«Freiheit ist wie ein Cordon bleu»

Di, 03. Aug. 2021

Über 80 Personen kamen zur 1.-August-Feier auf das Schulareal – die Ansprache hielt Werner Fischer

Der abtretende Gemeindeammann machte sich anlässlich des Nationalfeiertags Gedanken über den Begriff der Freiheit – und benutzte in seinen Ausführungen aussergewöhnliche Bilder.

Kurz bevor Gemeindeammann Werner Fischer seine Rede begann, mussten die Frauen vom Damenturnverein Künten noch extra Tische und Stühle aufstellen. Trotz wechselhaftem Wetter war eine stattliche Anzahl Personen der Einladung des Gemeinderats gefolgt und an das Fest auf dem überdachten Pausenplatz beim Schulhaus gekommen. Diese genossen das Beisammensein und die Möglichkeit, sich treffen und austauschen zu können. An den mit Blumen und Schweizer Farben dekorierten Biertischen waren die leckeren Würste der Chämi Metzg aus Fislisbach der Hit. Vor dem Grill bildeten sich teilweise lange Schlangen. Später gab es dann leckere selbstgebackene Kuchen und, für Hartgesottene, den Kaffee «Morgaroot» mit Schnaps und Schlagrahm. Die Kinder tobten derweil auf dem Schulgelände herum und liessen schon einmal den ein oder anderen Kracher in die Luft gehen. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde für sie ein Lampionumzug organisiert.

Analogie aus der Küche
Gemeindeammann Fischer setzte sich in seiner Rede gesellschaftskritisch mit dem Begriff der Freiheit auseinander. Wie bei einem Cordon bleu bestehe seine Kreation der Freiheit aus mehreren Schichten. Das obere Schnitzel stehe für den persönlichen Bereich der Freiheit. Der Schinken für die Eigenverantwortung, aber auch die Pflichten, die Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Gesellschaft haben. Der Käse stehe für Toleranz, Verständnis und Vertrauen. Und das untere Schnitzel sei sinnbildlich als Beginn der Freiheit der anderen zu verstehen. «Heute ist in einem Cordon bleu leider nur noch der obere Teil drin», bemängelte Fischer. «Die anderen Teile haben wir vergessen.»
Der Grund für diese besorgniserregende Entwicklung sei wachsender Individualismus. «Jeder fühlt sich heute als Nabel der Welt, und verliert den Blick fürs Übergeordnete», kritisierte der Gemeindeammann. In der Politik manifestiere sich das durch die Erosion der Mitte und die Unfähigkeit, deutliche Mehrheiten zu finden. Früher habe Religion für Zusammenhalt gesorgt. Heute gebe es «politische Ideologen, die uns den Weltuntergang weismachen wollen.» Diese Haltung gipfele in Verschwörungstheorien, in dem Glauben, selbst alles besser zu wissen, sogar besser als anerkannte Experten. Gleichzeitig beobachte er ein Umfeld, in dem Diktatoren wieder erstarken.
Sein Rezept laute deswegen: «Wir müssen untereinander wieder mehr Vertrauen schaffen.» Einzelne sollten sich zurücknehmen, sich selbst nicht so wichtig nehmen. Wenn man den Blick für das Ganze nicht verliere, dann sei es auch möglich, dass mündige Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden können, was gut ist. «Wir müssen wieder fähig werden, miteinander zu reden und vertretbare Kompromisse zu schmieden», so der Appell von Gemeindeammann Fischer. Dazu gehöre auch, andere Meinungen anzuhören, mit gegenseitigem Respekt, ohne Denk- oder Sprechverbote zu etablieren. «Kurz gesagt: Das Cordon bleu mit all seinen Schichten wieder bewusst leben.»
Die Pandemie und die mit ihr einhergehenden Einschränkungen, die viele und besonders das Gewerbe hinnehmen mussten, seien ein Prüfstein der freiheitlichen Auffassung gewesen. Gerade in diesen besonderen Zeiten sei Vertrauen nötig. Vertrauen in die Führung durch Behörden und Instanzen. Das könne kein «Jekami» sein, sei aber auch nicht immer fehlerfrei. «Es gibt Zeiten, da muss man geführt werden», erklärte Fischer. «Und es gibt Zeiten in denen man das Ganze ehrlich reflektieren muss. Letztere fangen jetzt vielleicht an.»

Stefan Böker

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