GASTKOLUMNE

Di, 24. Aug. 2021

Shimeon Balmer aus Niederwil arbeitet als Operation Architekt bei Swisscom. In der Freizeit wandert der zweifache Vater gern und engagiert sich als Präsident im Schützenverein Niederwil-Nesselnbach. Der 43-Jährige ist freiwilliger Helfer im Schaugewächshaus Reusspark.

Die alte Heimat

Ich werde oft gefragt warum ich das wunderschöne Berner Oberland, meine frühere Heimat habe verlassen können, diesen wunderbaren Ort wo Jahr für Jahr hunderttausende Touristen hin pilgern. Dort leben wo andere Ferien machen, bei Eiger, Mönch und Jungfrau.
Die Antwort ist so unromantisch wie nur immer möglich. Wegen der Arbeit! Meine beruflichen Pläne im Berner Oberland fanden ein jähes Ende als das VBS entschieden hatte, «meinen» Militärflugplatz in Interlaken zu schliessen. So zog ich los, in die Ferne – also nach Zürich respektive nach Kloten. Kontrastreicher konnte es fast nicht mehr sein. Statt idyllischer Seen und mächtigen Gebirgswäldern fand ich Betonbauten und denaturierte Flüsse, statt Freunde und Nachbarn – nur noch Anonymität in den Häuserschluchten. Zum Glück wurden wir eines schönen Tages in den Aargau eingeladen, bei Freunden in Wohlenschwil und auf dem Weg dorthin fand ich meine neue Heimat – Niederwil im Reusstal.
So wurde die alte Heimat wie eine zweite, eine mit deutlich weniger Nebel aber mit viel höheren Steuern. Doch sie verblasste nach und nach immer mehr. Als in früheren Jahren noch Glücksgefühle durch die Magengegend summten, wenn man auf dem Brünigpass den Brienzersee erblickte so wurde es mit der Zeit eine Fahrt wie viele andere auch und irgendwann war die Strecke ins Oberland plötzlich mehr ein Hindernis statt ein Erlebnis. Die Menschen in der alten Heimat, die ich kannte und schätzte zogen ebenfalls aus und auch sie suchten ihr Glück in der Ferne und so kenne ich heute kaum mehr jemanden, wenn ich durch die Strassen meiner Jugend flaniere.
Als nun auch meine Grossmutter ihr Haus aufgab und ins Altersheim zog, stellte ich fest, Heimat ist kein Ort. Heimat ist die Zeit an einem Ort zusammen mit den Menschen, die dir wichtig sind. So stand ich also beim Dorfbrunnen, welcher ganz in der Nähe meines alten Zuhauses ist, und es war kalt und anonym. Da waren keine Wärme und keine Nähe mehr. Es war bloss ein Brunnen und viele schöne Erinnerungen an eine Zeit die lange vorbei ist. An Menschen, die schon lange nicht mehr hier sind. Das, was noch ist, ist der Ort, aber das ist auch schon alles.
Jetzt, wo ich weiss was Heimat für mich ist, da freue ich mich auf das Reusstal, auf euch und auf den Nebel, der hoffentlich noch nicht so bald wiederkommt.

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