Einzug ins Finale hing an einem seidenen Faden

Di, 03. Aug. 2021

Wasserspringen: Michelle Heimberg hat an den Olympischen Spielen in Tokio ihre eigenen Erwartungen übertroffen

Die Anspannung hätte nicht grösser sein können. Michelle Heimberg hatte noch eine allerletzte Chance, um es ins Finale der besten zwölf Springerinnen der Welt zu schaffen. Ausgerechnet da packte sie ihren besten Sprung aus. Mit der Finalqualifikation an den Olympischen Spielen hat die Fislisbacherin ihre eigenen Erwartungen übertroffen.

Yvonne und Daniel Heimberg hielten es vor dem Fernseher kaum mehr aus. Da stand ihre Tochter auf dem Drei-Meter-Brett und die ganze Welt schaute zu, wie die 21-jährige Schweizerin kurz davor stand, über die Klippe springen zu müssen. Denn nur die zwölf Besten qualifizierten sich für den Finaldurchgang, wo die Karten nochmal neu gemischt werden. Aber Michelle Heimberg war vor dem fünften und alles entscheidenden Sprung nur auf dem 13. Rang klassiert. Vor ihr war der Schwedin Emma Gullstrand auf dem 12. Rang ein guter letzter Sprung gelungen. Nun also sollte für Michelle Heimberg alles von diesem einen, dem letzten Sprung abhängen. Nicht auszudenken, was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging. Während Jahren hatte sie eisern darauf hingearbeitet, hat Tag für Tag in der Halle gestanden und ist viele tausend Mal vom Brett gesprungen. Stets mit dem Ziel – Olympia 2020 in Tokio – vor Augen. Dass sie, wie viele andere auch, wegen der Pandemie ein weiteres Jahr warten musste, hat sie nach eigenen Aussagen nur stärker gemacht. In diesem Moment vor dem Sprung, da dürften die Erinnerungen an all die Mühen und die Pein weit weg gewesen sein. Michelle Heimberg steckte in ihrem ureigenen Tunnel. Dort befindet sich das Gedankenkino. Da läuft nur ein Film, nämlich wie der letzte und entscheidende Sprung ablaufen soll.

Befreiung nach dem letzten Sprung
Es sollte ein zweieinhalbfacher Auerbachsalto werden. Ein äusserst schwieriger Sprung. Die Spannung im Wohnzimmer der Heimbergs in Fislisbach war kaum mehr auszuhalten. Michelle Heimberg läuft an. Ein eleganter Schritt auf dem Brett, der vorbereitende Absprung vom Brett mit beiden Beinen. Das Brett biegt sich mächtig. Michelle Heimberg springt wie eine Feder hoch. Der Auerbachsprung verlangt Mut und Präzision. Michelle Heimberg springt hoch nach vorne weg, um auf dem Scheitelpunkt rückwärts zu rotieren, mit dem Kopf in Richtung Brett. In nur einer guten Sekunde ist alles vorbei. Die Fislisbacherin taucht nach zweieinhalb Drehungen senkrecht ins Wasser ein. Der Experte am Fernsehen ist begeistert. Der Sprung ist gelungen. «Das könnte reichen», tönt es aus der TV-Lautsprecherbox. Und wie es reicht! Um genau 0,96 Punkte. Michelle Heimberg hat sich für das Finale der zwölf Weltbesten qualifiziert. Dabei profitierte die Schweizerin vom Pech der Kanadierin Pamela Ware, die im letzten Versuch den Absprung verpasste und einen Nuller produzierte. Sonst wäre Michelle Heimberg wohl unglückliche Dreizehnte geworden.
Das brauchte die 20-jährige Fislisbacherin nicht länger zu kümmern. Die Erleichterung im Hause Heimberg war danach gross. Mutter Yvonne Heimberg gestand nach dem Wettkampf: «Ich bin nudlefertig.»
Nun konnte alles passieren. Heimberg wusste: sie hat noch Luft nach oben. Sowohl in der Qualifikation wie auch im Halbfinale hatte sie zwei eher mässige Sprünge. Würde sie dort 20 bis 30 Punkte wettmachen, würde ein Olympisches Diplom (Rang 1 bis 8) absolut drinliegen.

Das Diplom knapp verpasst
Im Final am Sonntagmorgen sah es denn auch lange gut aus. Nach zwei Sprüngen lag Heimberg nur gerade drei Punkte hinter der besten Europäerin, der Holländerin Inge Hansen zurück, die am Ende Rang fünf belegte. Doch beim dritten Sprung passierte es: Michelle Heimberg verhaute den dreieinhalbfachen Vorwärtssalto, bei dem sie mehr als 20 Punkte verschenkte. So musste sie sich am Ende mit dem 11. Schlussrang begnügen. 20 Punkte mehr, und Heimberg wäre im 6. Schlussrang gelandet. 14 Zähler mehr und sie hätte ein Olympisches Diplom abgeholt. Aber es sind ja zum Glück nur noch drei Jahre bis zu den nächsten Spielen – dann in Paris.

Beat Gomes

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