brachten den Traktor wieder in Gang. So ähnlich, wie heute die jüngere Generation bei Handy- und PC-Problemen ihren Eltern und Grosseltern mehr oder minder erfolgreich Nachhilfeunterricht erteilt.
Es war zur damaligen Zeit üblich, «dass die Mädchen, der Schule entlassen, für ein Jahr ins Welschland gingen, um dort bei gutbürgerlichen Familien Haushalten, Putzen, Waschen und Kochen zu erlernen, um später einmal tüchtig am Herd zu stehen». Heute kaum noch denkbar! Buben durften einen Beruf erlernen. Einer von ihnen sollte in der Regel den elterlichen Hof übernehmen. Das war auch im Hause Merki so. Und weil in gut katholischen Familien nach Möglichkeit ein Knabe sich in geistlicher Richtung (etwa zum Priester) entwickeln sollte, schickte man den Jüngsten in ein von Kapuzinern geleitetes Gymnasium in die Innerschweiz, um ihn auf die Matura vorzubereiten. «Nach vier Jahren war ich so weit gereift, dass ich den Mut hatte, meinen Eltern klarzumachen, dass ich weder Kaplan, noch Pfarrer, noch Kapuziner werden wollte, und auch nicht Anwalt oder Doktor, sondern ganz einfach Bauer», dies einer der Kernsätze im Artikel von Toni Merki in der «Berg-Post».
Bei seinen Eltern löste den Entschluss zum Abbruch des Studiums und die Weichenstellung in Richtung Landwirtschaft offenbar einiges Erstaunen aus.
Aber ihr Jüngster machte seinen Weg fest entschlossen und schloss die Ausbildung schliesslich mit der Meisterprüfung ab.
Obwohl ich selbst voll überzeugt bin, dass Toni Merki ein ausgezeichneter Dorfpfarrer geworden wäre, der mit seinen humorvollen Predigten die Kirche regelmässig gefüllt hätte, kann ich ihm zu seinem damaligen Entschluss nur gratulieren. Oberrohrdorf hätte nämlich nicht nur auf einen sehr engagierten Landwirt, sondern auch auf einen menschlichen und einfühlsamen Gemeindeammann verzichten müssen, der damals das Amt in einer nicht ganz einfachen Zeit übernommen hatte und einige Wogen glätten musste.
Mehr vom Bauernleben zu lesen in der «Berg-Post» vom 16. Juni 2021

Sperber

Ganzer Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar.
Kategorie: 

Stellenangebote

Immobilienangebote

Kommende Events

Weitere Angebote

Trending

1

Erst mulmig, dann neugierig, schliesslich stolz

Von Zürich nach Nizza in einer Boeing 737 – Erfahrungsbericht aus dem Flugsimulator des ehemaligen Airline-Piloten Felix Staubli

Im Flugsimulator der Familie Staubli darf ich eine Stunde lang Pilotin sein. Die Lämpchen machen mir Sorgen und doch vergeht die Zeit im Flug.

Ein leicht mulmiges Gefühl beschleicht mich, als ich das Dachgeschoss der Familie Staubli in Wohlenschwil betrete. Dort fällt mein Blick auf ein Cockpit, einen wirklichkeitsgetreuen Nachbau einer Boe…