Widerstand gegen die geplante Asylunterkunft

Fr, 25. Jun. 2021

Mehr als zwei Stunden dauerte die Gemeindeversammlung mit insgesamt 12 Programmpunkten – 164 Stimmberechtigte waren anwesend

In grosser Einigkeit winkten die Niederwiler Stimmberechtigten kürzlich alle traktandierten Geschäfte durch. Allein der Bau einer neuen Asylunterkunft für 860 000 Franken stiess einigen Personen sauer auf. Die Art und Weise, wie sie ihre Ablehnung formulierten, liess tief blicken.

Der Plan der Gemeinde, an der Hubelstrasse 18 eine Asylunterkunft zu erstellen (der «Reussbote» berichtete), wurde am Dienstagabend klar angenommen. Aber er bekam von allen Geschäften den stärksten Gegenwind zu spüren. 43 Personen stimmten schliesslich mit Nein, 119 mit Ja. Wortführerin war eine Anwohnerin aus der Hubelstrasse. Sie höre immer wieder den Begriff «vorläufig aufgenommene Asylanten», sagte die Dame. «Was bedeutet das? Werden die dann auch wieder ausgeschafft?» Sie sehe nicht ein, dass für Geflüchtete «Luxuswohnungen» gebaut werden. «Dann gehen die ja nie mehr.»
Gemeinderätin Cornelia Stutz erklärte ihr, dass es Länder gibt, deren Situation eine Rückführung lange Zeit nicht erlaubt, aus mehreren Gründen. Und dass es deswegen wichtig sei, die Geflüchteten zu integrieren. «Jede einzelne Person wird geprüft», sagte sie. Zudem habe die Gemeinde die Pflicht, Geflüchtete zu beherbergen. Sie sei aber dagegen, dass Niederwiler Steuergeld für den Bau einer solchen Unterkunft verwendet wird, liess die Anwohnerin wissen. Das sei ja auch nicht der Fall, informierte die Gemeinderätin. Denn der Bund entschädige für jede beherbergte Person, sodass am Ende sogar Geld übrig bleibt. Das könne sie sich nicht vorstellen, entgegnete die Seniorin, «dass man mit Asylanten Gewinn macht». Sie befürchte zudem, dass so ein schönes Haus von seinen Bewohnern als Partylocation missbraucht wird und die Nachbarschaft unter Lärm leiden muss. Gemeinderätin Stutz wies darauf hin, dass der kantonale Sozialdienst die Asylsuchenden betreut und ein Auge darauf hat. Sogar unangekündigte Kontrollen in der Nacht führen dessen Mitarbeitende durch. Wenn nötig, werde die Polizei aufgeboten. Zu guter Letzt behauptete die Frau, dass bei Projekten wie dem Kindergarten gespart werde, während im Asylbereich das Geld mit vollen Händen ausgegeben werde.
«Das stimmt nicht», beschied ihr Gemeinderätin Stutz kurz und knapp. Diese beiden Projekte könne man nicht vergleichen.
Angesichts der in diesen Voten schlummernden Ausländerfeindlichkeit mussten einige Anwesende ihren Kopf schütteln. Andere hingegen bliesen ins selbe Horn: Auch auf ihn wirkten die Pläne zu pompös, liess ein Niederwiler wissen. «So ein Haus hätte ich auch gern.» Ob es nicht mehr «Low-Budget» gehe, wollte er wissen. «Wir bauen zweckmässig», antwortete ihm die Gemeinderätin. «Aber wir können kein altes Haus bauen.» Wichtig sei, dass das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Dann wurde noch angezweifelt, die geplante Bauzeit von sechs Monaten für den zweistöckigen Holzbau einhalten zu können. Und gefragt, warum man das bestehende Gebäude nicht sanieren kann. Gemeinderätin Stutz liess sich indes nicht irritieren und antwortete ruhig und sachlich auf jede Wortmeldung. Mehrfach wies sie jedoch auf eine vergangene Informationsveranstaltung hin, an der diese Themen ausführlich besprochen worden seien. «Schade, dass ihr da nicht da wart», sagte sie.

Gemeinderat erhält Mandat
Die restlichen Traktanden gingen harmonischer über die Bühne. Diskussionslos schenkten die Stimmberechtigten dem Gemeinderat das Vertrauen, den Verkauf der Baulandparzellen im Geere einzutüten. 30 Unternehmen haben sich beworben, von denen nun 18 in die nähere Auswahl kommen (der «Reussbote» berichtete). Die Stimmberechtigten genehmigten zudem die Rechnung 2020 sowie fünf Kreditabrechnungen, den Vertrag und das Reglement der neuen «Musikschule Reusstal» sowie den Kredit in Höhe von 120 000 Fr. für den Umbau der Transformatorenstation bei der Biogasanlage. Einstimmig durchgewunken wurde der Beitritt zum Ringverbund «Wasser 2035». Bei der beantragten Erhöhung der Stellenprozente auf der Gemeindeverwaltung gab es dann noch Nachfragen. Ob im Zuge dessen die Schalteröffnungszeiten ausgeweitet werden, wollte eine Einwohnerin wissen. Nein, antwortete Gemeindepräsident Walter Koch. Macht das Bevölkerungswachstum dies wirklich nötig? Ja, bestätigte er. Und etwas ungeduldiger: Nach 21 Jahren sei eine Erhöhung nun wirklich an der Zeit. Die Gemeinde solle schliesslich ein vorbildlicher Arbeitgeber sein.

Stefan Böker

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