GASTKOLUMNE

Di, 03. Aug. 2021

Stefan Schmid, geboren 1955, wohnhaft in Mellingen, Betriebstechniker SFB, Metallbauzeichner, Farbtechnologe ehem. Nyco Kirchberg. Er ist heute auch bekannt als «der Feierabendmaler»

Die Qual der Wahl

Ich bin leidenschaftlicher Demokrat. Früher bedingungslos, heute differenzierter, als Befürworter der am wenigsten mangelhaften Staatsform unter allen. Den idealen Staat gibt es nicht. Es gibt immer nur die Annäherung daran, mal besser, mal schlechter.
Die Schweiz mit ihrer Mischform aus repräsentativer (Parlamente) und direkter (Bürger) Demokratie stellt trotz internationaler Bewunderung nicht unbedingt das gelbe vom Ei dar. Sonst wäre sie irgendwo kopiert worden. Sie setzt ein relativ hohes Bildungsniveau sowie eine demokratische Reife voraus, die die Schweizer am liebsten schon mit der Muttermilch zu sich nehmen. In dieser demokratischen Glückseligkeit erstaunt es, dass die Stimmbeteiligung im internationalen Vergleich schlecht wegkommt. Sie liegt national gesehen leicht unter 50 Prozent. Im hintersten Segment, kommunal, also der Haut am nächsten, manchmal unter 5 Prozent. Analysiert wurde das schon mehrfach. Die eingängigsten Erklärungen, die ich gefunden habe, besagen, dass die Schweizer grosses Vertrauen in ihre Mitbürger setzen. Sie sagen: «Mal sehen was die Mehrheit will, aufregen kann ich mich dann immer noch». Bei der grossen Kadenz an Abstimmungen ist die einzelne auch nicht mehr so tragend, wie wenn nur alle vier Jahre gewählt würde. Zudem wird bei der Ausgestaltung des Entscheids darauf geachtet, der unterlegenen Minderheit entgegen zu kommen. Ängstlich, um unsere Demokratie Besorgte, treten für das Wahl- und Stimmrecht von hier niedergelassenen Ausländern ein. Das könnte die Stimmbeteiligung erhöhen, lässt aber nicht jedes Herz vor Freude hüpfen. Die Diskussion, ob das Wahlrecht bei der Integration hilft, oder ob das Wahlrecht die Belohnung für eine erfolgreiche Integration darstellt, müsste breit geführt werden. Jedenfalls würde der durchschnittliche Schweizer Nichtwähler dereinst etwas nachdenklich werden, wenn er am Montag nach dem Wahlsonntag Süleyman, Dragan und Rüdiger aus der Nachbarschaft stolz über die Sachabstimmung oder ihre Wahl diskutieren hörte.
Dann gibt es noch die, wie ich es nenne, anarchistische Variante: Wenn einem die Nasen der Wahlkandidaten nicht passen und man keine Alternative zu diesen Nasen bekommt, kann man der Wahl auch fernbleiben. Die tiefe Wahlbeteiligung ändert zwar nichts am Resultat, verwehrt ihnen aber eine gute demokratische Legitimation.

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