Diese Frauen und Männer ziehen Publikum an

Fr, 03. Sep. 2021

Das Interesse am Wahlpodium im Alterszentrum «Im Grüt» mit den Kandidierenden für den Mellinger Gemeinderat war gross

Zwei Kandidatinnen und fünf Kandidaten stellen sich den Fragen bei einem Wahlpodium. Sie beziehen Position zum künftigen Verkehrsregime in der Altstadt. Sie sagen, wie sie zu Fusionen mit anderen Gemeinden stehen, nehmen den Steuerfuss unter die Lupe und lassen das Publikum an ihren Visionen teilhaben.

Eingeladen zum Podiumsgespräch hatte die «IG-Impuls Mellingen21». Bis auf einen Kandidaten nutzten alle Kandidierenden die Gelegenheit, sich den Wählerinnen und Wählern im Vorfeld der Gesamterneuerungswahlen vom 26. September zu präsentieren. Das Interesse war gross, Wählerinnen und Wähler kamen in grosser Zahl in die Cafeteria im Alterszentrum «Im Grüt». Über hundert Stühle hatten die Organisatoren aufgestellt, kaum einer blieb am Dienstagabend frei. Moderiert wurde der Anlass von Ökonom und IG 21 Mitglied Walter H. Rambousek, seit 2019 wohnhaft in Mellingen und aktiv in der Plaza-Arbeitsgruppe «Verkehr». Innert kurzer Zeit habe er sich «ins Städtli verliebt».
Die Ausgangslage für die Gemeinderatswahlen in Mellingen bezeichnete Rambousek mit so vielen Kandidierenden als «wunderbar». Er lud alle ein, sich kurz vorzustellen – Silvan Herzig, mit Jahrgang 1998 der Jüngste, war aus Südafrika per Zoom zugeschaltet, wo er sich bis Ende Jahr studienhalber aufhält. Im Anschluss an die Vorstellungsrunde sollten die Kandidatinnen und Kandidaten zu Sachfragen Position beziehen, etwa zur Aufwertung der Altstadt, zu möglichen Fusionen, zu Prioritäten im Gemeinderat und auch zum Steuerfuss. Schliesslich sollten alle einen Blick in die Zukunft werfen und erzählen, wo sie Mellingen in acht Jahren sehen.

So soll sich die Altstadt entwickeln
Für das Amt des Gemeindeammanns kandidieren Györgyi Schaeffer, Martin Huber und Urs Weber. Gemeinderätin Schaeffer betrachtet das von den Wahlberechtigten vor zwei Jahren geschenkte Vertrauen keineswegs als selbstverständlich. Im Gegenteil, als gebürtige Ungarin empfinde sie das als Ehre. Noch viele «sehr spannende Aufgaben» würden warten, meinte sie. Zum Beispiel die Aufwertung der Altstadt, wo zurzeit analysiert werde, was verkehrstechnisch möglich sei. Sie spricht vom Idealfall und damit von sehr wenig Verkehr. «Wir werden sehen, ob null Verkehr möglich sein wird.» Ohnehin müsse die Altstadt auch über die Kultur belebt werden: Daran würden Kultur- und Museumskommission bereits arbeiten.
Das «Städtli vom Verkehr entlasten» will Unternehmer Martin Huber, der fast dreissig Jahre lang die Robert Huber AG in Mellingen geführt hat. Er wünscht sich eine «wunderschöne Begegnungszone» – als grosse Chance sowohl für die Gastronomie als auch für das Gewerbe. Keine Einschränkungen dürften allerdings Zubringer erfahren, betonte er.
Urs Weber hatte während Monaten nach jungen Kandidierenden gesucht, ohne Erfolg. Deshalb stelle er sich nun selber als Kandidat zur Verfügung, erklärte der 67-Jährige. Die Altstadt sieht er als Begegnungszone, wo sich beide Stadthälften beim Einkaufen und in Restaurants treffen. Um die Restaurants tatsächlich so zu beleben, dass dort auch gegessen und nicht nur Kaffee oder ein Bier getrunken wird, müssten die Gassen busfrei werden – das habe ihm kürzlich ein Besuch in Aarau gezeigt.
Beat Gomes, seit vier Jahren Gemeinderat und Kandidat für das Amt des Vizeammanns, bringt die Traktoren ins Spiel. Bislang sei noch kein Wort zur Durchfahrt dieser schweren Gefährte verloren worden. Bewusst werde das heikle Thema ausgeklammert. Fest stehe aber, dass der Kanton die schweren Landwirtschaftsfahrzeuge nicht auf der Umfahrung wolle. Gomes, der vor vier Jahren einen Wandel im Gemeinderat wollte, damals für mehr Offenheit und Basisdemokratie antrat und auch gewählt wurde, ist der Meinung: «Auch diese schweren Gefährte müssen raus aus der Altstadt.» Als Vizeammann kandidiert ausserdem Eveline Wernli. Die Mitte-Politikerin und Gründerin einer Treuhandfirma will in der Altstadt «ganz bestimmt eine Begegnungszone». Schöner wäre es, ergänzt sie, «den Kaffee auf einer Terrasse in der Gasse zu trinken, ohne dass alle fünf Minuten ein Bus vorbeifahre». Ernst nehmen will Wernli aber auch die Sorgen der Bewohner am Berg, die sich davor fürchten, vom Rest des Städtchens abgeschnitten zu werden.

Zwei Statements zu den Bussen
Alexander Wagner hatte ursprünglich eine Lehre auf einer Gemeindeverwaltung absolviert und konnte sich bereits damals vorstellen, Gemeinderat zu werden. Er wehrt sich gegen eine «busfreie Altstadt». «Das funktioniert nicht», sagte der Kandidat, der als «kleiner Knopf» mit seinen Eltern in der Scheunengasse wohnte, von Mellingen wegzog und nun seit einigen Jahren wieder hier lebt. Die Altstadt solle weitgehend vom Verkehr befreit werden, auch von Traktoren. Die Durchfahrt für Busse aber solle beibehalten werden, betonte der Journalist und Fotograf.
Auch Silvan Herzig will, dass Busse weiterhin durch die Altstadt fahren können. Er konnte in Südafrika die gesamte Diskussion über Zoom mitverfolgen. «Zubringer ja», sagte er, «aber keinen Durchgangsverkehr». Für ihn als Pendler sei der öffentliche Verkehr sehr wichtig. Der 23-Jährige, der in Mellingen bei der Jubla und auch beim Unihockey in Leitungsfunktionen ist und auch in der Plaza-Arbeitsgruppe «Verkehr» mitgewirkt hat, will sich gerne eines Besseren belehren lassen: «Zurzeit sehe ich aber keine andere Lösung.»

Über Fusionen und von Prioritäten
Weitgehend Einigkeit gibt es unter den Kandidierenden rund ums Thema Fusion: Sollten Gemeinden mit Fusionswünschen an den Mellinger Gemeinderat gelangen, müssten sie ernst genommen werden. Auf jeden Fall müsse der Dialog gesucht und die Anfrage geprüft werden. Sowohl Urs Weber als auch Eveline Wernli betonen, dass dem «Nachbar in Not» geholfen werden soll. Das erfordere aber auch seriöse Abklärungen. Weber verweist auf den Kanton Glarus, der nach grossen Fusionen, noch aus drei Gemeinden besteht.
Einig sind sich alle Kandidierenden darüber, was für den Gemeinderat mit Beginn der neuen Legislatur im Januar 2022 Priorität hat. «Teambildung», heisst es unisono. Das kann in den ersten hundert Tagen zum Beispiel mittels Klausur geschehen, auch professionell begleitet. Und auch die Kommunikationskultur im Rathaus soll gefördert werden, geprägt von gegenseitigem Respekt und Offenheit.
Die Kandidierenden setzen auch persönliche Prioritäten. So will Beat Gomes ein Konzept erarbeiten, um die Sozialkosten zu senken. Eveline Wernli setzt ihren Akzent bei der Schule, die sich ohne Schulpflege neu organisieren muss. Die Schulfrage ist auch für Silvan Herzig wichtig, der Jugendliche generell mehr mitreden lassen möchte. Herzig rückt ferner den Datenschutz, respektive den «Datenklau» ins Zentrum. Der ehemalige Zehnkämpfer Alexander Wagner will die Finanzen und die Schulden im Auge behalten. Martin Huber fragt nach der Ressortverteilung und hofft, dass persönliche Stärken berücksichtigt werden. Ausserdem soll jeder Gemeinderat von Anfang an über die Gemeindefinanzen Bescheid wissen, sagte der Unternehmer, der auch Herbstmessen organisiert hat.

Kein höherer Steuerfuss
Wenig erstaunen dürfte die vorherrschende Meinung zum Steuerfuss von aktuell 110 Prozent: «Höher darf er nicht werden.» Die Obergrenze sei erreicht, sagten etwa Alexander Wagner, Silvan Herzig und Eveline Wernli. Die beiden amtierenden Gemeinderäte Gomes und Schaeffer meinten hingegen, der Steuerfuss sei kein Wunschkonzert. Es werde nüchtern und emotionslos gerechnet, so Schaeffer, am Ende stehe das Ergebnis. Sie werde alles dafür tun, versprach sie, dass der Steuerfuss nicht steige: «Ich zahle mit.» Der Spielraum sei gering, sagte auch Gomes. Er plädierte für ein starkes Gewerbe und die Ansiedlung neuer Unternehmen. Anders sieht es Urs Weber: Wenn der Steuerfuss vorübergehend steige, dann sei das nicht so problematisch, meinte er. Dieser könne auch wieder gesenkt werden. Weber wehrt sich, künftigen Generationen Schulden zu überlassen: «Unsere Kinder müssen es ausbaden.»

Mellingen in acht Jahren
«Wie soll Mellingen in acht Jahren aussehen?», fragte Moderator Rambousek in die Runde. Alexander Wagner sieht Mellingen «als Tor zwischen Baden und dem Freiamt». Das Städtchen solle seine Zentrumsfunktion wahrnehmen, den Horizont Richtung Nachbargemeinden öffnen. Silvan Herzig verwies auf die bereits gute Lebensqualität, die mit der Eröffnung der Umfahrung weiter zunehmen werde. Eveline Wernli bleibt mit ihrer Vision im Städtchen. Sie will, dass die Randquartiere Berg oder Gheid besser ins Zentrum ein- und angebunden werden: «Der Platz beim Neugrüen, hinter der Bäckerei Studler, birgt viel Potenzial.» Und Urs Weber wünscht sich ein Mellingen, das «besucht werden will, weil es so schön ist». Mit einem Stadtbach, einem Markt, einer Badewiese am Reussufer.
Sie würde in acht Jahren gerne sagen, meinte Györgyi Schaeffer: «Alle sind happy.» Der Verkehr rollt über die Umfahrung, die Altstadt hat ihr neues Gesicht erhalten und auch an der Birrfeldstasse ist vieles im Tun. Martin Huber schliesslich hätte gerne eine «Cashcow», etwas das Geld in die Gemeinde bringt – Warum nicht ein Parkhaus? Und die Reussbadi soll wieder hergerichtet, ein Umfahrungsfest geplant werden. Ein Ärztezentrum sei nötig, damit Arzttermine nicht in Baden vereinbart werden müssen, schloss er die Liste seiner Visionen.

Heidi Hess


Raphael Leutenegger

Kandidat Nummer acht für den Gemeinderat sowie auch für das Amt des Vizeammanns ist Raphael Leutenegger, parteilos, Jahrgang 1983.
Moderator Walter Rambousek erklärte zu Beginn der Veranstaltung, dass Leutenegger von den Organisatoren wiederholt für eine Teilnahme am Podium angefragt worden sei. Leider habe er abgesagt. Leutenegger, Vater eines achtjährigen Jungen, wohnt in der Mellinger Altstadt. Er arbeitet seit 2005 beim Bauamt in Mellingen und möchte sich nach eigener Aussage «als Praktiker und Handwerker für das Gemeinwohl einsetzen». (hhs) 

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